GEGENARGUMENTE

Die Flutkatastrophe in Südostasien - Anmerkungen zu einer Jahrhundertkatastrophe

 

Wir wollen in unserer heutigen Sendung der „größten Hilfsaktion aller Zeiten“ und dem österreichischen Beitrag dazu auf den Grund gehen und im zweiten Teil erklären, was Wiederaufbau ist und wem er zu gute kommt.

 

Wenn Staaten helfen

 

Ende vorigen Jahres löste ein Erdbeben in den Tiefen des Indischen Ozeans eine Flutwelle mit verheerenden Folgen im ganzen Umkreis aus. Hunderttausende Tote und Verletzte, ein Vielfaches an obdachlos gewordenen und ihrer bescheidenen Existenz beraubten Menschen. Weltweit stellen sich Staatsmänner und Staatsfrauen mit ernstem Gesicht vor die Mikrofone, sind erschüttert und rufen angesichts der „tragischen Auswirkungen“ von „Naturgewalten“ zur Hilfe auf.

 

Geld ist erst einmal reichlich da. Japan hat rasch 500 Mio. Dollar zur Hand, Deutschland zieht – Krise hin, Haushaltsnöte her – mit 500 Mio. Euro nach, Amerika bessert sein als knauserig bezeichnetes Anfangsgebot von 15 Mill. Dollar schnell auf, überhaupt versprechen alle so genannten „reichen Staaten“ immer höhere Summen. „Plötzlich wurde die Phase der Knauserei von einem Wettlauf um die höchste Geldzusage abgelöst“, kann man dazu im Magazin Profil in seiner Ausgabe vom 10.Jänner 2005 lesen.

 

Schon dieser Wettlauf des Helfens macht deutlich, dass es um Hilfe im Wortsinn, um ein Handeln nach Maßgabe der Bedürfnisse und Notwendigkeiten der dortigen Staaten und ihrer Bevölkerungen, nicht geht. Zu diesem Eindruck passt, dass alles was an „Hilfe“ auf den Weg kommt, als nationale Anstrengung organisiert wird - jeder Staat führt vor, was bei ihm alles zustande kommt. Dass das Geld im Sinne des „eine Welt“ Gemeinschaftswerkes in einen Topf zusammengeworfen wird und ohne Hinweis auf den Herkunftsort bei den Opfern ankommt, dass ein Krisenstab, in dem die Nationalität keine Rolle spielt, über diesen Topf ausschließlich nach Maßgabe eines möglichst effizienten Kampfes gegen die Katastrophenfolgen kommandiert – das kommt nicht in Frage. Im Gegenteil, alle Staaten verweisen sehr nachdrücklich darauf, was jeweils gerade sie leisten. Mit dem Geld werden unsere Hilfsorganisationen und unser Militär ausstaffiert und in Bewegung gesetzt. Diese „Hilfe vor Ort“ wird ausführlich abgefilmt und gewürdigt. Es ist nicht zu übersehen, dass es den maßgeblichen Helfernationen - allen voran Deutschland - schwer darauf ankommt, Eindruck zu machen.

 

Als erstes soll die Welt mitkriegen, was für eine machtvolle Nation, die „Hilfe“ in diesem Ausmaß überhaupt bloß aufbieten kann, „vor Ort“ aufkreuzt. Öffentlichkeitswirksam weist etwa der deutsche Kanzler darauf hin, dass diesmal die „Spendenbereitschaft“ der Deutschen im internationalen Vergleich Spitze ist –„darauf können wir stolz sein“, lässt er seine Landsleute wissen.

 

Diese so hilfsmäßig auftretende Macht will aber zweitens auch auf die betroffenen Staaten Eindruck machen, denen sehr aufdringlich vor Augen geführt wird, dass sie doch wohl zur „Bewältigung der Katastrophe“ der auswärtigen „Hilfebedürfen, dass die Katastrophe also – und das ist für die „Helferstaaten“ das Interessante und nicht das „menschliche Leid“ – sie geschwächt hat. In diesem aufdringlichen Angebot steckt zugleich ein Anspruch, ein Anspruch der sich gegen diese Staaten richtet – die Reaktion Indiens, Myanmars, teilweise auch Indonesiens, die die „Hilfe“ nicht oder nur mit Vorbehalt zulassen wollten bzw. ihr Steine in den Weg legen, ist ein Beleg dafür. Die so genannten „Verweigerer“-staaten unterscheiden sich zwar in den nationalen Ansprüchen, die sie ihrerseits verfolgen, gemeinsam ist ihnen, dass sie in der „Hilfe“ eine – zumindest drohende – Beschädigung ihrer Ansprüche sehen:

 

·         Indien verfolgt den Anspruch, sich als regionale Vormacht aufzubauen, darin will es respektiert werden, will sich also in seiner nationalen Kalkulation nicht durch die Annahme des „Hilfs“-angebotes wieder in den Status der relativen Ohnmacht zurückversetzen lassen;

·         Myanmar ist seit Jahren dem Vorwurf der unrechtmäßigen Herrschaft ausgesetzt und weiß, dass es sich mit der Hereinnahme von „Hilfe“ verstärkt die Vorhaltungen hereinholen würde, die die „Helferstaaten“ schon länger auf Lager haben;

·         für Indonesien ist die Bekämpfung des Separatismus in Aceh mindestens so wichtig wie die „Bewältigung der Katastrophe“, weswegen es den „Helfern“ das von denen beanspruchte freie Herumfuhrwerken so einfach nicht gestatten will (wobei es wohlweislich Abstufungen macht und den großen USA nicht in die Quere kommt), da das den Kampf gegen die Separatisten stören, diesen gar nützen könnte.

 

Diese Staaten schlagen die nützliche Seite der „Hilfe“ – tatsächlich kann mit ihr auch unmittelbare Not behoben werden kann – aus bzw. lassen sie nur partiell zu, weil sie davon ausgehen, dass sie damit ein Stück fremden Kommandos ins Land hinein lassen, wozu auch die Ansage der „Helferstaaten“ passt, sich mit ihren Hilfsorganisationen, aber nicht nur mit denen, zum Teil sogar mit Militär, auf längere Zeit dort etablieren zu wollen. Wie das konkret aussieht und welches Ausmaß es annimmt, ist zwar (noch) nicht recht bestimmbar ist, es droht auf jeden Fall aber eine auswärtige Mitbestimmung über den Gebrauch der eigenen Staatsmacht.

 

Österreich - Die Leiden einer kleinen Nation mit „großem Herzen“!

 

Immer wenn die humanitäre Situation in irgendeiner Weltgegend von den maßgeblichen Staaten für bedenklich erklärt und Hilfe auf die Tagesordnung der Weltpolitik gesetzt wird, dann war und ist auch Österreich dabei. Geld für die Opfer der Flut wird gesammelt, Bund, Länder und Gemeinden sind in Sachen Hilfe aktiv. Dass das Geld, das in Österreich gesammelt bzw. von der österreichischen Regierung für die von der Flutkatastrophe betroffenen Gebiete zur Verfügung gestellt wurde, mit Geldern anderer Nationen in einen Topf zusammengeworfen wird, dass ein Krisenstab, in dem die Nationalität keine Rolle spielt, weil es um Hilfe und um sonst nichts geht, über diesen Topf ausschließlich nach Maßgabe eines möglichst effizienten Kampfes gegen die Katastrophenfolgen kommandiert – das kommt auch für Österreich keinesfalls in Frage:

 

Österreich hat bei der UNO-Geberkonferenz für die von der Flutkatastrophe betroffene Region in Südasien keinen Beitrag der Soforthilfe geleistet. “Wir haben kein Geld für die UNO auf den Tisch gelegt”, sagte die Sprecherin des Außenministeriums, Astrid Harz, am Mittwoch. Österreich habe “einen anderen Ansatz” gewählt und setze auf bilaterale Projekte, “die als österreichisch identifizierbar sind”, aber trotzdem mit der UNO abgestimmt werden sollen. Sie verwies darauf, dass Österreich für die kommenden drei Jahre einen “Kostenrahmen bis 50 Millionen Euro” für bilaterale Hilfsprojekte beschlossen habe.“(Standard vom 14.Jänner 2005)

 

Jede Hütte, jede Schule, jedes Stück Eisenbahn oder Straße, die möglicherweise in Sri Lanka, Thailand oder Indonesien, mit österreichischem Geld zustande kommen wird, soll nicht einfach bloß den Leuten dort ein Dach über dem Kopf verschaffen, wieder ein Stück Ausbildung der Kindern ermöglichen oder die für ein irgendwie geartetes Wirtschaften erforderliche Infrastruktur wieder in den trostlosen Stand versetzen, in dem sie vorher war. Jeder solche Beitrag soll vielmehr sicherstellen, dass mit ihm für jedermann sichtbar Österreich in dieser Weltgegend präsent ist und das auf Dauer. Einfach in die UNO-Töpfe einzahlen und damit bloß einer von vielen und noch nicht einmal einer der bestimmenden Staaten zu sein, kommt keinesfalls in Frage.

 

Noch so viele Projekte mit dem Ursprungskennzeichen Österreich können aber nichts daran ändern, dass der Nutzen für Österreich beschränkt bleiben wird, solange es auf sich alleine gestellt ist. Genau aus dieser Problemlage heraus hat Österreich die 1995 schließlich erreichte EU-Mitgliedschaft betrieben. Von dieser hat es sich erhofft, mehr auf der Welt herzumachen als es aufgrund seiner eigenen Mittel - also auf sich allein gestellt - in der Lage wäre durchzusetzen. Bei der Besichtigung der EU in Hinblick ihrer Tauglichkeit in der Frage der Tsunami-Katastrophe für Österreich, stellt sich aber Unzufriedenheit ein. In den Salzburger Nachrichten vom 8.1.2005 kann man dazu folgendes lesen:

 

Europa kann sich im Konzert der internationalen Hilfsbereitschaft also durchaus sehen lassen. Doch es wird nicht wahrgenommen. … Europa hingegen verfing sich im Dickicht lobenswerter Einzelinitiativen seiner Mitgliedsstaaten. … Von einem für alle Welt erkennbaren gemeinsamen Auftritt war nicht viel zu spüren. Muss es auch nicht, wenn man davon ausgeht, dass humanitäre Hilfe kein Mascherl trägt und es in erster Linie darum geht, dass überhaupt geholfen wird, egal unter welchem Namen dies geschieht. … Will die EU jedoch, wie sie selbst sagt, nicht nur wirtschaftlich, sondern auch politisch als "Global Player" agieren und entsprechend ernst genommen werden, dann muss sie in solchen Krisensituationen geschlossener auftreten. Doch dazu fehlen nicht nur der Wille zur Gemeinsamkeit sondern auch die operativen Instrumente.“(Salzburger Nachrichten, 8.1.2005)

 

Ob die Staaten, die sich an der Bewältigung der Katastrophenfolgen in Form von Einzelinitiativen beteiligt haben, ihr eigenes Vorgehen als mangelhaft charakterisieren würden, wie der Schreiber der Salzburger Nachrichten meint, ist sehr die Frage. Insbesondere wo doch sogar er ihnen bescheinigen muss, mit ihren Hilfsleistungen recht viel hergemacht zu haben. Sie waren halt in eigener Sache unterwegs und nicht als Europa. Für die Opfer der Flutwelle macht das Markenzeichen, unter dem Hilfe geleistet wird, sowieso keinen Unterschied. Für die zählt einzig, was an Hilfsleistungen bei ihnen ankommt. Einen Unterschied ums Ganze macht es aber für Österreich. Wie soll Österreich bei seinem Versuch, die geleistete Hilfe für sich nutzbar zu machen, von einer EU profitieren, in der alle entscheidenden Staaten bloß im eigenen Namen unterwegs sind. Nur wenn auf der Hilfe der EU-Staaten auch EU draufsteht, kann auch für Österreich ein Körnchen abfallen. Der österreichische Bundeskanzler fordert deshalb, dass sich am Zustand der EU in Sachen Hilfe grundsätzlich was ändern muss:

 

Angesichts der Flutkatastrophe in Südostasien fordert Kanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP) eine EU-Eingreiftruppe für Krisenfälle und zur Friedenssicherung. Bis zu 20.000 Soldaten sollen auf Knopfdruck bereit stehen, erklärte Schüssel am Sonntag in der ZiB um 13.00 Uhr Auch Österreich werde daran aktiv teilnehmen..”(wienweb.at am 02.01.05)

 

Ob Österreich mit diesem Vorschlag durchkommt, hängt schon wieder nicht von Österreich ab, sondern ein weiteres Mal ausgerechnet von den Staaten, die schon bisher in Sachen Südostasien auf Einzelstaat gemacht haben! Bleibt also bis auf weiteres nur eines, die Angebote zu suchen und wahrzunehmen, die abfallen. So gefällt Schüssel fürs erste schon einmal der Vorschlag seines deutschen Amtskollegen recht gut, „für gewisse Regionen eine Patenschaft zu übernehmen.”(wienweb.at am 02.01.05) Schüssel erkennt im Schröderschen Vorschlag, Industrieländer sollten Patenschaften für bestimmte Regionen übernehmen, die Gelegenheit, die im Zuge der Fluthilfe aufgebauten bilateralen Beziehungen zu den dortigen Staaten in ein von den anderen EU-Partnern anerkanntes Stück Zuständigkeit Österreichs für wenigstens ein Fleckchen Südostasien zu verwandeln.

 

Das stärkt dann gleich auch wieder Österreichs Position gegenüber den dortigen Ländern - die Begeisterung etwa Sri Lankas darüber, dass selbst ein Staat wie Österreich meint, sich in seinen Krieg gegen die Rebellen einmischen zu müssen, ist sicher enden wollend. Mit der EU im Rücken wäre Österreich aber eben auch für die dortigen Staaten nicht mehr bloß das kleine Land mit den begrenzten Möglichkeiten sondern Botschafter eines der mächtigsten Staatenbündnisse der Welt.

 

Nach der Katastrophe wird wieder aufgebaut - Wie die Führungsmächte des demokratischen Imperialismus die für ihre Interessen passenden Zustände wieder herstellen.

 

Schon am ersten Tag der Flutkatastrophe steht fest: Die wirkliche, die große „Herausforderung“ ist der „Wiederaufbau“ der zerstörten Gebiete. Fragt sich, was unter „Wiederaufbau“ zu verstehen ist und wem der zugute kommen soll.

 

Was wird „den Menschen“ in Indonesien, Thailand und Sri Lanka damit eigentlich versprochen? Dass das, was die Flut an Zerstörung angerichtet hat, so weit rückgängig gemacht wird, dass ein Leben in diesen Gebieten wieder möglich wird. Zugleich wird ihnen mitgeteilt: Das wird viele Jahre dauern. Das kann nicht daran liegen, dass die Hütten – die die Flut so rasend schnell wegschwemmen konnte – so schwer wiederaufzubauen wären oder so hohe Werte repräsentieren würden. Das Leben dieser Leute, die nun bei ihrer Verwandtschaft untergekommen sind oder in Lagern sitzen, war erbärmlich genug, aber es wird ja nicht einmal versprochen, dass wenigstens die alten Elendsumstände wieder eingerichtet werden. Vielmehr lässt man ihnen ein paar Hilfsmittel – etwas zu essen, eine Wasseraufbereitungsanlage, ein paar Baumaterialien – zukommen, so dass sie – wenn alles gut geht – ihren alten Lebenskampf wieder aufnehmen und sich – wenn sie den „Mut nicht verlieren“ – dieselbe Armut wie zuvor erarbeiten können. Es wird ja gar nicht daran gedacht, dass die „Hilfe“ an diesen Lebensumständen irgendetwas ändern könnte, vielmehr können sich die Betroffenen glücklich schätzen, wenn sie überhaupt welche haben. „Hilfe zur Selbsthilfe“ nennt man das heutzutage – und der Präsident der Weltbank ruft den „Hilfebedürftigen“ wie zum Hohn zu, sie sollten doch nicht gleich wieder „die alten Slums als Slums aufbauen“.

 

Diesem „Wiederaufbau“ steht der gegenüber, auf den es wirklich ankommt. Der konzentriert sich auf das, was die betroffenen Nationen für die internationale Geschäftswelt interessant macht – und das ist bezeichnenderweise vor allem der Wiederaufbau der beschädigten oder zerstörten Hotels und anderer touristischer Einrichtungen. An denen wird, im Unterschied zu den einheimischen Fischern, Bauern oder Kleinhandwerkern, Geld verdient – diese Verdienstquelle der TUIs und Neckermanns muss möglichst schnell wiederhergestellt werden. Dieser Wiederaufbau ist wiederum für sich eine Verdienstquelle, für die sich internationale Baukonzerne interessieren und um die sie konkurrieren – und es fällt wohl auch für den einen oder anderen lokalen Kleinunternehmer etwas ab. Wie auch für sonstiges „heimisches Personal“, das dann die Touristen bedienen darf und deswegen inmitten der ansonsten gültigen Lebensumstände zu den „Privilegierten“ zählt. An ihrem „Privileg“ wird umgekehrt noch einmal klar, was das für die übrige Bevölkerung bedeutet: Eine nach kapitalistischen Maßstäben nützliche Verwendung gibt es für sie nicht, also gibt es für sie eben nur ihr elendes Leben und mehr nicht. Wobei sie sich davor hüten müssen, dem laufenden Geschäft in die Quere zu kommen. Das wird einem nämlich nebenbei auch noch mitgeteilt am Beispiel Exxon Mobil: Dem Geschäft dieses US-Konzerns, der Erdgasförderung in Aceh, konnte die Flut nichts anhaben; die größere Gefahr, derer er sich erwehrt, ist die um seine Förderstätten herum wohnende Bevölkerung, worunter sich auch Rebellen befinden, die er mit eigenen „Sicherheitskräften“ terrorisiert. Dabei wird er durch die indonesische Armee unterstützt: Die will auf Aceh die zentrale Staatsgewalt durchsetzen und bringt dafür zu Tausenden Leute um, die sie für „Separatisten“ hält. Die auszumerzen, ist ihr bislang nicht gelungen, aber immerhin sorgt ihr Terror dafür, dass der dort unter der Erde liegende Reichtum sicher abtransportiert werden kann – Thailand und Sri Lanka bieten den Tourismus an, Indonesien seine Rohstoffe! Solche Nationen stehen und fallen offensichtlich damit, ob und inwiefern sie auswärtiges Geschäftsinteresse bedienen – nur so kann etwas für sie abfallen. Und ihre großen Menschenmassen können vom Glück reden, wenn sie dafür „bloß“ unnütz sind und nicht als störendes Hindernis aus dem Weg geräumt werden.

 

Die Geschäfte, die mit der Katastrophe zu machen sind, liegen den „Helferstaaten“ durchaus am Herzen. Aber sie überlassen sie ihren Geschäftsleuten, die sie dabei politisch unterstützen. So machen sich z.B. der deutsche Kanzler und seine „Entwicklungshilfe“-Ministerin Wieczorek-Zeul dafür stark, dass „deutsche Technik“ an vorderster Front bei der Einrichtung eines jetzt für den Indischen Ozean geplanten ‚Frühwarnsystems’ zum Zuge kommt. Die staatliche Intention bei „Hilfe“ und „Wiederaufbau“ geht darüber jedoch hinaus. Schröder will mit den von Deutschland aufgebrachten 500 Mio. Euro „nicht kürzer als drei, aber auch nicht länger als fünf Jahre“ in der Region präsent sein. Er tut dabei so, als würde ihn die Höhe der Summe auf dieses „längerfristige Engagement“ verpflichten, – vor allem aber meldet er ein Recht auf maßgebliche deutsche Beteiligung an. Ein Recht, das weder für die betroffenen Staaten selbstverständlich ist, noch sich so ohne weiteres mit den Rechten verträgt, die andere Staaten, die dort ebenfalls auftreten wollen, für sich reklamieren.

 

Wie sehr sich da konkurrierende Ansprüche ins Gehege kommen, zeigte die Reaktion Deutschlands bzw. Europas auf den sofort vorgetragenen Anspruch der USA, zusammen mit Japan, Australien und Indien in einer „Kerngruppe“ für die „Krisenbewältigung“ und für die Koordination vor Ort zuständig zu sein: Dieser Anspruch wurde ziemlich vehement zurückgewiesen. Mit der sachlichen Bewältigung einer Notlage kann das nichts zu tun haben, denn so machtvolle Staaten wie die der „Kerngruppe“ können mit Geräten, Logistik und Finanzen sicherlich einiges auf die Beine stellen – wer hatte denn als erstes seinen Flugzeugträger samt Hubschraubern da! – und auch anderen "Helfern" eine nützliche Aufgabe zuweisen. Zurückgewiesen wurde dieser Anspruch aber, weil darin Deutschland und Europa den Ausschluss ihrer Zuständigkeit erkannt haben und nicht hinnehmen wollten. Um so mehr, als sich die Katastrophe in einer – wie gerade mit der „Kerngruppe“ vorgeführt – US-dominierten Weltregion ereignete, was die Gelegenheit eröffnete, sich als Alternative zu präsentieren. Und zwar nicht nur als ein Staatenbund, der den kapitalistischen Wiederaufbau allemal zu erledigen versteht, sondern als ein imperialistisches Lager, auf das sich die betroffenen Staaten – neu – orientieren können.

 

Verglichen mit der militärischen Präsenz und dem politischen Einfluss der USA ist der Einsatz von Hilfsorganisationen und Spendengeldern zweitrangig. Das Auftreten des deutschen Kanzlers zeigt jedoch: Von dieser „Hilfe“ verspricht er sich eine Verstärkung seines Einflusses auf die Staaten der Region. Besonderen Wert legt er auf die „Partnerschaften“. Für die wirbt er als erstes auf dem Treffen der europäischen Mächte anlässlich der Katastrophe und bekommt die ausdrückliche Zustimmung seiner Kollegen. Damit ist das in den Rang eines europäischen Projektes erhoben. Diese „Partnerschaften“ treten betont „zivil“ auf: Mit 500 Mio. Euro sollen sich deutsche Länder, Gemeinden, sogar Schulen „vor Ort engagieren“ – „nicht kürzer als drei, aber auch nicht länger als fünf Jahre“ – und sie sollen damit den unbändigen Willen Deutschlands zur „Hilfe“ demonstrieren: Hier sitzt unübersehbar ein Stück Deutschland! Die angesprochenen Regierungen in Sri Lanka und Indonesien akzeptieren das: Sie benötigen diese „Hilfe“ dringend und anerkennen dafür Deutschland und mit ihm die EU als eine neu zu bewertende und wichtig zu nehmende Adresse. Sie lassen sich nicht nur diplomatisch auf “einen vertieften Stand der Beziehungen” ein, sondern streben ihn sogar an. Das sind dem deutschen Kanzler die 500 Mio. Euro wert, auch wenn sich Deutschland, und mit ihm auch die EU, damit erst auf einer Ebene bewegt, die deutlich unterhalb militärischer oder außenhandelspolitischer Sonderbeziehungen angesiedelt ist.

 

Einen ideologischen Ertrag kann die EU sofort verbuchen: Solche eher „niedrigschwelligen“ Beziehungen oder auch „zivilen Ansätze“ untermauern den Schein, mit dem sich die EU als Alternative zu den USA ins Spiel bringt: Im Kontrast zu dem „zu eindimensional militärisch“ ausgerichteten Amerika (so Joschka Fischer) lege Europa doch mehr Wert auf „Kooperation“ und „Unterstützung lokaler Politikansätze“. Gegen die „vorschnellen militärischen Lösungen“ des Haudraufs Amerika setze es mehr auf „politische Vermittlung“ und „friedliche Lösungen“. In ihrer Rolle als Vorzeigeprojekt einer europäischen Alternative erschöpft sich die Funktion der „Hilfe“ bzw. der diversen damit beauftragten Hilfsorganisationen jedoch nicht: Von den damit bedachten Regierungen kann man nun auch erwarten, dass sich dieses Stück Europa auch während des ins Auge gefassten Zeitraums fest etablieren und frei seiner Tätigkeit nachgehen kann. Im Falle Indonesiens hat sich schnell herausgestellt, dass damit auch eine gewisse Zumutung für die dortige Regierung verbunden ist, nämlich der Anspruch, auf die „Helfer“ und das Interesse, das sie verkörpern, Rücksicht zu nehmen. Indonesien will nicht davon ablassen, den Kampf gegen den "Terrorismus" in Aceh als seine erste Priorität zu behandeln, weswegen es die Hilfstrupps auf von der Armee kontrollierte Gebiete beschränkt. Entsprechende Reaktionen der „Helferstaaten“ haben nicht lange auf sich warten lassen: Die USA lassen sich eine Beaufsichtigung oder Beschränkung durchs indonesische Militär einfach nicht gefallen; Deutschland – dessen Außenminister die Katastrophe zum Anlass nahm, einen „Versöhnungsprozess“ anzumahnen und der indonesischen Regierung eigene „Initiativen“ in Aussicht zu stellen – beschwert sich über "Kurzsichtigkeit" und verlangt, mehr auf die Bedürfnisse der „Helfer vor Ort“ einzugehen.

 

Das Beispiel macht freilich gleichzeitig klar, auf wen die indonesische Regierung mehr und auf wen sie weniger hört, wie sehr die europäische imperialistische Alternative von der amerikanischen Macht noch in den Schatten gestellt wird. Aber eben dafür haben „wir“ – Europäer - ja unsere „Helfer vor Ort“: Um den Staaten Südostasiens bei ihrem Lernprozess zu helfen, mit einer solchen Ungleichbehandlung auswärtiger Interessen Schluss zu machen...