ATTACKE AUF ATTAC GEGENARGUMENTE

Am 16. und 17.September trafen sich im Rahmen des World Economic Forum, abgekürzt WEF, in Salzburg Vertreter von Politik und Kapital, um die nächsten Schritte der EU-Osterweiterung zu besprechen. Dieses Treffen des Weltwirtschaftsforums rief die Front der Globalisierungskritiker auf den Plan. Wie schon im Vorjahr organisierte "ATTAC gemeinsam mit einer breiten Allianz von Mitveranstaltern einen Alternativgipfel zum WEF 2002."(ATTAC-Presseaussendung 16.7.2002). Zum Gegenstand dieses Alternativgipfels konnte man auf der Homepage von ATTAC-Austria folgendes lesen:

"Wir wollen die Gestaltung der Zukunft nicht den Großkonzernen überlassen. ... Wirtschaftspolitik, auch Osterweiterung, muß demokratisch in Zusammenarbeit mit der betroffenen Bevölkerung gemacht werden und nicht unter Führerschaft von Konzernzlobbies wie dem WEF."

Wenn die Vertreter von Politik und Kapital sich treffen, um über die nächsten Schritte der Inbesitznahme der früher realsozialistischen Teile Europas durch die Europäische Union zu diskutieren, dann zeigt dies den Globalisierungskritiker von ATTAC nicht nur, dass die Globalisierung nicht aufzuhalten ist, dann entnehmen sie der Tagesordnung des Treffens darüberhinaus auch noch, welche Schritte die Globalisierung als nächstes fordert. So sind sich die Vertreter von WEF und ATTAC schon einmal in der Definition der aktuellen Problemlage einig. ATTAC will die Globalisierung inklusive Osterweiterung nicht verhindern. Nur die Globalisierung den Konzernlobbies überlassen, das will ATTAC nicht. Diese würden der von ATTAC gebilligten Globalisierung nämlich die falsche Richtung geben. Deshalb sieht sich ATTAC im Verein mit anderen gezwungen, einen Alternativgipfel zu veranstalten, um aufzuzeigen, dass globales Geschäftemachen und Osterweiterung doch auch anders ginge. Wie heißt es schon in der Gründungsdeklaration von ATTAC Österreich: "Globalisierung braucht Gestaltung".

Was von dieser Position, dass der Bevölkerung national und international vor allem eines fehlt, eine "geregelte Globalisierung", zu halten ist, damit wollen wir uns heute auseinandersetzen. Folgende Punkte sollen dabei geklärt werden:

  1. Die Globalisierung - Die Ideologie von der Entmachtung der Politik
  2. Wie ATTAC aus der Globalisierungsideologie ein Programm zur Rettung der Politik ableitet!
  3. Was ist von den Gestaltungsvorschlägen ATTACs zu halten?
  4. Wem nützt ATTAC?

Die Globalisierung - Die Ideologie von der Entmachtung der Politik

Wann immer von Globalisierung die Rede ist, soll man sich vorstellen, dass sich die Welt in den letzten beiden Jahrzehnten mordsmäßig geändert hätte. Fragt man aber nach, worin die Änderung denn besteht, erhält man Auskünfte, die zwar im Ton dramatisch, in der Sache aber mehr als nur dürftig sind.

Heute hätten wir es im Unterschied zu früher mit einem Weltmarkt zu tun, ist meist die erste, bedeutungsschwangere Auskunft. Gerade so, als ob es den nicht schon seit Jahrzehnten gäbe, er nicht schon immer durch die immerselben Figuren: Warenex- und -importeure, Kapitalexporteure, Kapitalimporteure - und natürlich das internationale Finanzkapital - bevölkert wäre. Was aber ändert sich am Inhalt des Kaufens, Verkaufens und Investierens dadurch, dass es weltweit geschieht?

Das alles sei viel mehr und größer geworden, riesige Kapitalsummen seien nun unterwegs und bewegen sich in Sekundenschnelle und zwar nicht bloß innerhalb eines Marktes, sondern durch die ganze Welt - "Turbokapitalismus" wird das manchmal auch genannt. Der lässt "die Märkte zusammenrücken", es ensteht ein "globales Dorf". Aber da muss man sich schon fragen, wenn es nur das ist, was soll da das Problem sein? Hat es nicht jahrelang geheißen - und heisst es nicht auch heute noch, - dass das Wachstum das A und O des Kapitalismus ist und dass zu diesem Wachstum Schnelligkeit und "mehr Transparenz" gehören, also bessere Kommunikationsmittel und schnellere Informationsübermittlung? Und jetzt ist der Weltmarkt dauernd gewachsen, der frühere Ostblock und auch das große China gehören dazu, der Kapitalismus war und ist extrem erfolgreich - und darüber soll alles irgendwie anders geworden sein?

Ja, lautet die Antwort, sogar von den Staaten, die als Weltwirtschaftsmächte die Maßstäbe der Kokurrenz auf dem Weltmarkt setzen. Der Redeweise von der "Herausforderung durch die Globalisierung", der sich die Staaten immerzu stellen müssen, ist zu entnehmen, worauf sie hinaus wollen. All das, was sie über Jahrzehnte betrieben haben, nämlich den ganzen Globus mit ihrem Kapitalverwertungsinteresse zu überziehen, soll man sich nicht als ihr Werk vorstellen, sondern als etwas, dem sie ausgesetzt sind. Aus denjenigen, die - in Berechnung auf nationale Erfolge - auf die Konkurrenz der Kapitalstandorte setzen, werden so diejenige, die - weil von den Konkurrenzresultaten abhängig - hilflos sind.

Wenn Staaten selbst auf ihre Ohnmacht hinweisen, dann ist das immer nur die eine Hälfte der Aussage. Im nächsten Moment ist es mit dieser Ohnmacht nämlich dann gar nicht mehr weit her. Da erwehrt sich der Staat mit all seiner Macht dieser Globalisierung. Er sagt nicht, so ist das halt mit dem Kapitalismus, und streckt alle Viere von sich. Vielmehr macht er sich unter dem Titel Globalisierung daran, seine ganze Gesellschaft umzukrempeln. Mit dieser Ideologie ziehen die Staaten eine Maßnahme nach der anderen durch, die von nichts anderem zeugen als dem unbedingten Willen, in der Konkurrenz der Nationen zu bestehen und andere Nationen zu den wirklichen Opfern, also Konkurrenzverlierern zu machen. Damit wird der nationalen Arbeitskraft in der Konkurrenz der Nationen ein neuer Status aufgezwungen: Sie soll als Waffe in dieser Konkurrenz eingesetzt werden, und das heißt immer, dass sie verbilligt wird.

Was das für die beschäftigten und beschäftigungslosen Arbeitskräfte bedeutet, kennt jeder: Unter Titeln wie "Modernisierung des Sozialstaates", "Standortsicherung", "Die Pensionen sind nicht zu finanzieren", "Der Staat muss sparen", "Die Lohnnebenkosten müssen gesenkt werden" spricht der Staat erstens klipp und klar aus, dass er - nicht zuletzt im Sozialstaat - den Zugriff auf alle Lebensumstände seines Arbeitsvolkes hat und dass er es zweitens als Material im Kampf gegen andere Nationen beansprucht und einsetzt. Deswegen befindet er es als zu teuer, bisherige Lohnteile werden zu unzeitgemäßen "Besitzständen" erklärt und aberkannt. Natürlich wird das von einem "leider" begleitet. Nur auf Grund der äußeren Zwänge der Globalisierung "müsse" sich der Staat so verhalten. Mit dieser Globalisierungsideologie rechtfertigt der Staat das, was er als kapitalistischer Staat will, als unabänderlichen "Sachzwang".

Wie ATTAC aus der Globalisierungsideologie ein Programm zur Rettung der Politik ableitet!

Statt in der Redeweise von der Globalisierung einen Kampfruf zu erkennen, mit dem die Staaten ein klares Bekenntnis zur weltweiten Freiheit des Kapitals ablegen, glauben die ATTAC-Vertreter die Globalisierungs-Ideologie der Staaten, derzufolge sie nicht die Macher sondern die Opfer der - unabhängig von ihnen voranschreitenden - Globalisierung sind:

"Die derzeitige Entwicklung der Weltwirtschaft lässt wichtige Probleme ungelöst und schafft immer neue: Die ökologische Krise verschärft sich, eine weltweit wie national gerechte Einkommensverteilung ist weiter entfernt denn je zuvor, lokale Ökonomien und Kulturen werden einplaniert, die Gewinne konzentrieren sich auf wenige Regionen und Akteure, und die politische Macht verschiebt sich hin zu den "Global Players" auf den internationalen Finanzmärkten, wodurch die Demokratie weltweit ausgehöhlt wird und die Krisenanfälligkeit des globalen Wirtschaftssystems zunimmt."(Gründungsdeklaration von ATTAC-Austria)

Sämtliche Resultate der Politik werden von ATTAC in Probleme verwandelt, mit deren Lösung die Politik angeblich befasst ist. Wenn es um die Umwelt noch schlechter steht als vor zwanzig Jahren, dann ist das nach ATTAC nie und nimmer den Staaten anzulasten, für die ihr Erfolg als Kapitalstandort ausreichender Grund dafür ist, dem Kapital noch jede Zerstörung der Umwelt zu gestatten, wenn dadurch nur der nationale Reichtum vorankommt. Wenn sich die nationale Einkommensgerechtigkeit immerzu nicht einstellen will, dann lassen sich die ATTAC-Vertreter dadurch ganz sicher nicht in ihrem Urteil irre machen, dass der Staat dafür zuständig wäre, Einkommensgerechtigkeit herzustellen. Und wenn sich als Resultat der Bemühungen um ihren Konkurrenzerfolg notwendig Sieger- und Verlierernationen einstellen, will ATTAC keinesfalls glauben, dass die Staaten, die auf dieser ökonomischen Konkurrenz bestehen, wirklich dieses Resultat wollen können. Statt den Gründen der nicht enden wollenden Liste an offensichtlich auch ATTAC bekannten Schädigungen nachzugehen, besteht ATTAC auf der Tautologie, dass diese Schädigungen nur deshalb zustandekommen, weil sie nicht verhindert werden.

Wenn der Staat, dem sie diese Aufgabe der Verhinderung zusprechen, ihr angeblich immer weniger nachkommt, dann nach Meinung von ATTAC nicht deshalb, weil es ihm darum vielleicht gar nicht geht. Lieber glauben sie die staatlicherseits in die Welt gesetzte Globalisierungsideologie, derzufolge er selbst Opfer der Globalisierung ist, er diesen seinen wesentlichen Aufgaben angeblich nur deshalb nicht im von ihm selbst gewünschten Maße nachkommen kann, weil sich die Macht zu den Global Players verschoben hat.

Unbeirrt davon, dass die Weltwirtschaft mitsamt ihren Verschiebungen niemand anderens Werk als das der Staaten ist, steht damit das wesentliche Ziel von ATTAC fest:

"Wir wollen das Primat der Politik über die Wirtschaft wiederherstellen, beginnend bei der demokratischen Kontrolle der Finanzmärkte. Wir wollen Handlungsspielräume für die regionale und nationalstaatliche Wirtschaftspolitik zurückgewinnen, um eine global nachhaltige Entwicklung zu ermöglichen, in deren Zentrum eine gerechte Verteilung steht."(Gründungsdeklaration von ATTAC-Austria)

Dabei, mit den eigenen Gespenstern wieder fertig zu werden, möchte ATTAC den Staaten mit ihren Forderungen helfen. Schließlich leiden - laut ATTAC - die durch die Staaten drangsalierten Bevölkerungen nicht etwa daran, dass es viel zuviel, sondern daran, dass es viel zuwenig staatliche Handlungsfreiheit gibt.

Das - so der Befund von ATTAC - müßte nicht so sein. Wer sich jetzt fragt, wie das gehen soll - schließlich wurde man doch gerade erst mit dem Gedanken vertraut gemacht, dass die Welt deshalb so sehr im Argen liegt, weil heute den Staaten durch die Global Players das Heft aus der Hand genommen wurde - wird mit Antworten folgenden Kalibers versorgt:

"Die Globalisierung ist kein Naturgesetz, sondern Ergebnis ihrer politischen Gestaltung." (Gründungsdeklaration von ATTAC-Austria)

Wenn ATTAC daran erinnert, dass der Zustand der Welt nicht Folge von Naturgesetzen, sondern Resultat politischer Gestaltung ist, dann natürlich nicht, weil der Gestus der Staatenwelt, sich als abhängig von den Resultaten des eigenen Tuns darzustellen, zurückgewiesen werden soll. Im Gegenteil, an diesem Fehler hält ATTAC ausdrücklich fest, um daraus, dass die Globalisierung mit all ihren negativen Wirkungen Ergebnis staatlichen Handelns ist, etwas ganz anderes herzuleiten und zwar, dass die Globalisierung gestaltbar ist. Dazu braucht man doch - mit ATTAC - nur vergangenes wie gegenwärtiges staatliches Handeln von seinen Gründen zu trennen, um dann, aus dem bloßen Umstand, dass laufend Politik gemacht wird, zu schließen, dass eine andere Politik möglich wäre.

Wenn also etwa die Global Players, die der Politik das Leben schwer machen, ihre Macht nur dem Umstand verdanken, dass sie - dank zwischenstaatlicher Verträge - auf den Finanzmärkten schalten und walten können, dann - so ATTAC - bräuchte es doch nur eines Entschlusses zur gemeinsamen Kontrolle der Finanzmärkte, um sie wieder dem Ziel von ATTAC - einer weltwirtschaftlichen Entwicklung zum Wohle der Menschen und der Umwelt - unterzuordnen.

Dass der durch die Staaten weltweit ins Recht gesetzte Kapitalismus mit dem Ziel einer "weltwirtschaftlichen Entwicklung im Dienste der Bedürfnisse von Mensch und Umwelt" vereinbar wäre, steht für ATTAC unhinterfragt fest. Der globalisierte Kapitalismus gehört laut ATTAC nicht abgeschafft, sondern gestaltet. So sehen dann die Forderungen im Einzelnen auch aus.

Was ist von den Gestaltungsvorschlägen ATTACs zu halten?

Kontrolle der Finanzmärkte

ATTAC fordert die Einführung der Tobin-Steuer, von Kapitalverkehrskontrollen und fixen Wechselkursen, um der "Spekulationstätigkeit gegenzusteuern". Der Vorwurf von ATTAC an die Finanzkapitalisten lautet, sie würden großteils nur mehr Spekulation betreiben, und darüber ihre "eigentliche" und von ATTAC geschätzte Funktion, der "Bereitstellung von Kapital für produktive Investitionen" nur mehr zu einem geringen Teil erfüllen.

So sieht sie also aus, diese andere Globalisierung nach ATTAC-Vorstellungen. In der von ihnen bevorzugten nicht-neoliberalen Variante sind also Geldbesitzer, die ihr Eigentum sprich ihr Geld dadurch vermehren wollen, dass sie Lohnabhängige in ihren Produktionsstätten an ihren Produktionsmitteln für ihren wachsenden Reichtum arbeiten lassen, was für ATTAC offensichtlich keinen Gegensatz zu einer Produktion von Gebrauchsgütern darstellt, hoch willkommen. Davon könnte es ruhig noch mehr geben. Aber leider wird das durch die Finanzkapitalisten verunmöglicht, die glatt lieber "spekulieren" als ihr Geld den produktiven Kapitalisten zur Verfügung zu stellen. Das Geld der Finanzkapitalisten läuft also viel zu oft in die falsche Richtung. Das schreit nach Regulierung!

Dagegen sei folgendes angemerkt. Der hier konstruierte Gegensatz zwischen dem auf Abwege gelockten Geldkapital und der soliden Investition existiert nicht. Geld soll sich vermehren und Geld fließt auch dorthin, wo es sich vermehrt, es wird genau dort und nur dort investiert, wo Gewinn winkt. Alle kapitalistischen Staaten haben ihre Gesellschaften schließlich auf Gelderwerb und Geldvermehrung verpflichtet. Alle, die kein Geld besitzen, sind damit notwendig die Angeschmierten. Auch sie müssen an Geld herankommen, und deswegen beständig ihre Arbeitskraft verkaufen, da der Lohn zu mehr als zum Erhalt ihrer Arbeitskraft nicht reicht und so dafür garantiert, dass sie aus diesem Teufelskreis nie herauskommen. In Weltgegenden, die für das Kapital eine solche Geldvermehrung durch diese Ausbeutung von Arbeitskräften nicht erwarten lassen, ist für die dortige Bevölkerung durch den deshalb noch lange nicht außer Kraft gesetzten Zwang zum Gelderwerb nicht einmal das nackte Überleben gesichert.

So sorgt die lückenlose Herrschaft des Geldes über die Versorgung in den Industriestaaten für die Zerstörung der Lohnarbeiter durch ihre Arbeit und in den Staaten der Dritten Welt verhungern die Menschen und sterben an den schaurigsten Krankheiten, weil sie nicht das Geld für Nahrung und die Heilmittel haben. Nach ATTAC handelt es sich dabei aber nicht um die notwendigen Folgen des Kapitalismus, sondern davon, dass das Geld der Finanzkapitalisten nicht im erforderlichen Ausmaß in die "produktiven Investitionen" fließt.

Weltweite Demokratisierung

"Um zu verhindern, dass das ökologische Erbe der Menschheit zerstört wird, dass die Kluft zwischen Arm und Reich weiter anwächst und um zur verhindern, dass die Profitinteressen von Investoren Vorrang gegenüber den Bedürfnissen der betroffenen Bevölkerungen haben, fordern wir gerechte Rahmenbedingungen für die Weltwirtschaft und den Vorrang demokratischer Politik vor neoliberaler Marktideologie. Die drei zentralen Institutionen - IWF, Weltbank und WTO - haben in dieser Frage nicht nur versagt, sondern ergreifen permanent und erwiesenermaßen einseitig Partei für kurzfristige Profitinteressen, erschweren alternative Entwicklungswege und stellen eine Bedrohung für das gesellschaftliche Über- und Zusammenleben dar. .... Wir fordern daher die Unterordnung der drei zentralen Institutionen der Weltwirtschaft - IWF, Weltbank und WTO - unter die UNO-Ziele und ihre Demokratisierung .... "(Gründungsdeklaration von ATTAC-Austria)

1.

Es stimmt schon, die Reichen werden immer reicher und die Armen immer ärmer. Kaum zu leugnen auch, dass die Brauchbarkeit von Natur und Umwelt unter den Auswirkungen der kapitalistischen Produktion zusehends leidet. Was auch sonst, möchte man sagen, dafür sorgt schon das Erfolgskriterium kapitalistischer Ökonomien Namens Profit, das sich mit Rücksichten irgendwelcher Art auf Mensch oder Natur nicht verträgt.

Sind es diese Schädigungen, die ATTAC kritisiert? Möchte ATTAC den Profit als ihren - auch von den Vertretern von ATTAC gewußten - Grund abschaffen? Wohl nicht. Schließlich ist doch die angemeldete Sorge um das ökologische Erbe der Menschheit nicht mit einer Sorge um die Brauchbarkeit und Genießbarkeit von Natur umd Umwelt zu verwechseln. Und auch wenn ATTAC sich über die zunehmende Kluft zwischen Arm und Reich beschwert, gilt diese Sorge nicht den von zunehmender Armut Betroffenen. Die haben allerlei Probleme sich ihr Überleben zu organisieren und oft gelingt nicht einmal das, mit der zunehmenden Kluft von Arm und Reich haben sie aber sicher kein Problem.

Wenn ATTAC fordert, den Profit nicht über die Bedürfnisse der von ihm Betroffenen zu stellen, dann also nicht, weil es ATTAC darum ginge, diesen Bedürfnissen zur Geltung zu verhelfen. Daran, dass Bedürfnisse am Profit zu Schanden werden, daran will eine Organisation, die den Profit nicht abschaffen, sondern zähmen will, ganz sicher nicht rühren. Eines darf aber nicht passieren, dass diese Schädigungen der Bevölkerungen durch einen schrankenlosen Profit seine eigenen Voraussetzungen in Gestalt des "gesellschaftlichen Über- und Zusammenlebens" beschädigt. Soviel Anerkennung der Bedürfnisse der Bevölkerung durch den Profit muss für ATTAC einfach sein.

In einem irrt ATTAC sich nicht, wenn zur Abwehr dieser, an die Wand gemalten Gefahr, der Vorrang demokratische Politik gefordert wird. Mehr, als dafür zu sorgen, dass die mit der Verpflichtung aufs Eigentum durchgesetzten gegensätzlichen Interessen von Lohnarbeit und Kapital so zusammenwirken, dass der Zweck der Geldvermehrung durch Zerstörung seiner Grundlagen nicht zu Schaden kommt, wird von Demokratien garantiert nicht versprochen. Mit einer Beschränkung des Profits hat das aber ebenso garantiert nichts zu tun. Der wird dadurch nicht beschränkt, sondern im Gegenteil erst so richtig freigesetzt.

2.

Wenn es an der nötigen Zähmung des weltweiten Kapitalismus fehlt, dann kann das - nach ATTAC - nur daran liegen, dass die internationalen Institutionen IWF, Weltbank und WTO dabei versagen. ATTAC lässt sich vom Tun dieser Institutionen - die statt für "gerechte Rahmenbedingungen" und "demokratische Politik" zu sorgen, ständig einseitig Partei für - noch dazu - "kurzfristige" - Profitinteressen ergreifen - nicht weiter beeindrucken und rechnet ihnen lieber den Umstand, dass sie dieser ihnen von ATTAC zugedachten Aufgabe der Zähmung des weltweiten Handelns und Wandelsn nicht nachkommen, als ihren Mißerfolg an.

Dabei möchte man am liebsten fragen: "Wem sonst als dem Profit sollen sie denn dienen?" Genau dafür sind sie doch nach dem letzten Weltkrieg unter Federführung der großen Demokratien geschaffen worden. Die Profitmacherei sollte durch sie nicht beschränkt, sondern gerade von den Schranken befreit werden, die ihr aus den Staatsgrenzen erwachsen. Sie sind die passenden Institutionen einer Staatenwelt, die in einem weltweit tätigen Kapital das einzig Erfolg versprechende Lebensmittel ihrer Nationen sieht.

Diese Internationalisierung des Kapitals haben die kapitalistischen Staaten gemeinsam betrieben, jeder mit der Berechnung auf seine nationale Bereicherung. Das Bemühen aller Nationen ist darauf gerichtet das weltweit tätige Kapital an sich zu ziehen. Der Erfolg der einen Nation bedeutet zwangsläufig den Mißerfolg der anderen. Für Streit um die Regeln der von ihnen eingerichteten Weltmarktkonkurrenz ist daher gesorgt, und dieser findet in eben diesen Institutionen des weltweit agierenden Kapitals statt, und zwar als Gezerre darum, wer auf Grundlage seiner unter den bisherigen rechtlichen Rahmenbedingungen des internationalen Geschäftemachens erzielten Stärke welchen Einfluss auf deren künftige Gestaltung nehmen kann.

Von einer Beschränkung des globalen Kapitalismus durch diese Institutionen kann also keine Rede sein, weil das gemeinsame Interesse, dem diese Institutionen dienen, nicht eines der Beschränkung des Profits, sondern im Gegenteil seiner weltweiten Freisetzung ist und darüberhinaus kein gemeinsames Interesse der Staatenwelt existiert, sondern lauter um den nationalen Ertrag aus dieser weltweiten Kapitalisierung konkurrierende Interessen.

Wem nützt ATTAC?

Das hat den Opfern des weltweiten Kapitalismus gerade noch gefehlt:

· Eine Bewegung, die in Armut, Umweltzerstörung usw. nicht die notwendigen Folgen eines funktionierenden Kapitalismus sieht, sondern diese einer mangelnden Aufsicht über ihn ausgerechnet durch die Garanten dieser Weltwirtschaft zuschreibt.

· Eine Bewegung, die in den unzähligen UN-Konventionen zum Schutz des Regenwaldes, der Umwelt, zur Beseitigung des Hungers auf der Welt usw. usf. keinesfalls den Willen der Staaten entdecken möchte, so weiterzumachen wie bisher, sondern sie als Beleg für deren eigentlich bessere Absichten verstanden wissen will.

· Eine Bewegung, die daher die Politik nicht kritisieren, sondern ihr von unten als "Zivilgesellschaft" mit Rat und Tat dabei helfen möchte, ihre angeblich guten Absichten zu verwirklichen und so die Globalisierung zu gestalten.

Kein Wunder, dass sich bei ATTAC auch der ÖGB gut aufgehoben fühlt, ist er doch überall zu finden, wo es darum geht, die Lüge von der Vereinbarkeit von Kapitalismus und Arbeitnehmerwohl zu verbreiten.

Kein Wunder, dass sogar so mancher Politiker das Treiben von ATTAC mit wohlwollender Anteilnahme begleitet bei so viel guter Meinung über die Politik, wie sie von ATTAC verbreitet wird.

Die Betreiber und Nutznießer des weltweiten Kapitalismus können ATTAC nur Recht geben: "Wenn es ATTAC nicht gäbe, müßte man die Bewegung erfinden."