GEGENARGUMENTE

Emissionshandel - Ein umweltschützerischer Irrsinn der besonderen Art: Das Recht auf Luftverschmutzung wird vermarktet, um die Emission von Klimaschutz zu stimulieren

 

"Startschuss" in der Europäischen Union für die "Rettung des Erdklimas" gemäß dem Kyoto-Protokoll. Am 31.März war der Stichtag für die Meldung der nationalen Allokationspläne an Brüssel für den Handel mit Emissionsrechten - Luftverschmutzungsrechten - der vom 1.Jänner 2005 an europaweit in Schwung kommen und zur Verringerung der Treibhausgase führen soll gemäß der laut ARD-Tagesthemen vom 24.03.2004 “guten Idee, die so simpel ist und deren Durchführung so schwierig: Der Handel mit den Verschmutzungsrechten basiert auf dem Kauf und Verkauf von Kohlendioxid-Zertifikaten. Firmen, die durch umweltfreundliche Technologien Kohlendioxid (CO2) einsparen, können CO2-Zertifikate verkaufen und damit bares Geld machen. Umweltsünder müssen sich hingegen das Recht zum erhöhten CO2-Ausstoß teuer erkaufen.

 

Fristgerecht hat Österreich seinen nationalen Zuteilungsplan der Europäischen Kommission übergeben. Wirtschaftsminister Bartenstein, der der Industrie “lieber eine Tonne Zertifikate (für CO2-Emissionen) zu viel als zu wenig zur Verfügung stellen wolle”(Presse vom 5.3.2004) und Umweltminister Pröll einigten sich auf eine standortgemäße Zuteilung von kostenlosen Verschmutzungsrechten an die verschiedenen Abteilungen des umweltversauenden Gewerbes.

 

Mit einem nationalen Emissionsbudget, das für die österreichischen Industrie- und Energiebetriebe in der ersten Emissionshandelsperiode (2005 bis 2007) nicht nur deren momentanen Ausstoß, sondern auch noch einen Wachstumszuschlag beinhaltet und somit eine Erlaubnis zur Erhöhung ihrer CO2 Emissionen vorsieht, beteiligt sich Österreich ab nächstem Jahr am grenzübergreifenden Handelsprojekt zur Säuberung der Atmosphäre.

 

Dafür, dass Österreich in der zweiten Phase von 2008 - 2012 sein Kyoto Ziel der Reduktion der Treibhausgase um 13 % gegenüber dem Stand von 1990 dennoch erreicht, sollen dann neben diversen im Kyoto-Protokoll vorgesehen flexible Instrumenten vor allem Verkehr und Haushalte sorgen.

 

Das Kyoto-Protokoll – der Vorlauf zur Idee des Umweltschutzes durch Handel mit Umweltschmutz

 

Nach zwei Jahrzehnten gobaler Umweltschutzdiplomatie auf den diversen Gipfeln und Weltklimakonferenzen - von Rio über Kyoto nach Den Haag - hat sich die internationale Staatengemeinschaft darauf verständigt, dass die Abgase des kapitalistischen Wirtschaftswachstums in letzter Instanz auch noch das Weltklima durcheinander bringen. Die Internationale der politischen Umweltschützer wägt ab: zwischen der Größe der zu erwartenden Gefahr, der Wahrscheinlichkeit ihres Eintretens, einer möglichen nationalen Betroffenheit, dem Aufwand zur “Bremsung des Klimawandels” und den langfristigen Folgekosten eines “Weiter so” mit der klimaschädlichen Verschmutzung. Sie kommt zu dem Schluss: Die “Aufheizung der Erdatmosphäre durch den Treibhauseffekt” ist hausgemacht, und die weltweiten CO2-Emissionen sind als Hauptverursacher für den globalen Umweltschaden dingfest zu machen. Darüber haben die umweltschützerischen Standortnationalisten, die ein Wirtschaftssystem behüten und fördern, in dem die Atmosphäre als eine kostenlose natürliche Abgasdeponie und das Wetter als ein globaler Verdünnungs- und Verteilungsmechanismus fest einkalkuliert sind, zu einer gemeinsamen Verhandlungsmaterie gefunden. Sie “ringen” und “feilschen” um die Minderung des “klimaschädlichen CO2, das keine Grenzen kennt”, entlang der klaren Richtschnur: Das vereinbarte Klimaziel muss sich erstens unschädlich für das eigene Wirtschaftswachstum umsetzen lassen, und zweitens muss der Beitrag zur “Rettung des Weltklimas” Konkurrenznationen mehr “wehtun” und abverlangen als dem eigenen kapitalistischen Standort.

 

Am Ende steht das “historische Kyotoprotokoll”, das bis zum Jahre 2012 den Abbau der klimaschädigenden Treibhausgase um weltweit durchschnittlich 5,2 % - bezogen auf das Basisjahr 1990 - vorsieht. National aufgeschlüsselt als Vorgaben von minus 21 bis plus 10 Prozent. So werden die Anforderungen der globalen Ökologie mit den jeweiligen nationalen Emissionsbedürfnissen versöhnt. Für die Umsetzung fiel die Wahl hinsichtlich der effektivsten Reinigungsmethode der Atmosphäre auf den “marktorientierten Ansatz”: Vor allem die maßgeblichen globalen Klimazerstörer, die kapitalistischen Weltwirtschaftsmächte, sollen vordringlich die säubernden Heilkräfte von Preis, Markt und weltweiter Konkurrenz um Verschmutzungsrechte ausnützen, um ihre Reduktionsverpflichtungen zur erfüllen. Die Europäische Union macht sich zum Motor der völkerrechtlich verbindlichen Ratifizierung und raschen Inkraftsetzung des Protokolls. Erklärtermaßen mit dem Kalkül, aus der vertraglich vereinbarten weltweiten Reduktion von CO2-Emissionen Kapital zu schlagen, indem “wir” auswärts gerne dabei helfen, das Wirtschaftswachstum vom emissionsträchtigen Energieverbrauch zu “entkoppeln” durch den Export von umweltfreundlicher, energieeffizienter Technologie made in Europe. In ihrem klimapolitischen Ehrgeiz lässt sich die EU auch nicht dadurch bremsen, dass der “weltweit größte Luftverschmutzer”(Trittin) sich aus dem Kyoto-Prozess verabschiedet, mit dem Hinweis, dass die Weltmacht Amerika sich auf kein Umweltschutzabkommen verpflichten lässt, das nicht definitiv ihre Handschrift trägt, das also “der amerikanischen Wirschaft schadet”. Im Gegenteil. Sie “isoliert” Amerika, natürlich um es wieder ins globale Umweltschutzboot zu holen, und schafft einseitig Fakten. Die EU-Mitgliedsstaaten setzen für sich das bislang nicht ratifizierte Kyoto-Protokoll in Kraft und verabschieden die “Emissionshandels-Richtlinie”, die verpflichtend zum nächsten Jahr die Einführung “des Emissionshandels als Instrument zur Erreichung der Klimaschutzziele” vorschreibt.

 

Vom Handel mit Verschmutzungsrechten zum Schutz des Klimas

 

Jetzt wird es also ernst mit der Reduzierung der Treibhausgase. Wie das passieren soll, darin besteht durch die Bank Einigkeit: “Die Ökologie muss ökonomisch werden”.(Die Welt) Die Stifter segensreicher Arbeitsplätze mit Grenzwerten für Emissionen zu drangsalieren, “Umweltsündern” mit Bußgeldern für unerlaubten Schadstoffausstoß zu drohen, womöglich sogar mit der Schließung ihrer Dreckschleuder, diese klassische umweltpolitische Festlegung eines Preises für die geschäftsdienliche Umweltzerstörung, um sie zu bremsen, das ist Klimaschutz von vorgestern, Ökologie mit der Brechstange und wenig hilfreich fürs verlangte Umdenken auf Unternehmerseite. Ja, diese rein negative Kalkulation mit den Kosten für Luftverschmutzung zwingt das freie Unternehmertum bloß dazu, seinen ganzen Erfindungsreichtum darauf zu verschwenden, wie sich unter Umgehung oder Einhaltung der ganzen Umweltvorschriften die wachsenden gasfömigen Abfälle der Gewinnproduktion zum Schaden des Klimas billig entsorgen und verdünnen lassen.

 

Der ökologische Königsweg hat demgegenüber darauf zu zielen, der gebotenen umweltpolitischen Restriktion endlich den Charakter einer Belastung zu nehmen, dadurch nämlich, dass er sie zum Geschäftsartikel macht. Mit dem Preis für Luftverschmutzung soll der umweltzerstörerische Geschäftssinn in Zukunft als sein Bereicherungsmittel frei kalkulieren können: Klimaschutz muss sich endlich “rechnen”! Anders als mit diesem “Paradigmenwechsel in der Umweltpolitik” ist der tüchtigen Spezies, die aus Geschäftsgründen systematisch die Atmosphäre verdreckt, eine wohldosierte Rücksichtnahme auf ihre allgemeinen natürlichen Geschäftsgrundlagen nicht abzuringen. Für eine Erfolg versprechende Reduktion brauchen deshalb die klimaschädlichen Emissionen eine marktwirtschaftliche Zirkulationsform mit einem eigenen gemeinsamen Markt, einem Tauschwert, der sich frei nach Angebot und Nachfrage an einer extra dafür eingerichteten Börse bestimmen soll, die höheren Abteilungen von “Futures und Optionen” eingeschlossen. Die Luftverschmutzung kriegt als zertifiziertes “Recht auf Luftverschmutzung” Eigentumsform und wird zum geldwerten Handelsartikel hinorganisiert: Durch eine “marktkonforme” Umweltpolitik, die jede Emission an einen staatlichen Berechtigungsschein bindet und die einzig in der Weise noch restriktiv auf die industriellen Betreiber der Dreckschleudern einwirkt, als sie die kostenlose Zuteilung von Verschmutzungsrechten begrenzt. Ohne administrative Beschränkung kommt also auch diese wunderbare Versöhnung von Ökologie und Ökonomie nicht aus.

 

Ökonomisch gesehen entsteht der Vorteil des Anlagenbetreibers, der Emissionen einspart und deswegen Zertifikate zu verkaufen hat, auf Kosten desjenigen, der sich die überschüssigen Rechte kaufen muss, weil für seinen Schadstoffausstoß die zugeteilten Berechtigungsscheine nicht ausreichen. Und verschmutzungsmäßig kann man es drehen, wie man will: Es bleibt ein Nullsummenspiel, wenn die einen durch Emissionsminderung "bares Geld" verdienen, weil auf der Nachfrageseite zusätzlicher Verschmutzungsbedarf rechtmäßig abgedeckt werden muss gegen einen “Ablass für Abgas”. Im Zeitalter von “puts und calls” scheint das niemand zu stören. Da lässt sich die Sache durchaus so behandeln, dass die verlangte umweltschützerische Restriktion zum Gegenstand eines schwunghaften Börsenhandels und meistbietender Versteigerung von Emissionszertifikaten gemacht wird. Ein munterer Wettlauf um Schadstoffreduktion? Alles nur eine Frage, ob der Börsenwert des Emissionsrechtepapiers genügend hoch ist, dass auch in den “Umweltsündern” die Geschäftsgier erwächst, vom neuen emerging market der Rechte für Verschmutzung zu profitieren, und schon sind Investitionen in die Umweltfreundlichkkeit der kapitalistischen Produktion einfach nicht mehr aufzuhalten. In der Hinsicht, mit wenig Investitionsaufwand viele geldwerte Emissionsrechte als Bereicherungsmittel freizusetzen, setzt die Politik voll auf den kostenbewussten findigen Unternehmergeist, was der Entlastung des kapitalistischen Geschäfts von den leidigen Umweltschutzkosten insgesamt nur gut tut:

 

Österreich sieht den Emissionshandel auf Anlegenebene als geeignetes marktwirtschafliches Instrument der Klimapolitik an, um eine kosteneffiziente Reduktion von Treibhausgasemissionen in bestimmten Sektoren zu erzielen, und hat daher die Richtlinie über den EU-internen Emissionshandel von Anbeginn befürwortet.”(Nationaler Zuteilungsplan für Österreich 2005-2007)

 

Darauf läuft die ökologische Großtat der politisch gestifteten Konkurrenz um Emissionsrechte also raus: Am Ende soll das Nullsummenspiel den Umweltschutz dort stattfinden lassen, wo er das Kapital am wenigsten kostet.

 

Ganz “automatisch” ist diese verheißungsvolle Synthese von Ökonomie und Klimaschutz dann aber doch nicht zu haben. Dafür muss die Marktpreisbildung für die Tonne Kohlendioxid-Ausstoß erst noch in die richtige Richtung “gelenkt” werden durch einen ausgeklügelten, 80-seitigen Nationalen Zuteilungsplan, der jedem Wirtschaftsektor, jeder Branche und schließlich jeder einzelnen Anlage das ihnen gemäße Maß an künftiger Luftverschmutzung zuteilt.

 

Die Stiftung einer Registerstelle durch das Umweltministerium im Verein mit Wirtschafts- und Finanzministerium, die für die 128 österreichischen Unternehmen mit ihren 205 Anlagen, die vom Emissionszertifikatengesetz betroffen sind, ein Zertifikatekonto führt, bei dem künftig An- und Verkäufe von Zertifikaten gemeldet werden müssen, und die Überziehungen ahndet, ist dabei noch die leichtere Übung, um den nationalen Schadstoffausstoß im Hinblick auf die anvisierte Emissionsminderung in einen international konkurrenzfähigen privatwirtschaftlichen Besitzstand an handelbaren Emissionszertifikaten zu überführen: Wieviele kostenlose Verschmutzungsrechte braucht es gesamtwirtschaftlich? Wer muss wieviel an Zertifikaten kriegen, damit ein flotter Freihandel zu einer punktgenauen Landung auf dem gewünschten Klimaschutzziel führt?

 

Dass in dieser Hinsicht einiges an Fingerspitzengefühl nötig ist, um für eine - nicht nur den Bedürfnissen der österreichischen Wirtschaft genügende – Angebotspolitik zu sorgen, daran durften sich Lebensminister Pröll und sein Kompagnon Bartenstein aus dem Wirtschaftsministerium durch den für den Klimaschutz zuständigen Abteilungsleiter im EU-Umweltkommisariat Jos Delbeker erinnern lassen, der Österreich angesichts der großzügigen CO2-Gutschriften an die Industrie wissen ließ, dass “ohne Knappheit kein Markt”(Die Presse, 5.3.2004) funktioniere. Und das kann doch wiederum niemand wollen, weil es dann logischerweise auch mit der Schadstoffreduktion durch Emissionshandel nichts wird.

 

Eine “bedarfsgerechte Zuteilung”, die alles abdeckt und dadurch den Marktpreis zu Lasten des Klimas ruiniert, kommt deshalb genausowenig in Frage wie eine zu knappe Angebotspolitik, die den Preis für die Luftverschmutzung in die Höhe treibt. Keinesfalls darf etwa das “ehrgeizige heimische Klimaschutz-Ziel” dazu führen, dass die österreichische Industrie “gegenüber der weltweiten Konkurrenz ins Hintertreffen”(Die Presse, 19.1.2004) gerät. Je restriktiver gleichwohl die kostenlose Zuteilung gehandhabt wird, desto mehr Geschäftswert könnte das Zertifikat an der Börse entwickeln, was vom “Anreiz” zur “ökologischen Modernisierung” her gedacht bestechend erscheint. Umgekehrt wäre es natürlich am besten, alle industriellen Luftverschmutzer, auf deren Erfolg der Staat wertlegt, hätten überschüssige Emissionsrechte zu verkaufen. Aber dann wäre ja das neue Wirtschaftsgut Zertifikate überhaupt nicht knapp und sein Börsenwert im Eimer – wer wollte sich dann noch am Emissionshandel bereichern? Höchst komplex dies alles, sicher ist da nur, dass dem abnehmenden Grenznutzen der Emissionsminderung ein zunehmender Grenznutzen der Luftverschmutzung gegenübersteht und dort, wo beide Kurven sich schneiden, logischerweise das Optimum der Versöhnung von Ökologie und Ökonomie angesiedelt sein muss.

 

Material haben sie wahrlich genug, die Umweltschützer von Global 2000, Greenpeace, Klimabündnis und WWF für ihren Vorwurf an die Regierung, aus dem Emissionshandel ein “Klimakiller-Instrument” gemacht zu haben.

 

Der Nationale Zuteilungsplan als nationales Konkurrenzmittel

 

Nach dem Entschluss der EU, das Kyoto-Protokoll in Kraft zu setzen - obwohl die USA eine Ratifizierung ablehnen – steht der innereuropäische Streit um seine Umsetzung auf der Tagesordnung. Während die “Umweltsünder” der ausländischen Standorte von Seiten ihrer Standorthüter keine “Schlupflöcher” in deren Allokationsplänen eingeräumt bekommen dürfen, darf im Interesse der jeweiligen heimischen Industrie der nationale “Zertifikationskuchen” nicht zu knapp bemessen ausfallen.

 

Die in Deutschland regierenden rotgrünen Umweltschützer nutzen dafür die – auch von der EU-Komission “akzeptierten” – deutschen Erfolge beim Klimaschutz, um daraus nationales Emissionskapital zu schlagen:

 

Mit der Kommission wurde vereinbart, dass diese bei der Aufstellung der nationalen Alokationspläne die schon erzielten deutschen Erfolge beim Klimaschutz akzeptiert. Deutschland erhält damit die Möglichkeit, 1990 als Basisjahr für die Allokation der Emissionsrechte zu wählen (“early action”).”(BMU, Pressemitteilung Nr.291,02) und “Für Deutschland ein günstiges Ausgangsjahr zum Bewerten der Klimaziele – konnten doch der Zusammenbruch der DDR-Industrie und die in den folgenden Jahren erfolgten Sanierungen und Modernisierungen voll in die deutsche Klimaschutzbilanz mit eingerechnet werden.”(tageschau.de, 25.3.2003)

 

Klimapolitisch gesehen war die billionenschwere Abwicklung der ehemaligen DDR und ihre Entwicklung zu einer freiheitlichen marktwirtschaftlichen “Sonderwirtschaftszone” in jedem Fall ein voller Erfolg. Dank dieser “early action” – in der gehässigen Fachsprache der Konkurrenten auch “wallfall-profit” genannt – hat das wiedervereinigte Deutschland seine Kyoto-Vorgaben fast schon erfüllt und damit viel heiße Luft, die seine Wirtschaft so dringend zum Atmen braucht, für die nationale Grundausstattung mit Emissionszertifikaten frei.

 

Aber nicht nur Deutschland, auch Frankreich und Großbritannien sind mit dem ausverhandelten Basisjahr 1990 gut bedient und befinden sich in der glücklichen Lage, ihren Reduktionsbedarf schon heute zu erfüllen. Großbritannien darf sich, laut E-Magazin der Credite Suisse, anrechnen lassen, “dass die Stromerzeugung .... in den Neunzigern von Kohle auf Gas umgestellt wurde” und dass es – ebenfalls in den 90ern - das neue Kernkraftwerk Sizewell B in Betrieb genommen hat, das Kohle noch weiter als Energielieferant verdrängt hat. Auch Frankreich erfüllt schon jetzt “die Kyoto-Vorgaben nahezu vollständig”, gewinnt es doch schon seit jeher seine Primärenergie zu einem nicht geringen Teil nicht durch Verbrennung fossiler Brennstoffe sondern durch Nutzung der ja bekanntermaßen ungleich umweltverträglicheren Kernenergie.

 

Anders als in Deutschland, Frankreich und Großbritannien regt sich in Österreich Unzufriedenheit mit dem Umstand, dass es 1990 als Basisjahr zugrunde legen muss. “Jene 240 österreichischen Betriebe, die vom Emissionshandel betroffen sind”, fordern “eine stärkere Anerkennung ihrer Vorleistungen”(Die Presse, 19.1.2004). Was spielt es da schon für eine Rolle, dass diese Investitionen aus offenbar ganz anderen als den genannten hehren ökologischen Gründen getätigt wurden.

 

Abgewickelt wird die innerösterreichische Frage der quantitativ richtigen Zuteilung von Zertifikaten an die Industrie als Streit zwischen dem ressortmäßig zuständigen Umweltminister Pröll und Wirtschaftsminister Bartenstein. Weil beide Streitparteien darin einig sind, “dass der Klimaschutz mit dem Wirtschaftswachstum und der Erhöhung des Wohlstandes vereinbar sein müsse.”(Bartenstein, zitiert nach Die Presse, 19.1.2004) stehen beide von Anbeginn an auf dem gemeinsamen Standpunkt, dass eine sachgerechte Verteilung von Zertifikaten keinesfalls vom aktuellen Bedarf sondern von einer “business as usual-Prognose” dieses Bedarfes – von dem Bedarf also, den sie in Zukunft erwarten – auszugehen hat.

 

Dass der von beiden so ermittelte Bedarf der Industrie nicht zu knapp ausfällt – die Tageszeitung die Presse rechnet in ihre Ausgabe vom 11.2.2004 vor, dass die Industrie ihr Einsparziel bis 2007 dadurch erreichen wird, dass sie “ihren CO2-Austoß .... um 2.1Mill.Tonnen ausweiten” wird – also mehr CO2 erzeugt als zuletzt – verwundert nicht.

 

Kritik seitens der EU und insbesondere seitens Deutschland bleibt nicht aus. Schließlich ist der aus Verkauf der verteilten Zertifikate zu erzielende Nutzen für Deutschland nur dann gewährleistet, wenn die Vergaben andernorts hinreichend restriktiv vorgenommen werden. Das umweltpolitische Gewissen gebietet es dem deutschen Umweltminister Trittin daher, nicht nur darauf hinzuweisen, dass Deutschland “bei der Schadstoffreduzierung nicht viel ehrgeiziger voranschreiten dürfe als andere und sich so Wettbewerbsnachteile einbrocken”(Die Presse, 24.3.2004), er konnte “sich auch einen kleinen Schlenker gegen Österreich nicht verkneifen”: “Ein kleines Transitland glaube, eine Überallokation an Emissionsrechten für seine Firmen herausschinden zu können.”(ebenda)

 

Aber beim bloß passiven Wettstreit, bei der Zuteilung von Emissionszertifikaten möglichst gut wegzukommen, bleibt es nicht. Die internationale Vereinbarung, den Klimaschutz durch den Handel mit Verschmutzungsrechten voranzubringen, eröffnet dem österreichischen Kapital – unter dem Titel “Flexible Mechanismen” - zusätzliche, neue Geschäftsfelder, die es zu okkupieren gilt. Aus dem Mund eines Vorstandsmitglied der VA TECH HYDRO – dem nach eigener Einschätzung – “weltweit größten Anbieter im Markt hydraulischer Energieerzeugung” klingt das so:

 

Das Kyoto-Protokoll und seine flexiblen Mechanismen eröffnen neue Möglichkeiten für die Entwicklung von Projekten.”( Homepage der VA TECH HYDRO: http://vatech-hydro.com)

 

Wie das geht, dazu schreibt die Presse vom 19.1.2004:

 

Westliche Industrieunternehmen investieren in treibhausgassenkende Projekte in Reform- und Entwicklungsländern. Etwa in die Modernisierung alter und “schmutziger” Kohlekraftwerke in Osteuropa. Der so erzielte CO2-Abbau wird dem investierenden Unternehmen aus dem Westen gutgeschrieben.”(Die Presse, 19.1.2004)

 

In diesem Sinne wurde schon 2003 – als erstem großem derartigem österreichischem Projekt, “das auf den Mechanismen des Kyoto-Protokolls beruht”(ebenda) - ein Vertrag zwischen der bulgarischen Stromgesellschaft NEK (Natsionalna Elektricheska Kompania) und einer österreichischen Gruppe von Industrieunternehmen unter Führung der VA TECH HYDRO zur Errichtung eines neuen Wasserkraftwerks am bulgarischen Fluss Vacha abgeschlossen. Mit diesem Projekt erfüllt Österreich nicht nur einen Teil seiner eigenen Verpflichtungen aus dem Kyoto-Protokoll, weil dabei die in Bulgarien eingesparten Emissionsrechte kyoto-gemäß auf Österreich übergehen:

 

Die Emissionszertifikate, generiert durch das neue Wasserkraftwerk Tsankov Kamak ...., werden über den Joint Implementation Mechanismus an das österreichische Carbon Credit Programm übertragen.”(Homepage der VA TECH HYDRO),

 

sondern es wickelt – durch Ausnutzung des Kreditmangels der Staaten des ehemaligen Ostblocks - diese Erfüllung seiner Reduktionsverpflichtungen als Geschäft seines im Anlagenbau und in der Umwelttechnologie tätigen Kapitals ab. Wie nebenbei wird damit auch noch die Grundlage für die Anbahnung weiterer derartiger Geschäfte im strategisch wichtigen Bereich der Energietechnik gelegt.

 

Ähnliche gute Geschäfte im Rahmen solcher sogenannter Joint Implemantation Mechanismen wie mit Bulgarien verspricht sich das Wirtschaftministerium darüberhinaus auch mit Lettland, der Slowakei, Tschechien und nicht zu vergessen mit Südafrika, Indien und China.

 

Den größten Teil der Einsparungen – konkret 40% - will Österreich” - laut Standard vom 19.Februar heurigen Jahres - im Rahmen solcher Geschäfte erledigen. Was dann noch fehlt, das Kyoto-Ziel zu erreichen soll durch Emissionseinsparung durch stärkere Wärmedämmung beim Hausbau und – nicht zu vegessen - im Verkehr erzielt werden. Rechtzeitig vor Inkrafttreten des Kyotoprotokolls werden daher Österreichs Haushalte darüber informiert, das sie “immerhin für rund ein Drittel des CO2-Ausstoßes verantwortlich”(Die Presse, 6.5.2004) sind, es daher nur recht und billig ist, ihren finanziellen Beitrag zur ultimativen Versöhnung von Ökologie und Ökonomie abzuliefern:

 

Der Umweltdachverband drängt die Regierung besonders auf die Ökologisierung des Steuersystems”(Die Presse 6.5.2004) und “Man wird nicht umhin kommen, eine kilometerabhängige PKW-Maut einzuführen.”(ebenda)

 

Solche Maßnahmen bringen dem Staat nicht nur Geld sondern induzieren mit Sicherheit den Beitrag der privaten Haushalte zum globalen Kohlendioxidhaushalt, der der heimischen Industrie die Luft beschert, die sie braucht um wachsen zu können.