GEGENARGUMENTE

ARBEITSMARKTPOLITIK – POLITIK IM DIENSTE DES KAPITALS

Ende Februar wurden sie wieder einmal gezählt, die Arbeitslosen in Österreich, knapp 300.000 wurden erfasst. Die neue alte Bundesregierung verspricht, ihre aktive Beschäftigungspolitik fortzusetzen. Eine weitere Arbeitszeitflexibilisierung, kürzere Vermittlungsdauer, Lohnnebenkostensenkung für ältere Arbeitnehmer um nur einige der angekündigten Maßnahmen zu nennen, sollen für mehr Beschäftigung sorgen. Während die Regierung ihre angekündigten Reformen des Arbeitsmarktes als Fortsetzung ihres erfolreichen Weges sieht, meldet die demokratische Öffentlichkeit Zweifel an, ob diese auch wirklich weitreichend genug seien.

An dieser Debatte, wie Arbeitslosigkeit verhindert bzw. abgebaut werden kann, beteiligen wir uns in der Sendung nicht, weil wir meinen, dass es den Arbeitslosen nicht an Arbeit, sondern an Lebensunterhalt fehlt. Warum es ein vernichtendes Urteil über eine Gesellschaft ist, wenn in ihr ausgerechnet Arbeitslosigkeit ein Problem ist, haben wir in unserer Sendung "Was man über eine Gesellschaft lernen kann, wenn Arbeitslosigkeit in ihr ein Problem ist" besprochen, der Text kann auf unserer homepage www.gegenargumente.at nachgelesen werden.

Statt dessen wird in dieser Sendung geklärt, was für eine Sorte Markt der Arbeitsmarkt überhaupt ist, wem die Arbeitslosenversicherung nützt und welchen Inhalt die Arbeitsmarktpolitik hat.

Der Arbeitsmarkt – kein Markt wie jeder andere!

Die beiden Parteien, die sich auf dem Arbeitsmarkt treffen, sind nach allgemein durchgesetztem Sprachgebrauch Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Folgt man dem Wortsinn, dann ist der Arbeitnehmer eine Figur, die am Arbeitsmarkt was kriegt. Dabei handelt es sich zumindest um eine Verdrehung, um nicht zu sagen Beschönigung, des wahren Verhältnisses von Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Eher schon verhält es sich doch wohl umgekehrt. Der Arbeitnehmer arbeitet und das Resultat dieser seiner Arbeit gehört nicht ihm, sondern seinem Arbeitgeber. Er ist in Wahrheit nicht derjenige der die Arbeit kriegt, sondern derjenige der sie gibt. Dem Arbeitgeber umgekehrt kommt gemäß dieser allgemein üblichen Bezeichnungsweise die Rolle desjenigen zu, der was hergibt. Er spendiert Arbeit, er stellt einen Arbeitsplatz zur Verfügung, heißt es auch manchmal. Dabei gibt er den doch gar nicht her. Der gehört ihm am Ende des Tages ebenso wie an seinem Beginn. Daran ändert auch der Umstand, dass es der Arbeitnehmer ist, der an ihm werkelt rein gar nichts.

Die Redeweise von Arbeitnehmer und Arbeitgeber zeugt offenbar von einiger Verwirrung darüber, was denn überhaupt am Arbeitsmarkt gehandelt wird. Daher im folgenden ein paar Worte darüber wie denn der Arbeitsmarkt beschaffen ist und womit dort gehandelt wird.

Der Arbeitsmarkt ist – wie im übrigen jeder Markt - ein Resultat staatlichen Wirkens. Der Staat ist es nämlich, der mit seiner politischen Gewalt erst die alles entscheidende Voraussetzung allen Kaufens und Verkaufens schafft und zwar das alle anderen ausschließende Verfügungsrecht der Eigentümer über das ihrige. Diese staatlich ins Recht gesetzte Privatmacht der Eigentümer schließt auf Seiten der Firmeneigentümer die Freiheit ein, einzig nach eigenem Ermessen Arbeitsplätze zu schaffen, sie nach Maßgabe ihres Nutzens auszugestalten und sie dann, wenn sie sich für sie nicht oder auch nur nicht ausreichend rentieren, umzugestalten oder gar auch wieder abzuschaffen.

Auf Seiten der weniger bemittelten Bürger erzwingt dasselbe Recht der privaten, andere ausschließenden Verfügung über ihr Eigentum ein absurdes Verhältnis dieser Bürger zu sich selbst. Weil ihnen alles fehlt, was sie für ihr unmittelbares Überleben brauchen, müssen sie arbeiten, finden sich aber in der eigenartigen Lage gar nicht arbeiten zu können, weil die staatliche Eigentumsgarantie dafür sorgt, dass sie nicht an die dafür erforderlichen Arbeitsmitteln herankommen. Dergestalt von allen Mitteln ihren Lebensunterhalt zu bestreiten ausgeschlossen, steht ihnen für ihre Reproduktion nur ein Weg offen. Sie müssen sich zu der mit ihrer eigenen physischen Existenz gegebenen Möglichkeit zu arbeiten als zu einem veräußerlichenden Gut, zu einer handelbaren Ware verhalten. Gelingt ihnen deren "Verkauf", dürfen sie das tun, was sie ohnehin tun müssten – arbeiten nämlich - jetzt aber in fremdem Dienst und nach Maßgabe eines fremden Nutzens. Nur dann steht ihnen - und zwar im Maße des erzielten Preises - der Zugang zur bunten Warenwelt offen. Voraussetzung dafür, dass dies gelingt, ist, dass sie durch ihre Arbeit einen Unternehmer reicher machen. Gelingt ihnen der Verkauf ihres Arbeitsvermögens umgekehrt nicht, dann entfällt für sie nicht bloß der eine oder andere Genuss. Die Natur ihres Handelsartikels bringt es mit sich, dass mit seiner Nichtverkäuflichkeit die gesamte von ihm gar nicht zu trennende Existenz ihres Eigentümers - des Arbeiters - in Frage steht. Der Verkauf von Arbeitskraft nimmt daher eher den Charakter eines Notverkaufs als den eines für den Arbeiter vorteilhaften Geschäftes an.

Das egalitäre Verhältnis von Käufer und Verkäufer, als das sich das Verhältnis von Kapital und Lohnarbeit am Arbeitsmarkt darstellt, zeigt sich seinem Inhalt nach als eine höchst einseitige Sache. Sosehr Arbeiter und Kapitalisten am Arbeitsmarkt der Form nach gleichberechtigte Vertragspartner sind, sosehr sind erstere nur das Geschöpf und Resultat des Wirkens der anderen Seite, der Kapitalisten. Mit dem Monopol auf den produktiven Reichtum besitzen diese die Kommandogewalt darüber, was und wie in der Gesellschaft gearbeitet wird. Und diese Definitionshoheit der Kapitalisten schließt ganz nebenbei auch die Hoheit ein, Arbeiter in den Zustand der existentiellen Not zu versetzen, wenn ihre Arbeit nicht oder nicht mehr dafür taugt ihr Kapital zu vermehren. Dass sie damit selbst laufend für ein Überangebot an Arbeitskräften sorgen, das den Arbeitsmarkt überfüllt, vollendet die Despotie des Kapitals.

Dass diese ökonomischen Verhältnisse, die für die Arbeitnehmer noch nicht einmal ein kontinuierliches Einkommen hergeben, für diese ohne korrigierende Eingriffe nicht auszuhalten sind, ist auch dem Staat nicht verborgen geblieben, wenngleich ihm selbst diese Einsicht erst noch abgerungen werden musste. Selbstverständlich setzt seine Korrektur nicht die Eigentumsverhältnisse außer Kraft. Die hat er ja extra eingerichtet, um an den Früchten des Kapitalwachstums zu partizipieren. Seine sozialpolitischen Intervention betrifft die Wirkungen der Eigentumsverhältnisse. Diese sollen nicht beseitigt sondern soweit aushaltbar gemacht werden, dass das von ihm intendierte Kapitalwachstum durch sie nicht beeinträchtigt werde. Mit diesen seinen Eingriffen sorgt er überhaupt erst dafür, dass es diesen Arbeitsmarkt gibt.

Die Arbeitslosenversicherung

a.

Bekanntlich hat der Kapitalismus durch die staatliche Sozialpolitik ein "menschliches Antlitz" bekommen. Mittels der Einrichtung einer Arbeitslosenversicherung sorgt der bürgerliche Staat doch glatt dafür, dass Lohnarbeiter nicht gleich im Elend versacken, wenn sie einmal ohne Arbeit sind. Die Kehrseite der Medaille, die dem Sozialstaat hier ob seiner angeblichen Fürsorge für die arbeitende Menschheit umgehängt wird, ist aber schon das Eingeständnis, dass das Eigentumsrecht der Unternehmer selbstverständlich auch die als privates Recht geschützte Macht einschließt, benutzte Arbeitskräfte in den Zustand der existenziellen Not zurückzuversetzen. Dass die freien Markt-Beziehungen zwischen Unternehmern und Lohnarbeitern die Herrschaft kapitalistischer Eigentümer über Lohnarbeit als ihr Geschäftsmittel und folglich über Lohnarbeiter als ihre Manövriermasse zum Inhalt haben, das ist der selbstverständliche Ausgangspunkt, wenn der bürgerliche Sozialstaat eine Unterstützungskasse für Arbeitslose einrichtet.

b.

Mit der Arbeitslosenkasse sorgt der Staat dafür, dass massenhaft Leute im Zustand der Mittellosigkeit auch außerhalb der Zeiten bereitstehen, in denen sie "beschäftigt" werden. Mit diesem Eingriff kommt der bürgerliche Staat sich enorm sozial vor. Dabei betrachtet er die finanzielle Vorsorge für die durch Arbeitslosigkeit in ihrer Existenz gefährdeten Lohnarbeiter weder als seine ureigenste Angelegenheit, noch sieht er sie im Sinne des Verursacherprinzips als Aufgabe der Unternehmer. Die Bewältigung des Risikos legt er denen zur Last, die im Grunde dauernd davon bedroht sind. Er richtet eine Arbeitslosenversicherung ein, an die die potenziell Arbeitslosen, solange sie noch Arbeit haben und einen Lohn verdienen, davon etliche Prozente abführen. Dass er dabei formell den Arbeitgebern die Dienste der staatlichen Arbeitslosenverwaltung in Rechnung stellt, indem er die Hälfte dieser Prozente als sog. "Dienstgeberanteil" ausweist, ändert nichts daran, dass es sich insgesamt um nichts anderes als einen Teil der Gesamt-Lohnkosten handelt, die die "Beschäftigten" mit rentabler Arbeit rechtfertigen müssen. Also von wegen Arbeitgeber und Arbeitnehmer würden sich die Unkosten der Arbeitslosigkeit gerecht teilen.

Wie Arbeitnehmer es schaffen im Falle der Arbeitslosigkeit ohne regulären Lebensunterhalt über die Runden zu kommen, ist etwas, was die Unternehmer nichts angeht, es ist ihnen schlicht egal. Andrerseits haben sie ein Interesse daran, dass ein Arbeitskräftepotenzial abrufbar vorhanden ist. Arbeitgeber benötigen genauso unabdingbar wie die Freiheit zum Entlassen, den freien Zugriff auf ein frei verfügbares passenden Arbeitskräftepotenzial, wann immer sie es für lohnend befinden, ihren Betrieb auch personell auszuweiten. Der diesbezügliche Nutzen der Arbeitslosenversicherung für die Kapitalisten ist ihnen und der kapitalistisch kalkulierenden allgemeinen Öffentlichkeit so selbstverständlich, dass er gar nicht eigens registriert wird. Die Überlebenshilfe für Arbeitslose erhält den Unternehmern einen Vorrat an benutzbaren Leuten, auf den sie zugreifen können, wenn ihr Laden expandiert. Das Interesse der Unternehmer nach jederzeit verfügbaren Arbeitskräften wird durch die Arbeitslosenversicherung optimal bedient. Die Unternehmer kommmen dank der vorgeschriebenen Sozialversicherung für Arbeitslose überhaupt erst wirklich in den Genuss ihrer Freiheit, je nach ihrem geschäftlichen Bedarf Leute entlassen und auch wieder einstellen zu können. Was man in höflichem Zynismus "Arbeitsmarkt" nennt, ist ohne Überlebenshilfe für Arbeitslose gar nicht zu haben.

c.

Das Gerücht, dass die Arbeitslosenkasse arbeitsfähigen Leuten für Nicht-Arbeit Geld zahlt, gibt der Öffentlichkeit immer wieder Anlass zu einem gewichtigen Bedenken: Am Ende würde dem Lohnarbeiter die Chance eröffnet, auf ein arbeitsfreies Leben von Lohnersatzleistungen zu spekulieren. Die vom Staat durchaus gewollte Analogie zu einer Risikoversicherung, dass nur der Anspruch auf eine Versicherungsleistung hat, der auch einzahlt, ist damit auch schon wieder zu Ende. Die umgekehrte Lesart, dass wer einzahlt bitteschön auch selbstverständlich Anspruch auf Auszahlung hat, ist im Falle der Arbeitslosenversicherung im Unterschied zu anderen Versicherungen - man denke nur an die KFZ-Versicherung - ein ziemlich verpönter Standpunkt.

Was der Zweck der Geldunterstützung aus den zwangsgesparten bzw. -sozialisierten Lohnprozenten ist, lässt sich den zahlreichen Bedingungen für den Arbeitslosengeldbezug entnehmen: "Arbeitslosengeld als Existenzsicherung für die Zeit der Arbeitssuche" – heißt es auf der Homepage des Arbeitsmarktservices - im weiteren kurz AMS genannt -, was schon einmal den Verdacht ausräumt, man bekäme Arbeitslosengeld schon allein deshalb, weil man als Arbeitsloser ohne Lohn und damit ohne die Möglichkeit die eigene Existenz zu bestreiten dasteht. Nur wer sich glaubhaft fürs Kapital nützlich machen möchte, wer tatsächlich Arbeit sucht, kommt überhaupt in den engeren Kreis der Anspruchsberechtigten und darf dann schauen, ob er mit einer Nettoersatzrate von 55% des zuletzt Verdienten den Erhalt seiner Arbeitsfähigkeit hinkriegt. Für den nötigen Stachel sich wieder eine Arbeitsstelle zu suchen ist also allein schon duch die Höhe des Arbeitslosengeldes ab dem ersten Tag der Arbeitslosigkeit gesorgt.

Aber sich nützlich machen zu wollen – auf Arbeitssuche zu sein - allein reicht noch lange nicht. Anspruch auf Arbeitslosengeld hat vielmehr nur derjenige, der darüberhinaus "die Anwartschaft erfüllt". In den Genuss eines Arbeitslosengeldes kommt nur, wer seine Tauglichkeit fürs Kapital durch Arbeit in seinen Diensten bereits praktisch bewiesen hat.

Nicht unbedingt gegen die Brauchbarkeit in jedem Fall aber gegen die Arbeitswilligkeit eines Arbeitnehmers spricht es in den Augen der staatlichen Arbeitsmarktverwaltung, wenn er die Auflösung seines alten Dienstverhältnisses selbst verschuldet oder dieses gar freiwillig aufgelöst hat. Darauf zu bestehen, dass sich die Arbeit auch für ihn, den Arbeitnehmer lohnen müsste, ist ein Standpunkt, der zu einer Kürzung des Arbeitslosengeldes führt.

So wie der Arbeitnehmer nicht einfach ungestraft einen Arbeitsplatz verlassen darf, so hat er umgekehrt jede Arbeit anzunehmen, die der Staat als für ihn zumutbar einstuft. Ein Anspruch auf Arbeit im angestammten Beruf besteht daher schon einmal nicht – es geht eben um die Herstellung der Nützlichkeit des Arbeitslosen fürs Kapital und nicht um die Garantie seines Nutzens. Auf die eventuell doch vorhandenen beruflichen Fähigkeiten verzichten will der Staat andererseits aber auch wieder nicht völlig. Deshalb sieht das Arbeitslosenversicherungsgesetz als Berufsschutz vor, dass die Beschäftigung, die der Arbeitslose anzunehmen gezwungen wird, dem Arbeitslosen eine künftige Verwendung in seinem Beruf nicht erschweren darf. Der hat jede Arbeit anzunehmen, die ihm zugewiesen wird und er hat dabei den Lohn zu akzeptieren, den das Kapital für diese Arbeit zu zahlen bereit ist. Geschützt wird - ganz im Wortsinn - der Beruf, um zu verhindern, dass dem Kapital eine Qualifikation des Arbeitnehmers auf Dauer verloren geht, bloß deshalb, weil es diese Qualifikation im Moment nicht braucht.

Zusammenfassend: Ein Gesichtspunkt, der in unserer Gesellschaft, wenn er von Unternehmern praktiziert wird, diesen zu Ehre gereicht, ist Arbeitslosen strikt verboten. Wenn ein Unternehmer es unterlässt, etwas zu unternehmen - zu investieren heißt das in diesem Fall - dann ist das ein von allen anerkannter Standpunkt. Da wird nicht gefragt, was macht er falsch, nein, viel eher heißt es dann, machen nicht wir etwas falsch, sind die Steuern zu hoch, gibt es nicht viel zu viele Auflagen an eine Betriebsgründung, zu viele Verbote was die Benutzung der Arbeitskräfte anlangt, und was es da dann auf einmal alles an Hürden gibt, die ihm sein Unternehmen so schwer machen. Natürlich muss es sich für ihn lohnen! Was kann dafür getan werden, damit es sich für ihn lohnt? - ist der geteilte Standpunkt von Politik und Öffentlichkeit.

Anders sieht das bei der Arbeiterklasse aus. Wer eine Arbeit nicht will, weil sie sich für ihn nicht lohnt, und sich lieber das Arbeitslosengeld auszahlen lässt, der ist ein Schmarotzer. Dem ist die Freiheit, auch einmal nicht zu unternehmen, was für ihn halt zu unternehmen ist, Lohnarbeit zu verrichten, nicht zugestanden. Arbeitslosengeld gibt es eben nicht, um den Schaden für den Arbeitnehmer – der nicht in der Arbeitslosigkeit, sondern in der mit ihr verbundenen verbundene Einkommenslosigkeit besteht – zu beheben oder wenigstens in Grenzen zu halten. Der Schaden dem das Augenmerk des Staates mit seiner sozialpolitischen Errungenschaft einer Arbeitslosenversicherung gilt, ist der Schaden den sich das Kapital selbst zuzufügen droht.

Dass dabei in seiner Rechnung das arbeitlose Fußvolk – statt den nationalen Kapitalreichtum zu vergrößern – auch noch was kostet, nimmt ihm die Politik übel. Um dieses Übel, wenn es sich schon nicht zur Gänze verhindern lässt, wenigstens zu minimieren, betreibt er aktive Arbeitsmarktpolitik und macht damit den Arbeitslosen das Leben schwer.

Aktive Arbeitsmarktpolitik

Zum Ziel der aktiven Arbeitsmarktpolitik kann man auf der Homepage des Wirtschaftsministeriums folgendes lesen:

"Nach dem Arbeitsmarktservicegesetz wird der Arbeitsmarktpolitik die Aufgabe zugewiesen, im Rahmen der Vollbeschäftigungspolitik der Bundesregierung zur Verhütung und Beseitigung von Arbeitslosigkeit unter Wahrung sozialer und ökonomischer Grundsätze auf ein möglichst vollständiges, wirtschaftlich sinnvolles und nachhaltiges Zusammenführen von Arbeitskräfteangebot und –nachfrage hinzuwirken."(Homepage des BMWA)

Der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit ist mit der von ihm verwalteten und betreuten Wirtschaft unzufrieden. Nicht, dass sie keine Gewinne einfahren würde. Aber an der Existenz von Arbeitslosen entdeckt er brachliegende Resourcen. Mit seiner Vollbeschäftigungspolitik verfolgt er das Ideal eines von jedem überflüssigen Arbeitskräfteangebot gesäuberten Arbeitsmarktes. Die Wirtschaft zu kritisieren, sie würde zuwenig für die Vollbeschäftigung tun und damit ihre Aufgabe nicht in ausreichendem Maße erfüllen, kommt ihm zu recht nicht in den Sinn. Ihr Vorschriften zu machen würde alle von ihm nicht nur hoch geschätzten, sondern überhaupt erst in Kraft gesetzten "sozialen und ökonomischen Grundsätze" verletzten. Einfach vom Kapital zu fordern, Arbeitskräfte einzustellen, die sich für es nicht lohnen, kommt daher keinesfalls in Frage. Die Sinnhaftigkeit der Zusammenführung von Angebot an und Nachfrage nach Arbeitskräften beweist sich ihm einzig am möglichst dauerhaften, nachhaltigen Nutzen, der dem Kapital aus dem symbiotischen Verhältnis von Ausbeutern und Ausgebeuteten – pardon, Arbeitgebern und Arbeitnehmern - entspringt.

a.

Umgekehrt heißt dies nicht, dass die Regierung einfach ihre Hände in den Schoß legt. Schon seit 1994 darf sich das "Arbeitsmarktservie neu", mit eigener Rechtspersönlichkeit ausgestattet und in Konkurrenz zu seit damals zugelassenen privaten Arbeitsvermittlern an der Erfüllung immer neuer ministerieller Vorgaben in Sachen Vermittlung von Arbeitssuchenden und Arbeitsstellen abarbeiten. Als Leitlinie für die vom AMS umzusetzende Vermittlungstätigkeit kann man auf der Homepage des BMWA folgendes nachlesen:

"Die Vermittlung von Arbeitskräften und die materielle Existenzsicherung durch die Gewährung von Arbeitslosengeld und Notstandhilfe bilden dabei sowohl eine funktionale als auch eine institutionelle Einheit, durch die gewährleistet wird, dass der Grundsatz der "Aktivierung vor passiver Leistungsgewährung" erfolgreich zum Tragen kommt."(Homepage des BMWA)

So als ob die Arbeitslosigkeit nicht das notwendige Resultat einer kapitalistischen Produktionsweise, sondern Folge mangelnder oder ineffektiver Vermittlungsleistungen wäre, erhält das AMS durch den Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft den Auftrag, die unter seiner Aufsicht stehende und nach seinen Kriterien erfolgende Auszahlung von Arbeitslosengeld und Notstandshilfe zum Hebel einer verstärkten "Aktivierung" von Arbeitslosen zu machen. Einfach nur Geldleistungen entgegenzunehmen – aus einer Kasse in die sie zuvor zwangsweise genau für den Fall der Arbeitslosigkeit einzahlen mussten – soll den Arbeitslosen verunmöglicht werden. Das kann zwar am grundsätzliche Missverhältnis zwischen der Zahl offener Arbeitsstellen und der Zahl der Arbeitsuchenden – etwa 300.000 Arbeitssuchenden stehen im Februar 2003 weniger als 21.000 offene Arbeitsstellen gegenüber –nichts ändern. Darum geht es aber beim Vermitteln eben auch gar nicht.

b.

Nach eingehender Untersuchung was aus den Arbeitslosen überhaupt zu machen geht, nach Abgleich ihrer bisherigen Beschäftigungsbiographie mit dem vorhandenen Angebot an Ausbeutungsplätzen dürfen sie sich im Rahmen geeigneter Ausbildungsmaßnahmen für die Bedürfnisse von teilweise individuell für sie ausgesuchten Arbeitgebern zurecht machen lassen. Indem sie sich allen vom AMS angeordneten Qualifizierungsmaßnahmen, allen "Impulstagen" und auch allen sonstigen Schikanen artig unterziehen, dürfen sie sich ihr Arbeitslosengeld ein zweites Mal verdienen. Die Kosten der Ausbildung übernimmt selbstverständlich das AMS. Wenn das keine sinnvolle Verwendung der eingesammelten Zwangsbeiträge ist! Die Arbeiterklasse finanziert sich ihre Herrichtung zum brauchbaren Instrument des Kapitals aus dem eigenen Lohn.

c.

Um den Unternehmen das in der Obhut des AMS befindliche Arbeitskräftepotenzial anzudienen, wird bereits seit einigen Jahren die "gemein-nützige Arbeitskräfteüberlassung" als Instrument eingesetzt. Wenn sich schon keine dauerhafte Nachfrage nach den überschüssigen Arbeitskräften am Arbeitsmarkt einstellen will, dann soll das brachliegende Arbeitskräftereservoir über die mit Mitteln des AMS und der Sozialpartner betriebenen Zeitarbeitsunternehmen wie, um nur eines von vielen Beispielen zu nennen, das "Flexwork" in Wien zumindest zeitweise bei Personalengpässen, als Vertretung von Stammpersonal bei Krankheit, Urlaub usw. dem Kapital dienen. Dem Kapital werden dadurch Personalrekrutierungskosten erspart. Und wenn ein einem Unternehmer überlassener Anwärter auf kapitalistisches Benutztwerden seinen Praxistest besteht, dann gestattet der Staat großzügig den Übertritt in ein Dauerarbeitsverhältnis.

d.

Während sich die Arbeitslosen, die vom Kapital gerade Ausgemusterten, die, die gerade von den Unternehmen gekündigt wurden, vom Staat permanent nicht als Opfer sondern als Grund für ihre Nichtbeschäftigung behandeln lassen, werden an die Unternehmen keine Anforderungen gestellt, im Gegenteil, an deren Bedarf für erfolgreiches Geschäftemachen hat sich alles zu orientieren. Sie müssen von Fesseln und Belastungen befreit werden, heißt es in der Regierungserklärung von BK Schüssel vom 6.3.2003.

Arbeitszeiten müssen flexibler werden. Vor 100 Jahren eingeführte Festlegungen einer täglich und wöchentlich höchstzulässigen Arbeitszeit damals als Ende des Manchester-Kapitalismus gefeiert sind dem Kapital in "modernen" Zeiten einfach nicht mehr zumutbar. Von der Fessel der bei Überstunden anfallenden Zusatzkosten müssen die Unternehmen in Zeiten einer just-in-time Produktion dringend befreit werden.

Wenn zunehmend ältere Arbeiter und Angestellter gekündigt werden und dann so gut wie gar nicht mehr vermittelbar sind, dann ist das nach einhelliger Auffassung von Staat und Kapital ein Zeichen dafür, dass sie zu teuer sind. Durch eine Lohnnebenkostensenkung für ältere Arbeitnehmer soll deren Beschäftigung den Unternehmen wieder schmackhafter gemacht werden. Arbeit kann es nur geben, wenn den Unternehmern die Ausbeutung des "Faktors Arbeit" erleichtert wird. Die Arbeitnehmer brauchen zwar nur wegen des Lohns eine Arbeit, aber damit sie eine kriegen, muss der Lohn zusammengestrichen werden.

e.

Für all jene, für die das Kapital trotz Übernahme der Kosten der Qualifikation durch das AMS, trotz Lohnkostenzuschüssen und sonstigen Verbilligungen immer noch keine rentable Verwendung hat, hält das Arbeitsmarktservice noch ein "Angebot" bereit, es unterstützt sie mit guten Ratschlägen dabei sich selbstständig zu machen.

Weil der Ausgangspunkt derartiger Unternehmensgründungen nicht Kapital ist, das eine profitable Anwendung sucht, sondern umgekehrt der Kapitalmangel in Gestalt der Armut der neuen Selbstständigen, ist die neue Gründungswelle von lauter Einpersonenunternehmen nur ein anderer Name für einen geregelten Übergang in Selbstausbeutung und Tagelöhnerei ohne nennenswerte sozialpolitische Absicherung, den sich die neuen Unternehmer als Chance zur Selbstverwirklichung zurechtlegen dürfen. Die neue Bundesregierung verspricht diesen Weg mutig weiterzugehen und rechnet laut Regierungserklärung mit 30.000 weiteren derartigen Erfolgsprojekte.

So kommt der Sozialstaat seiner selbst auferlegten Verpflichtung nach, seiner arbeitslosen Klientel zu "Beschäftigung" zu verhelfen. Wenn er schon nicht dafür sorgen kann und will, dass sie von ihrer Arbeit leben können, so kann er immerhin dafür Sorge tragen, dass die Arbeitslosen nicht mehr von ihm leben können. Über kurz oder lang haben sie einfach keine Arbeitslosen mehr zu sein, zumindest keine solchen, für deren Unterhalt er noch aufzukommen hätte.

So zynisch ist ein Staat, der sich auf die von ihm hergestellte Not seiner Klientel als Auftrag zu ihrer weiteren Verelendung beruft und ihr das als seine soziale "Dienstleistung" präsentiert.