Das politische Denken Haiders GEGENARGUMENTE

Analyse von Herbert Auinger,

Autor des Buches "HAIDER - Nachrede auf einen bürgerlichen Politiker"

Promedia-Verlag

ISBN: 3 - 85371 - 164 - 2

1) Haider, ein Mann der Versöhnung

Die etwas abweichenden Stellungnahmen zum Dritten Reich, durch die Haider überregional bekannt wurde, sind weder durch den Vorwurf der "nationalsozialistischen Wiederbetätigung" noch durch die Beschuldigung der "Verharmlosung" korrekt erfaßt. Wahr ist vielmehr: Haider ist ein Mann der Versöhnung. Er will versöhnen, nicht spalten, womit sich natürlich sofort die Frage stellt, was er denn versöhnen will: Er will das eigene Volk mit seiner Geschichte versöhnen, auch mit dem Teil, der etwas abfällig "Vergangenheit" heißt; er will die "ältere Generation" mit der Gegenwart versöhnen, darum reicht er der "Kriegsgeneration" bei mancher Gelegenheit seine ehrliche Rechte. Er betreibt, um es auf den Punkt zu bringen – auch wenn er persönlich es wahrscheinlich nicht so formulieren würde –, die Versöhnung zwischen dem Dritten Reich und dessen deutschem bzw. österreichischen Nachfolgestaat, die Versöhnung von Demokratie und Faschismus. Das hat ihm viel Widerspruch eingetragen, weil der sogenannten "Vergangenheitsbewältigung" das Dogma zugrunde liegt, bei der Demokratie handle es sich um das vollständige Gegenteil von Faschismus, und insofern seien die beiden Herrschaftsformen also unversöhnlich, unvereinbar, unvergleichbar. Bei der Betrachtung des Faschismus ist nämlich das verlangt, was sonst als "Schwarz-weiß-Malerei" abgelehnt wird, und dagegen hat Haider regelmäßig verstoßen, indem er am Dritten Reich auch "gute Seiten" oder wenigstens normale, vertraute Momente entdeckt hat.

Die zwei bekanntesten Beispiele für sein Versöhnungswerk sind natürlich sein Lob der "ordentlichen Beschäftigungspolitik" im Dritten Reich und seine Würdigung der anständigen Soldaten von der Waffen-SS. In beiden Fällen liegt Haider übrigens wesentlich näher an der Wahrheit als seine Kritiker aus den Konkurrenzparteien und in der Öffentlichkeit, was aber auch nicht für ihn spricht. Ich zitiere aus meinem Buch:

"Beschäftigungspolitik ist die Mobilisierung von brachliegender Arbeitskraft für Staat und Kapital. Sie gehorcht dem Grundsatz, der Staat möge Arbeitslose nicht durchfüttern, sondern produktiv machen; es gilt also die Parole, daß wer nicht arbeitet, auch nicht essen soll – und insofern ist Beschäftigungspolitik als eine zutiefst marktwirtschaftliche Errungenschaft natürlich sowohl in der Demokratie als auch im Faschismus anzutreffen. Sie unterstellt, ebenfalls in beiden Systemen, dringend auf ihre Benutzung angewiesene Leute, die wegen ihrer Armut dafür dankbar sein mögen, daß sie sich – auch vom Staat organisiert bzw. erzwungen – nützlich machen dürfen bzw. müssen, um auf diese Weise zu einem erbärmlichen Lebensunterhalt zu kommen. Demokraten halten so eine Mobilisierung offenbar für ein derart unwiderstehliches Kompliment an den sie betreibenden Staat, daß sie es dem Faschismus nicht zugestehen mögen – nur taugt der Hinweis auf Hitlers viele Arbeitsplätze schaffende Kriegsvorbereitungen wenig als Kritik. Auch die Rüstungsindustrie ist nämlich keine genuin faschistische Erfindung, die Arbeitsplätze in einer demokratischen Waffenfabrik gelten gemeinhin als nicht schlechter oder besser als andere, und über den gleichnamigen "Boom", den der Koreakrieg der Wirtschaft der Wiederaufbauphase beschert hat, hat sich auch kein Gewerkschafter beschwert." Ebenso wenig wie über die gigantische Aufrüstung der USA, die als "Totrüsten" der Sowjetunion in die Geschichte eingegangen ist.

Auch Haiders Solidaritätserklärung an die alten Kameraden von der Waffen-SS seinerzeit in Krumpendorf, denen er bescheinigt hat, sich selbst und ihren damaligen, faschistischen Überzeugungen bis heute treu geblieben zu sein, hat Empörung ausgelöst. Dabei hat Haider bloß die banale Wahrheit ausgesprochen

"daß sich diese "Kriegsgeneration" gar nicht großartig ändern mußte, sondern nach dem Krieg im Wesentlichen das getan hat wie vorher, nämlich brav zu gehorchen und ihre patriotischen Pflichten zu erfüllen. Aber diese Banalität paßt nicht zum Bewältigungs-Dogma vom abgrundtiefen Gegensatz zwischen Faschismus und Demokratie. Es gehört sich also nicht, alten Faschisten ihren Anstand zu konzedieren, auch wenn die dem entscheidenden systemübergreifenden Kriterium – der anständige Faschist denkt wie der anständige Demokrat in schwerer Zeit nicht an sich, sondern an sein Vaterland – ohne Zweifel damals genügt haben und heute genügen. Das gehört sich nicht, weil der bürgerliche Verstand im Lob von Pflichtbewußtsein und Opferbereitschaft das politische Subjekt würdigen will, dem beides gilt, also völlig zurecht die Würdigung des Dritten Reiches aus dem Lob von dessen Mitmachern heraushört. Wer die charakterlich-geistig-moralische Kontinuität begeisterter Mitmacher von damals und heute erstens behauptet und zweitens auch noch lobt, vergeht sich gegen den verlogenen Grundsatz, daß das Pflichterfüllen in der Demokratie und das Mitmachen im Faschismus einfach nicht zu vergleichen seien. ... Die bei dieser und ähnlichen Gelegenheiten erhobene Forderung nach einer "Entschuldigung" Haiders für derartige "Entgleisungen" offenbart übrigens einen merkwürdigen Geisteszustand bei denen, die sie erheben – unbeschadet von der Glaubwürdigkeit dieser Entschuldigungen und Rückzieher. Eine Stellungnahme Haiders zum Dritten Reich gilt da anscheinend weniger als ein politisches Urteil, und mehr als eine Frage der Höflichkeit, der Etikette. Ausgegangen wird von einem Arsenal an gültigen Sprachregelungen, im Fall eines Verstoßes interessiert nicht deren Inhalt und Grund, sondern mehr die formelle Wiederherstellung dessen, "was sich gehört" – gerade wenn einer ständig zu erkennen gibt, daß ihm genau dieser Zustand der "politischen Korrektheit" nicht paßt. Man will sich gewissermaßen über Haiders Position etwas vormachen, und der möge doch so nett sein und durch eine Entschuldigung dabei helfen …"

Haiders versöhnliche "Ausrutscher", seine "Tabubrüche" sind nun nicht einem überwältigenden Harmoniebedürfnis geschuldet, weil er einfach niemandem etwas Schlechtes nachsagen will, so ein totaler "Gutmensch" ist Haider auch wieder nicht. Es geht schon um die hier und heute politisch relevanten Grundsätze. Es geht um die Darstellung der Vergangenheit in ihrer Funktion, in ihrem Nutzen für die heutige Nation. Ein Staat kann laut Haider

"keine heimatbewußte Jugend heranziehen, ‘wenn ständig in öffentlichen Erklärungen und in der geschichtlichen Darstellung die Generation der Eltern, die dieses Land aufgebaut und für die Freiheit gesorgt haben, durch den Schmutz gezogen wird’."(Scharsach [1] S. 98) Bzw. meint Haider "ein Volk, das seine Vorfahren nicht geehrt hält, ist soundso zum Untergang verurteilt." (Krumpendorf-Rede)

Man sollte den Streit um die Darstellung des Dritten Reiches also keinesfalls mit einem Streit um historische Fakten und deren Interpretation verwechseln, eine nüchterne Klärung des Nationalsozialismus ist seine Sache nicht. Es geht, zumindest für Haider, um den gegenwärtigen Patriotismus, um die heutige bedingungslose Parteilichkeit für die Nation. Geschichtsdarstellungen müssen den Nationalismus – das "Heimatbewußtsein" – fördern und sind daran zu messen, und nicht an ihrem Wahrheitsgehalt. Genauer: Diese Förderung des Nationalismus ist ihr einzig relevanter Gehalt. Es geht nicht um Aufschluß über verflossene Begebenheiten, sondern um die Zustimmung zur Gegenwart, durch die passende Schreibung der Geschichte. Haider besteht darauf, daß die historische Darstellung auch des damaligen faschistisch regierten Kollektivs der normalen, der üblichen Funktion der nationalen Geschichtsschreibung gehorcht, also auf die Würdigung der Nation abzielt. Eine Jugend kann, seiner Ansicht nach, nicht ohne Einschränkung an die Nation glauben – also für die Nation leben und u.U. auch sterben, falls es darauf ankommt –, wenn ständig behauptet wird, die Nation habe neulich einmal schwer daneben gelegen, habe "schwere Schuld" auf sich geladen und sei dauerhaft zu deren "Bewältigung" verurteilt. Ein Volk, meint er, sei überhaupt gleich "zum Untergang verurteilt", wenn es seine opferbereiten "Vorfahren" nicht ehrt, darunter auch diejenigen, die dem Dritten Reich gedient haben. Ist das nun

"Eine Übertreibung? Eine Spinnerei? Nun ja, wenn man bloß an die zivile Verwendung des Volkes beim Arbeiten und Arbeit suchen, beim Sparen und Familienerhalten denkt, dann vielleicht. Das alles klappt auch ohne Ahnenkult, aber darum geht es ohnehin nicht, denn in der geschichtsbewußten Würdigung der "Vorfahren" ehrt das gegenwärtige Kollektiv immer sich selbst! Haider denkt vermutlich auch an Gelegenheiten, wo eine kämpfende Truppe ohne den hemmungslosen, durch die "kollektive" Geschichte verbürgten Glauben an die eigene heilige Sache nicht so zweckmäßig kriegführend wüten kann, wie das damals die Wehrmacht hingekriegt hat, und deswegen muß das Kollektiv, für das der Nachwuchs gebraucht und erzogen wird, als Ausbund von Anstand und Würde vorstellig gemacht werden. Eine Nation darf sich keine Problematisierung ihrer moralischen Güteklasse leisten, das schwächt "geistig" beim Kampf gegen den "Untergang" in der Konkurrenz der Nationen!"

Den Haider und sein Versöhnungswerk treibt also ausschließlich die sehr konstruktive Sorge, die nötige Rücksichtslosigkeit bei der Durchsetzung nationaler Interessen nach innen und außen könnte unter der ständigen Beschwörung vergangener Schuld leiden, könnte Skrupel und Zögerlichkeit nach sich ziehen, wo es auf Bedenkenlosigkeit und Skrupellosigkeit und Rücksichtslosigkeit ankommt – nämlich in der Politik. Und da täuscht er sich.

Denn die sogenannte Vergangenheitsbewältigung, die mit dem heftigen Bekenntnis zu deutsch/österreichischer Schuld und Verantwortung operiert, die hat auf ihre alternative Weise das gleiche Ziel wie Haider. Auch da geht es um das "Ansehen" des heutigen Staates, um die Zustimmung zur Gegenwart, zur jetzigen Nation und ihren Machenschaften, aber eben nicht durch die Lobpreisung der "Kriegsgeneration" und ihrer Tugenden, sondern durch die Beteuerung heftigster Distanz zum Nationalsozialismus.

"Beim "Verdrängen" oder "Bewältigen" der Vergangenheit handelt es sich wirklich um Alternativen. Sie führen zum selben Ergebnis, zum Nationalstolz. Gemeinsam ist, daß vom erwünschten Resultat her ein Geschichtsbild konstruiert wird, einmal durch die Verteidigung der "Kriegs- und Wiederaufbaugeneration", alternativ dazu durch die Zerknirschung über deren Beteiligung an den "Verbrechen des Nationalsozialismus". Gemeinsam ist der feste Wille, sich durch ein entsprechendes Geschichtsbild ein positives Bild der "eigenen" Nation und ihrer "Verantwortung" zurechtzulegen. Weil Haider auf ein positives Staatsbewußtsein hinaus will, also den Zweck der Vergangenheitsbewältiger teilt, mißtraut er dem bewältigenden Waschvorgang Beichte-Zerknirschung-Reue, diesem "durch den Schmutz ziehen" als Einleitung zum folgenden "weißesten Weiß"; also der Methode, mit der speziell in Deutschland, aber auch in Österreich nach 1945 sehr gelungen eine "heimatbewußte Jugend" herangezogen wurde."

Der schönste Beweis dafür, daß die ständige Beschwörung von Auschwitz eine Nation nicht schwächt, sondern daß die Erinnerung an dieses "Verbrechen" die Nation genau so in’s Recht setzt und damit moralisch stärkt wie die Beschwörung vergangener Heldentaten, ist übrigens die deutsche Beteiligung am Krieg gegen Jugoslawien. Da wurde bekanntlich von der NATO in derselben Gegend gegen den selben serbischen Nationalismus Krieg geführt, gegen den schon Hitlers Wehrmacht gekämpft hat. Dem deutschen Außenminister Fischer ist als moralische Überhöhung des imperialistischen Prinzips "divide et impera" – teile und herrsche – die bekannte spezifisch deutsche Lehre aus der Geschichte eingefallen. Aus dem Geiste des Antifaschismus und um ein angeblich drohendes "Auschwitz" zu verhindern müsse Deutschland heute gegen die Nachfolger der damaligen kommunistischen Sieger über den deutschen Faschismus kämpfen. Niemand hat ihn ausgelacht.

2) Haider, ein Mann der Unversöhnlichkeit

Neben seinem Versöhnungsprojekt in bezug auf die Vergangenheit ist Haider vor allem durch seine Unversöhnlichkeit aufgefallen. Wogegen ist er denn so unversöhnlich? Nun, gegen alles Niedrige, gegen alles Schändliche, Verkommene, Schwache, Inferiore, Untaugliche, Unwürdige, Unanständige – mit einem Wort, er ist unversöhnlich gegen die parteipolitische Konkurrenz, gegen ÖVP, SPÖ, die Grünen und die von "rot" und "schwarz" dominierte Zweite Republik. Die Journalisten Scharsach und Kuch haben Dokumente dieser Unversöhnlichkeit zusammengetragen:

"Bundespräsident Thomas Klestil wird als ‘Hampelmann der linken Schickeria’, Kardinal König als ‘politisierender Pensionist’ verhöhnt. Den ÖVP-Obmann Schüssel verspottet Haider als ‘Reserve-Napoleon’ ... den Salzburger Landeshauptmann Schausberger als ‘Intrigant mit Rosenkranz und Lodenmantel’. Bundeskanzler Vranitzky sei ein ‘Ankündigungsriese und Handlungszwerg’, ‘Oberlehrer’ und ‘Blindgänger’. ... Den Mascherlträger Schüssel verhöhnt Haider als ‘Rezessionspropeller’ und ‘Bruchpiloten’. Den früheren Vizekanzler Busek nennt er einen ‘Koalitionstrottel’ und ‘geistigen Irrläufer’ an der Spitze eines ‘politischen Bestattungsinstituts’, ÖVP-Klubobmann Andreas Khol das ‘Krokodil im Kasperltheater’ ... Die Freiheitlichen machen politische Gegner zu ‘Kettenhunden’, ‘Bluthunden’ und ‘Schweinen’, Sozialhilfebezieher zur ‘Rattenplage’. Sie wettern gegen ‘rot-schwarze Blutegel’, ‘Parasiten’, ‘parasitäre Elemente’ und ‘Filzläuse, die mit Blausäure bekämpft werden sollten’, während sie sich selbst als ‘Schädlingsbekämpfungsmittel’ bezeichnen. ... Haider nennt die Regierung ‘verrottet, korrupt und geldgierig’, behauptet, sie werde ‘von der Mafia gelenkt’, bezeichnet ÖVP-Obmann Wolfgang Schüssel als ‘Landesverräter’, ÖVP-Klubobmann Andreas Khol als ‘moralisch dekadente Figur’ mit einem ‘defekten Charakterzentrum’, der seine ‘politische Schleimspur’ durch Österreich zieht. ... Bei der Beschreibung politischer Gegner läßt Haider nichts aus: ‘Taugenichtse’, ‘Plünderer’, ‘Ganoven’, ‘Hochverräter’, ‘Wiederholungstäter’, ‘Wirtschaftsverbrecher’, ‘Mafia, die Schutzgeld kassiert’, ‘Landesverräter’, ‘Fall für den Staatsanwalt’, ‘Lügenpack’, ‘Abzocker’, ‘Ehrlose’, ‘politische Prostituierte’, ‘Machtmonster’, ‘Terrormethoden’, ‘geistige Urväter des Terrorismus’." (Scharsach/Kuch, Köln 2000)

Und so weiter und so fort. Man kennt das. Was die Geradlinigkeit und Gesinnungsfestigkeit Haiders betrifft, sei nur daran erinnert, daß er den "Landesverräter" Schüssel zum Kanzler gemacht hat, und das im Rahmen einer Koalition, in der ein Andreas Khol, das ist die "moralisch dekadente Figur" mit dem "defekten Charakterzentrum", ebenfalls eine Schlüsselposition einnimmt. So ein Vorgehen bestätigt natürlich alle faschistoiden Vorurteile über die Demokratie als Betrug und über Politiker da oben, die so tun, als würden sie sich streiten, und die dann doch problemlos "packeln", sobald einige Posten herausspringen: "Pack schlägt sich, Pack verträgt sich", sagt der Volksmund. Zudem läßt sich an dieser ständigen "Vernaderung", die zum Markenzeichen der FPÖ geworden ist, erkennen, was für eine trostlose Betätigung des Geistes die Handhabung moralischer Maßstäbe ist, denn um nichts als um pausenloses Moralisieren handelt es sich. Immer ein Haar in der Suppe finden, ständig meckern, ununterbrochen nörgeln und diffamieren: Es ist eben problemlos möglich, an wirklich jedes politische und andere Vorkommnis einen negativen Gesichtspunkt anzuhängen, und wenn dem Haider gar nichts einfällt, dann fallen ihm zwei Momente ein, nämlich Geld und Partei. Da fällt ihm ein, daß etwa Verfassungsrichter – man höre und staune – ein Einkommen beziehen, und daß sie, wie alle höheren Posten im Staat, nach parteipolitischen Gesichtspunkten besetzt, also "politisch korrumpiert" sind – wobei sich Geld und Partei mit fachlicher Kompetenz immer dann bestens vertragen, wenn etwa der Freiheitliche Gaugg einen hohen Posten ergattert und eine adäquate Gage verlangt. Die Masche der FPÖ besteht also darin, ständig zu beteuern, die Konkurrenzparteien seien die "Unanständigen", durch permanente Vernaderung und ständige Diffamierung, diese Weltsicht zur Besonderheit der eigenen Partei zu machen, und dadurch auf fast schon geniale Weise ein Problem zu bewältigen, das demokratische Parteien nun einmal haben: Sie müssen sich voneinander unterscheiden, und das ist nicht so leicht.

"Im Unterschied zu in der Öffentlichkeit kursierenden Gerüchten werden dem Wähler in einer real existierenden, gefestigten Demokratie von den politischen Parteien keine alternativen politischen Konzepte vorgelegt, die Führung der Staatsgeschäfte betreffend. Das geht gar nicht. Die Parteien wollen schließlich alle dasselbe. Erstens wollen sie an die Macht, und mit der wollen sie zweitens die längst feststehenden Anliegen der Nation voranbringen. Das sind nach innen die heimische Marktwirtschaft, und nicht zuletzt wegen der ein solider Einfluß im Ausland: Alle demokratischen Blockparteien sind für Demokratie, Recht und Ordnung, den Dienst der Bürger an Kapital und Staat, ein ordentliches Wirtschaftswachstum und ein gebührendes Ansehen des Vaterlandes in der Welt. ... Moderne Parteien sind allesamt Volks- oder, was dasselbe ist, Staats-Parteien. Versprochen und geboten wird dem Volk nur Nationalismus. Außer Österreich zuerst! soll nichts zählen, und dafür gehört jeder Stand entsprechend seiner Funktion eingespannt und beschränkt. Diese Übereinstimmung im Grundsätzlichen macht die Bildung von Koalitionen so problemlos, wenn der wählende Bürger keine absoluten Mehrheiten zustande bringt – im Großen und Ganzen kann jede Partei mit jeder. Diese Eintracht macht das Wahlkämpfen hingegen zu einer kniffligen Angelegenheit. Dem Wähler müssen schließlich Anhaltspunkte geboten werden, warum er ausgerechnet die eine und nicht die andere Partei ankreuzen soll."

Dazu noch ein leicht irrsinniges Beispiel, das gerade durch seine Abseitigkeit und Skurrilität das Prinzip besonders treffend illustriert:

"Parteipolitisch agierende Funktionäre versuchen, den Sport für Zwecke der Partei zu nutzen, anstatt Ansehen und Bedeutung des Landes durch die Erfolge unserer Wettkämpfer zu befördern. ... Der ‘rote’ Beppo Mauhart muß für die Genossen plötzlich die Fußballszene abdecken ... der schwarze Abg. Josef Höchtl ist Präsident der Rodler in Österreich ... der schwarze Kammerpräsident Nettig hält sich die ‘Admira’, der Wiener SPÖ-Bürgermeister die ‘Austria’ ... Die Politiker drängen sich in die Vereine und Dachverbände, weil sie Subventionen geben oder vermitteln können. ... Wenn man dann schaut, wie bei einem Schlagerspiel im Fußball die politische Prominenz sich auf der Ehrentribüne tummelt, ist man vehement an das ZK in Rußland beim Maiaufmarsch oder bei der Parade zur Oktoberrevolution erinnert. ... Selbst die Sportreporter des staatlichen Rundfunks ORF können sich der Funktionärsmacht nur schwer entziehen. Endlose Interviews mit dem Bundeskanzler in Sportsendungen sind keine Seltenheit. Politik und Funktionäre drängen sich ins Bild und geben den Ton an." (Haider, Befreite Zukunft jenseits von links und rechts, Wien 1997)

Das Zitat ist von Haider und stammt aus dem Jahr 1997. Zwei Jahre später war der Haider wieder Landeshauptmann in Kärnten. Kurz darauf war er Präsident des FC Kärnten, das ist eine Fußballmannschaft, und die Vizekanzlerin ist in der Bundesregierung auch für den Sport zuständig drängt sich in dieser Funktion ständig bei Sportübertragungen ins Bild, weil jetzt auch Freiheitliche zum oben erwähnten ZK gehören. Das ist das Prinzip des Wechselspiels von Demokratie und Opposition: Zuerst, in der Oppositionszeit alles nach Strich und Faden verunglimpfen, und dann, als Regierungspartei, genau das betreiben, was vorher vernadert wurde, bis hin zu "Freunderlwirtschaft, Postenschacher und Proporz" sowie Fernsehauftritten bei Sportveranstaltungen. (Den jeweils aktuellen Stand entnehmen sie bitte der Tagespresse.) Wem diese Auskunft zu radikal oder zu FPÖ-spezifisch erscheint, möge sich an die deutschen Grünen erinnern als anderes Beispiel

"für die demokratische Gesetzmäßigkeit, daß sich nach dem Wechsel einer Oppositionspartei in die Regierung nicht die Politik ändert, sondern die Partei, ... Die Grünen, die zu Oppositionszeiten den ‘Pazifismus’ ebenso wie den Atomausstieg auf ihre Fahnen geheftet hatten – und als Regierungspartei ihre Gewaltfreiheit ebenso in den deutschen Militarismus einbringen konnten, nachdem gerade ein Krieg gegen Jugoslawien zu führen war, wie sie einen grünen Atomminister für die realistische Variante des Ausstiegs aus der Atomenergie auszugeben belieben. Selber haben die Grünen diesen Positionswechsel als die ‘Professionalisierung’ der Partei interpretiert: In der Opposition könne man sich ja manche Sprüche leisten, aber als Regierungspartei wird eben Staat gemacht, mit allen Schikanen!" Und die PDS hat zumindest in der Person ihres Aushängeschilds Gysi den Ehrgeiz, diesen Wandel noch schneller als die Grünen hinzukriegen.

Schön langsam stellt sich allerdings die Frage, wozu der Aufwand gut ist. Wozu finanziert der Staat, der bekanntlich ohnehin kein Geld hat und so viel sparen muß, ein Parteiensystem, das politischen Pluralismus mehr fingiert als praktiziert. Nun, die wesentliche Leistung ist etwas, das ich als die "Verstaatlichung jedweder Unzufriedenheit" bezeichnen möchte, ein Angebot, das sich an alle Unzufriedenen richtet. Über den Parteienpluralismus und das Wechselspiel von Regierung und Opposition soll der Verstand des unzufriedenen Bürgers, und die Demokratie produziert pausenlos Unzufriedenheit, auf das System fixiert bleiben:

"Die Pflicht einer Oppositionspartei besteht darin, wie der Name schon sagt, dagegen zu sein und die Regierung verunglimpfend zu "vernadern". Und wogegen genau? Nun, immer gegen das, was die Regierung gerade für notwendig dekretiert, und im Interesse des Landes als unverzichtbar erklärt, vom EU-Beitritt bis zum aktuellen ‘Sparpaket’. Jeder Unzufriedenheit im Volk wird von der Opposition erst einmal im Prinzip recht gegeben, oder es wird erst eine angestachelt, wenn z.B. das Bedürfnis nach einer durch die Bekämpfung der ‘Ausländerkriminalität’ ethnisch gesäuberten Verbrecherszene nicht so recht aufkommt. Natürlich ist das Dagegensein der Opposition nicht in dem Sinn ernst gemeint, die Bürger sollten schleunigst damit anfangen, ihren Sorgen und Nöten auf den Grund zu gehen, um dann Maßnahmen dagegen zu setzen. Aus der Arbeitslosigkeit etwa, Dauerthema jeder demokratischen Opposition, folgt keineswegs eine Untersuchung, und nach der Entdeckung der Marktwirtschaft als ihres Grundes, von Seiten der Bürger die sofortige Aufkündigung des Mitmachens. Nein, es steht natürlich fest, daß die Bürger alle von der Opposition als Zumutungen enttarnten Staatsmaßnahmen weiterhin tragen werden und tragen sollen, bloß sollen sie halt bei der nächsten Gelegenheit ihr Wahlkreuz der Opposition spendieren. Denn die Ursache für alle Probleme der Mitmacher steht dogmatisch und monokausal ebenfalls jenseits jeder speziellen Staatsmaßnahme fest. Es liegt auf alle Fälle schlechtes Regieren vor, und das einzige Bedürfnis, das eine Opposition befriedigt, ist das, von anderen Leuten regiert zu werden. ... Während der Karriere der FPÖ als Oppositionspartei ist gerade bei den Gegnern Haiders eine Redewendung populär geworden, die dieses Demokratiedodeltum bündig zusammenfaßt: ‘Das wird dem Haider nützen!’ – hat es oft genug warnend geheißen. Und was? Nun, so ziemlich alles, wovon Bürger unangenehm betroffen sind. Beispielsweise schien es Kommentatoren anläßlich der Pleite der Handelskette ‘Konsum’ – gleichermaßen kapitalistischer Betrieb wie sozialdemokratisches Symbol – naheliegend, daß die FPÖ davon stimmenmäßig profitieren könnte. Im sicheren Wissen darüber, daß dadurch weder ein abgewickelter Arbeitsplatz des ‘Konsum’ neu entsteht, noch die Pleite rückgängig gemacht wird, noch ein Ersatz für verlorenes sozialdemokratische Heimatgefühl geboten wird. ‘Das wird dem Konsum-Geschädigten aber nützen’ – diese Botschaft wurde folgerichtig nirgends vernommen! So etwas wäre auch völlig sachfremd im demokratischen Getriebe. ... Die komplette Öffentlichkeit unterstützt diese sehr unsachliche, unvernünftige und irrationale Stellung beim Bürger. Der soll nie und nimmer das, was ihm nicht paßt, einer Überprüfung unterziehen, bei der Sache bleiben, ihr nachgehen und auf Abhilfe sinnen, sondern er soll umgekehrt der fixen Idee frönen, daß die nächste Wahl eine Riesengelegenheit für ihn sei, er soll seine Schäden und Beschwerden zur Wahlkampfmunition herabwürdigen und sich opportunistisch als wählender Mitläufer betätigen – im Wissen darum, daß sein Wahlkreuz an dem, was ihn aufgebracht hat, garantiert nichts ändert und ihm nichts nützt!"

Die Besonderheit der FPÖ in diesem Zirkus besteht nur darin, gar nicht erst groß zu behaupten, etwas grundsätzlich "anders" machen zu wollen als die Repräsentanten der verkommenen "Altparteien". Der Fehler der anderen Parteien soll ja darin liegen, daß die "Unanständigen" regieren, wohingegen mit der FPÖ der Anstand an die Macht kommt. So daß etwa ein Sparpaket und Steuererhöhungen im einen Fall eine Sauerei und eine Ausplünderung des Bürgers ist, im anderen Fall hingegen ist die höchste Steuerquote der österreichischen Geschichte und das damit verbundene Sparpaket eine Leistung namens "Null-Defizit" auf die Staat und Bürger stolz sein können.