GEGENARGUMENTE

Die "Neue Sicherheitsstrategie der Vereinigten Staaten":

Einleitung

Der Überfall der USA auf den Irak rückt, wie es scheint, unaufhaltsam näher. Keine Kooperationsbereitschaft und keine Unterwerfungsgeste der irakischen Seite, der Rücktritt Saddam Husseins eingeschlossen, dürfte die Amerikaner vom beschlossenen Angriff abbringen können. Der zielt eben auch auf mehr als nur die erneute Durchsetzung der alten UN-Kontrolle über die irakische Wehrlosigkeit: "Regimewechsel" und "Neuordnung" der ganzen wichtigen Ölregion sind die gar nicht verheimlichten Kriegsziele von Präsident Bush. Und weil er die Sache seiner Nation, die Ausrottung ihrer letzten verbliebenen Feinde, die militärische Beherrschung des Globus und die Kontrolle über die Ölversorgung der ganzen kapitalistischen Welt so kompromisslos vorantreibt und für "nicht verhandelbar" erklärt, begründet er mit seinem unbeschönigten Präventivkrieg zugleich eine neue Stellung gegenüber der gesamten restlichen Staatenwelt, speziell den alten Verbündeten der USA. Die sind Imperialisten wie die Amerikaner und sehen sich von deren Neuordnungswillen betroffen, in ihren Geschäften beschädigt, in ihrem Streben nach eigenem Einfluss und Kontrolle im Nahen Osten blockiert und in ihrem Status als anerkannte Mitmacher bei der Weltherrschaft zurückgesetzt.

Folgende Punkte werden in der heutigen Sendung näher besprochen:

 

Amerika erklärt der Welt den Anti-Terror-Krieg

Das am 20.September vorigen Jahres veröffentlichte Strategiepapier des amerikanischen Präsidenten macht deutlich, worauf die von den USA angestrebte neue Weltordnung abzielt. George W. Bush erklärt der Welt seine bevorstehenden Kriege. Hierzu liefert schon die Einleitung des Papiers eine Klarstellung:

"Die Vereinigten Staaten erfreuen sich gegenwärtig beispielloser militärischer Stärke und eines großen wirtschaftlichen und politischen Einflusses." Und etwas weiter im Text noch einmal: "Die Stärke und der Einfluss der Vereinigten Staaten in der Welt sind beispiellos - und konkurrenzlos." (alle Zitate aus einer deutschen Übersetzung der "Neuen Nationalen Sicherheitsstrategie der Vereinigten Staaten")

Diese Stärke gedenkt Bush einzusetzen und zwar mit eindeutiger Zielsetzung:

"Die Vereinigten Staaten werden Nationen helfen, die im Kampf gegen den Terrorismus unsere Unterstützung brauchen. Die Vereinigten Staaten werden Länder zur Rechenschaft ziehen, die dem Terrorismus Vorschub leisten und solche, die Terroristen Zuflucht gewähren, denn die Verbündeten des Terrors sind die Feinde der Zivilisation. [...] Der Feind ist nicht ein einzelnes politisches Regime oder eine Person oder Religion oder Ideologie. Der Feind heißt Terrorismus - vorsätzliche, politisch motivierte Gewalt, gerichtet gegen Unschuldige."

Die Definition seiner Feinde, gegen die Amerika schon begonnen hat zu Felde zu ziehen, fällt bewusst sehr allgemein aus: Terroristen und Staaten, die selbige nicht energisch genug bekämpfen oder gar unterstützen. Die Liste der Staaten, die einer solchen "Unterstützung" verdächtig sind, umfasst mittlerweile mehr als 60 Länder, Tendenz steigend. Der Rest der Welt wird damit vor die Wahl gestellt, ob er sich "uneingeschränkt solidarisch" an diesem amerikanischen "Krieg gegen den Terrorismus" beteiligen will oder selbst zum potentiellen Ziel amerikanischer Stärke werden kann. Ein solches Welt-Kriegsprojekt ist entsprechend langfristig angelegt und lässt prinzipiell keinen Fleck auf dem Globus unbetroffen: "Der Krieg gegen weltweit agierende Terroristen ist eine globale Unternehmung von ungewisser Dauer" heißt es in der neuen Nationalen Sicherheitsstrategie der USA. Die USA wollen sich gar nicht erst festlegen, welchen Staaten sie demnächst mit ihrer konkurrenzlosen Stärke kommen wollen oder wann sie mit ihrem globalen Anti-Terror-Kreuzzug fertig sind.

Das Kriegsziel der Bush-Administration ist es, jeden potentiellen Feind ab sofort bereits präventiv auszuschalten. Alle von den USA als feindlich interpretierten Aktivitäten oder bloßen politischen Absichten seien sie nun staatlicher Herkunft oder von sonstigen Gruppierungen angezettelt sollen vorbeugend zerschlagen werden. Dafür bekräftigen die USA ihren Anspruch auf globale Hegemonie und verlangen von ihren Partnern bedingungslose Gefolgschaft..

"Bei der Wahrnehmung unserer Führungsrolle werden wir die Werte, Urteile und Interessen unserer Freunde und Partner respektieren. Wir werden jedoch bereit sein, allein zu handeln, wenn unsere Interessen und besondere Verantwortung dies erfordern."

Die US-Regierung hat also erstens beschlossen, die ganze Welt daraufhin durchzumustern, ob und an welcher Stelle Gefahren für Amerika ausgehen könnten, um sie dann auch gewaltsam auszulöschen, und zweitens unmissverständlich klargestellt, dass sie dafür ihre Bündnispartner zwar gerne einspannen würde, aber nicht braucht.

Gleichzeitig wird aber auch die "uneingeschränkte Solidarität" der "Freunde" gefordert. Das heißt: Deren eigene Sicherheitsinteressen, also wie sie sich die Welt zu- und unterordnen wollen, ihre Definitionen von Freund und Feind das alles zählt nichts. Auch und gerade die großen "Freunde" in Europa müssen sich sagen lassen, dass es auch für sie nur noch einen strategischen Blick auf die Welt gibt, nämlich den des "Kampfes gegen den [antiamerikanischen!] Terror", dass aber Amerika bei der Verfolgung der von ihm ausgegeben Strategie auf ihren Beitrag nicht angewiesen, vielmehr "bereit" ist, "allein zu handeln, wenn unsere Interessen und besondere Verantwortung dies erfordern".

Zuschlagen, wann und wo immer sie will, kann und will die US-Regierung, wenn sie es für notwendig hält, auch gegen ein Veto im UNO-Sicherheitsrat und ohne die Schützenhilfe nicht unbedeutender NATO-Bündnispartner. Worauf die Fähigkeit, alleine zu handeln, beruht, hat der Präsident gleich zu Anfang gesagt, wenn er auf "die beispiellose militärische Stärke und den großen wirtschaftlichen und politischen Einfluss" seiner Nation verweist.

Die andere Seite dieser Überlegenheit bzw. des "alleine Handelns" muss er nicht betonen, weil ihn alle anderen Staatsleute auch so verstehen: Alle anderen Staaten sollen sich in die Strategie des "Kampfes gegen Terror" einordnen bzw. einordnen lassen. Für die europäischen Mitglieder der NATO, ist damit die bisherige Geschäftsgrundlage des Bündnisses gekündigt.

Die USA kündigen die alte NATO-Bündnisräson

Das Militärbündnis, das Westeuropa mit den USA zusammenschloss, beruhte auf der gemeinsamen Feindschaft gegenüber der Sowjetunion. Die SU war im Unterschied zum Terrorismus gegen die USA gemeinsamer Systemfeind aller NATO-Staaten. Für dessen Erledigung brauchte Amerika seinen "europäischen Pfeiler" und war daher an dessen ökonomischem und militärischem Aufbau interessiert. An der Unterordnung unter die große "transatlantische Führungsmacht" gab es zwar keinen Zweifel, aber das war eine Unterordnung, in der Westeuropa umgekehrt Amerika auch für sich gebrauchen konnte. Allein wären die kapitalistischen Staaten Europas gar nicht imstande gewesen, gegen die realsozialistische Alternative der Sowjetunion anzutreten, und nur mit Amerika im Rücken konnten sie deren Herrschaft über den östlichen Teil des Kontinents bestreiten. Sie konnten sich die SU-freie Welt als Absatzmärkte und Anlagesphäre erschließen, ohne sich dazu als weltweit präsente Gewalt aufbauen zu müssen. Das übernahmen ja die USA, und dafür akzeptierten die europäischen Bündnispartner die militärische und politische Führungsrolle der USA. Mit seiner Einordnung in das amerikanische Programm der Bekämpfung der Sowjetunion, mit seiner nachrangigen Teilhabe an der amerikanischen Weltordnung unter dem Titel Eindämmung des zum "Reich des Bösen" erklärten "Ostblocks" betrieb Europa zugleich seine Konkurrenz zu den USA, war von dem Willen beseelt, sich die Mittel für die Aufsichts- und Zugriffskompetenzen, die sich der US-"Weltpolizist" herausnahm, einmal selbst zulegen zu können. Das war die dem Aufbau einer vergemeinschafteten europäischen Wirtschaft zugrunde liegende Absicht. Dieser Konkurrenzwille war den USA selbstverständlich bewusst; wie jedoch ihre jahrzehntelange Duldung, ja Förderung des europäischen Projekts zeigt, waren sie sich aufgrund ihrer Überlegenheit sicher, auch noch über den Fortgang der europäischen Emanzipation die Kontrolle ausüben zu können. Und außerdem förderte die wirtschaftliche Stärke Europas ja auch das Wachstum des Weltmarkts, wovon nicht zuletzt Amerika mit seiner ökonomischen Vormacht profitierte. Und was die Rüstungsanstrengungen ihrer "Partner" betrifft, die ja allemal die NATO, also Amerikas Vorherrschaft in Europa, stärkten, hatten die sich an den strategischen Vorgaben der USA auszurichten. Das europäische Einigungswerk unterstand somit immer einer amerikanischen Anleitung. Das hat zwar des öfteren zu Verstimmungen geführt. Zugleich aber war für die Westeuropäer die "transatlantische Partnerschaft" als Grundlage des eigenen Projekts schlechterdings unverzichtbar.

Und jetzt haben die USA damit Schluss gemacht! 10 Jahre nach dem Ende der Sowjetunion und immer offener zu Tage tretenden unterschiedlichen Interessen bei der imperialistischen Aufteilung der Welt haben die USA mit ihrer Strategie des globalen, unbegrenzten und präventiven "Krieges gegen den Terrorismus" die NATO gründlich entwertet. Wenn sie nämlich ausdrücklich erklären, für ihren globalen und andauernden Weltkrieg die NATO nicht zu brauchen; wenn sie erklären, Hilfsdienste der NATO-Partner in Anspruch zu nehmen, sofern sie sie für nützlich halten, sich aber nicht mehr auf die NATO als ein gemeinsames militärisches Planungs- und Entscheidungsorgan stützen zu wollen - "Die Allianz breche auseinander, wenn sie ihrer Verantwortung nicht gerecht werde" stellte etwa der amerikanische Außenminister Powell den Europäern die Rute ins Fenster, sollten sie sich weigern, den Schutz der Türkei inlusive der dort in nicht geringer Zahl stationierten amerikanischen Truppen zu übernehmen; wenn sie sich also allenfalls vorstellen können, die NATO in ein von ihnen zu befehligendes weltweites Überfallkommando umzufunktionieren, dessen Aufgabe einseitig von den USA definiert wird, dann stellen sie damit klar, dass dieses Militärbündnis den für sie früher mal gegebenen strategischen Nutzen verloren hat.

Um zusammenzufassen, seit sich Amerika in seinem "Krieg gegen den Terror" befindet, hat die NATO an Bedeutung verloren, weil die USA diesem Instrument ihrer Weltordnung eine untergeordnete Rolle zuweisen. In ihrer neuen strategischen Sicht hält es die Bush-Administration nicht mehr für notwendig, ihre "Partner", so wie es früher einmal selbstverständlich war, in ihre gewaltsame Aufsicht über die Welt einzubinden, ihren Beitrag zu dieser Aufsicht abzurufen und sich darauf zu stützen. Das europäische Projekt, das sich die weltbeherrschende Stellung der USA nicht bloß zum Vorbild genommen hat, sondern durchaus weltpolitisch damit konkurrieren wollte, wird dadurch in seine Schranken verwiesen. Die im Ost-West-Konflikt gegen das sowjetische Lager gerade auch im amerikanischen Interesse mitbestimmungsberechtigten Verbündeten werden jetzt auf den Status von Befehlsempfängern herabgestuft: Ziele und Mittel der kriegerischen Vorhaben bestimmt Amerika und eine Konsultation darüber, jedenfalls eine, die diesen Namen verdient, findet nicht mehr statt. Welche Konsequenzen ergeben sich aus diesem geänderten amerikanischen Standpunkt für die europäischen Verbündeten der USA?

Europa leidet an der amerikanischen Übermacht

Mit einer Zollunion, mit dem EU-Binnenmarkt und schließlich mit dem Euro haben die Mitgliedsländer der EU es zweifelsohne zu einer großen ökonomischen Macht gebracht. Diese Macht hat die europäischen Grenzen schon längst überschritten. Die EU pflegt gedeihliche Wirtschaftsbeziehungen mit so gut wie allen Staaten der Welt. Sie profitiert also im großen Stil von auswärts geschaffenem Reichtum und dort geförderten Rohstoffen. Umgekehrt können die Mitgliedsstaaten der EU der außereuropäischen Staatenwelt aufgrund der durch diese Beziehungen geschaffenen Abhängigkeiten von der EU Erpressungen aller Art auferlegen. Jetzt aber demonstriert ihnen die amerikanische Kriegsstrategie, dass die EU-Staaten zu einer selbständigen Absicherung ihres ökonomischen und politischen Einflusses nur äußerst begrenzt imstande sind. Nach wie vor fußt ihre weltstrategische Bedeutung - der Bestand ihrer ökonomischen und politischen Einflusssphären - auf ihrer Mitgliedschaft in der NATO und hängt damit von der Weltordnung ab, die vom Gewaltpotenzial der alleinigen Supermacht USA gewährleistet wird. Mit ihrem "Krieg gegen den Terrorismus" streben die USA eine neue Weltordnung an und springen dabei rücksichtslos mit allen eingefahrenen Beziehungen zu verbündeten Staaten und mit den inneren Verhältnissen von bislang als "befreundet" geltenden Nationen um.

Diese neue Weltordnung, der Kampf gegen "unamerican activities", denen die USA in jeder Weltgegend nachspüren, kümmert sich nicht um gedeihliche Geschäftsbeziehungen, auf die Europa baute und mit denen es plante. Ganz im Gegenteil destabilisiert bzw. ruiniert dieser Kampf dauerhaft jede Menge Geschäftsgelegenheiten. Wenn die USA z.B. einen der wichtigsten Grundstoffe kapitalistischer Produktion wie das Öl von ihrem neuen Standpunkt strategisch ins Auge fassen, dann fällt ihnen auf, dass mit den Einnahmen aus den Ölverkäufen ganze Staatsprogramme finanziert werden. Diese Staaten verschaffen sich über das Ölgeschäft Mittel für ihre Vorhaben, die wie im Falle des Irak oder des Iran von den USA als antiamerikanisch eingestuft werden. Sie werden beschuldigt, Heimstatt, Ausrüster oder Financiers von Terroristen wie al-Qaida zu sein, und das betrifft neuerdings auch frühere 100%ige Freunde wie Saudi-Arabien. Damit peilen die USA nichts weniger als eine Neuordnung der gesamten Region des Nahen und Mittleren Ostens an. Damit bringen sie jede geschäftliche Planung mit dieser gesamten Weltgegend durcheinander, auch die ihrer europäischen Freunde. Letztere stehen dieser rücksichtslosen Zerschlagung ihrer ökonomischen und politischen Interessen in der Region machtlos gegenüber. Und nicht nur in den Ländern, die die USA schon demnächst mit Krieg überziehen wollen, gehen die Grundlagen für ein erfolgreiches Wirtschaften verloren. Angesichts der Liste von potentiellen Schurkenstaaten und Aufmarschgebieten werden ganze Regionen als Anlage- und Handelssphären kaputt gemacht.

"Die amerikanische Herausforderung" hieß vor etwa 30 Jahren ein Buch, das es zu einiger Bekanntheit brachte. Inhalt: Europa muss Amerika herausfordern, es einholen und schließlich überholen. Tendenz: Das schaffen wir. Die heutige "amerikanische Herausforderung" stellt sich etwas anders dar: Wie kann sich Europa der amerikanischen Herausforderung erwehren, wenn überhaupt. Keinem europäischen Staat fällt es ein, sich den USA einfach zu verweigern, alle bemühen sich vielmehr um Schadensbegrenzung. Die unterschiedlichen Verfahrensweisen, auf die sie dabei verfallen, offenbaren dabei einmal mehr, dass sich die EU eben nicht einig ist, dass sie keine gemeinsame Strategie gegen diese neue "Herausforderung" entwickeln, dass also die innereuropäischen nationalen Gegensätze weiterhin und vielleicht sogar verschärft dem Projekt einer Gemeinsamen Außen- & Sicherheitspolitik (GASP) entgegenstehen:

Abschließend ein paar Worte zur österreichischen Antikriegsbewegung!

Die österreichischen Kritiker des US-amerikanischen Irakfeldzuges veranstalteten unter dem Titel "Stoppt den Krieg gegen den Irak" am 15.Februar eine Demonstration. Im Aufruf der Vorbereitungsgruppe des Austrian Social Forums zu dieser Demonstration heißt es:

"Wir, die europäischen Sozial- und Antikriegsbewegungen kämpfen für soziale Rechte und Gerechtigkeit, für Demokratie und gegen jede Form von Unterdrückung. Wir treten ein für eine Welt der sozialen Gerechtigkeit, der kulturellen Vielfalt, der Freiheit und des gegenseitigen Respekts."

Weil den europäischen Sozial- und Antikriegsbewegungen sicher nicht verborgen geblieben ist, dass auch der amerikanische Präsident unter ähnlichen Titeln seinen Feldzug gegen den internationalen Terrorismus im allgemeinen und gegen den Irak im besonderen führt - "Freiheit ist eine nicht verhandelbare Forderung menschlicher Würde, das Geburtsrecht jedes Menschen in jeder Zivilisation" begründet etwa der amerikanische Präsident in der neuen nationalen Sicherheitsstrategie der Vereinigten Staaten die Notwendigkeit seines weltumspannenden Kriegsprogrammes, um nur ein Beispiel zu nennen -, kann dies nur bedeuten, dass sie den USA diese Ziele nicht glauben wollen. Den USA, so die Behauptung, geht es gar nicht um das Völkerrecht, die Menschenrechte oder die Demokratie, sondern bloß um ihre Interessen, gar um Öl oder dergleichen und um das zu verbergen würden sie diese allgemein anerkannten und allseits hoch geschätzten Werte nur vorschützen und missbrauchen. Ein bisschen entgeht ihnen dabei schon, wieviel Verständnis für machtvolle Einmischung der Weltordnungsmächte sie damit unterschreiben, könnten sie nur an die verkündeten Ziele "Entwaffnung des Irren in Bagdad", "Sicherheit" und "Menschenrechte" als Ziele glauben.

Dabei drängt sich doch eine Frage in jedem Fall zwingend auf. Woher wissen denn die europäische Sozial- und Antikriegsbewegungen, dass Demokratie, Freiheit und Menschenrechte eigentlich was ganz anderes sind, als das was an Weltpolitik seitens der NATO derzeit zu beobachten ist? Eine nüchterne Betrachtung der unzähligen Kriege allein der letzten 50 Jahre, gibt als Unterstützung für diese Behauptung jedenfalls nichts her. Ihr Behauptung verdankt sich nur einem, sie wollen diese von ihnen selbst so hoch geschätzten und in Werte verwandleten Anspruchstitel der Politik nicht durch das zu erwartende Gemetzel im Irak in den Schmutz gezogen sehen.

Damit entgeht ihnen, was freiheitliche Staaten meinen, wenn sie andere Staaten wie den Irak moralisch verurteilen – als Unrechtsregime, Menschen- und Völkerrechtsverletzer, als Tyrannei. Mit solchen Verurteilungen drückt ein Staatsmann wie Bush aus, wie wenig ein Staat wie der Irak in die von ihm beherrschte Weltordnung passt, die die ehrenwerten Titel "Demokratie, Völkerrecht, Menschenrechte" ausschließlich für sich reklamiert – dass ein Staat in dieser Weltordnung also kein Existenzrecht hat und ausgemerzt werden muss. Und sich selbst spricht ein Bush das Recht, ja die Pflicht zu, dieses Urteil zu vollstrecken. Es ist ein Fehler, Staaten an solchen Titeln messen und sie daran blamieren zu wollen – schließlich handelt es sich dabei um ihre eigenen Titel, um die Werte und Prinzipien, unter die sie ihre Herrschaft stellen bzw. nach denen diese Herrschaft verfährt. Wenn also ein Bush so fundamentalistisch wird und seinen Weltordnungsanspruch als Gebot höchster Sittlichkeit darstellt, dann sollte man das als die Drohung ernst nehmen, als die sie gemeint ist – nämlich als die Ansage von Regimewechsel und Krieg. Lächerlich dagegen der Vorwurf an die Supermacht des demokratischen Imperialismus, ihr Präsident würde sich nicht an seine eigenen Prinzipien halten.