GEGENARGUMENTE

Ausländerpolitik

Die immer seltener werdenden kritischen Behauptungen vor allem von linker Seite, es gäbe im Grunde gar kein Ausländerproblem, es handle sich nämlich um Vorurteile, Fehlinformationen, um irgendwie geerbte Relikte aus der NS-Vergangenheit, die sind sicher gut gemeint. Material dafür sind die längst nur mehr wohlwollend von Politik und Öffentlichkeit zitierten ausländerfeindlichen Vorwürfe, die tatsächliche oder erfundene Belästigungen aus dem Bereich des Alltags und des Privatlebens anführen, um die Unerträglichkeit von Fremden zu bebildern. Diese Geschichten unterstellen in der Tat den Ausländerhaß, sie setzen ihn voraus, und begründen ihn nicht. Wenn eine Diskussionsrunde übereinstimmt, daß es ein Problem ist, wenn in einer Schulklasse mehrheitlich Kinder von Ausländern sitzen – und keiner der Diskutanten macht auch nur ansatzweise den Versuch, zu erklären, wer von dieser Tatsache einen Schaden hat und worin der besteht –, dann ist das "Ausländerproblem" eben als Normalität anerkannt. Sofern Schulkinder nicht gut deutsch sprechen, sollten sie es natürlich lernen; einfach weil es für alle Beteiligten höchst unpraktisch ist, wenn Leute in einer Sprache unterrichtet werden, die sie nicht verstehen, aber damit hat es sich auch schon. Und wenn Kinder mangels Sprachkenntnissen einem Unterricht gar nicht folgen können, dann spricht das natürlich gegen die Schule, in der so etwas stattfindet, aber gegen sonst nichts; und wenn dergleichen dennoch passiert, denn hat die Schule wegen ihrer Funktion der Auslese, wegen der beabsichtigten Aufteilung des Nachwuchses zwischen die Pole "Elite" und "Analphabetismus" kein großes Problem damit. Sicher, Ausländer im Park oder in der Straßenbahn sind unerträglich, aber eben nur für Fanatiker – und andere Leute interessieren sich ohnehin nicht für die Nationalität von Parkbesuchern und Fahrgästen. Dennoch ist das Ausländerproblem keine Art Hirngespinst, mit dem sich leider Politik machen läßt. Vor einer vorschnellen Parteinahme in diesem Streit ist dringend abzuraten. Es empfiehlt sich, zurückzutreten und die Sache selbst einmal zu analysieren.

Der Konsens der Demokraten in der Ausländerfrage

Jede Ausländerpolitik ist per se ausländerkritisch. Das liegt am fundamentalen Unterschied zwischen Österreichern und Ausländern. Die Inländer betrachtet jeder Staat als seine angestammte Manövriermasse, die exklusiv dem nationalen Recht und sonst keinem unterworfen ist. Die Glücklichen werden in der Regel anläßlich der Geburt eingemeindet, amtlich erfaßt bis zum Ableben, und in der Zwischenzeit für alles in die Pflicht genommen, was gerade nationale Sache ist, von Arbeit und Arbeitslosigkeit über Budgetkonsolidierungen und Pensionsreformen bis zum Wehrdienst. Ausländer betrachtet und anerkennt der Staat hingegen als Zuständigkeitsbereich einer anderen Souveränität, zumindest soweit er mit der rechtsförmlichen Anerkennung des anderen Souveräns auch dessen Besitzanspruch bezüglich der ausländischen Bürger respektiert. (Das muß nicht automatisch der Fall sein. Die Nicht-Anerkennung der DDR von Seiten der Westdeutschlands hat immer impliziert, deren Bürger automatisch als Angehörige der Bundesrepublik zu vereinnahmen.) Üblicherweise allerdings weiß der Staat die Ausländer einer anderen höchsten Gewalt unterworfen und verpflichtet, und er respektiert, daß sie z.B. für den Militärdienst nicht zur Verfügung stehen, daß er den "Gästen" nicht wie den eigenen Bürgern unter Umständen auch das Sterben für die Nation zumuten kann. Insofern sind Ausländer nur bedingt brauchbar, sie stehen, verglichen mit Inländern, nur eingeschränkt zur staatlichen Verfügung. Außerdem begründen Sie ein Recht ihres Heimatlandes zur Einmischung; zumindest betrachtet jeder Staat, sobald es ihm gelegen kommt, seine Touristen oder Geschäftsleute im Ausland als lebendige Nationalflaggen, als Rechtstitel seines Interesses auf Intervention, wie zuletzt bei der Evakuierung von Europäern und Amerikanern aus dem Libanon.

Zusätzlich unterstellt jeder Staat den Ausländern das, was er an seinen Inländern als höchste Tugend schätzt: Einen "gesunden" Nationalismus, eine Parteinahme für das – in dem Fall ausländische – Vaterland, die sich gewaschen hat. Insofern sind ihm Ausländer als Quasi-Agenten einer ausländischen Macht von vornherein verdächtig. Der nur eingeschränkte Zugriff auf die Fremden und dieser Verdacht schlagen sich in der passenden Spezialgesetzgebung nieder. Es genügt dem Gesetzgeber nicht, daß Ausländer, sobald sie sein Territorium betreten, ohnehin seinen Gesetzen unterworfen sind, seinen Unterscheidungen des Erlaubten vom Unerlaubten, und seiner Exekutive. Sie haben schon ihre bloße Anwesenheit auf österreichischer Erde vorab zu rechtfertigen, und zwar durch einen unzweifelhaften Beitrag zum nationalen Nutzen, und sie bleiben auch nach der Genehmigung des Aufenthalts einem eigenen Sonderrecht unterworfen, bleiben gegenüber den Einheimischen diskriminiert:

Das sind die ungemütlichen Prinzipien jeder Ausländerpolitik. Darüber herrscht der Konsens der Demokraten. Das österreichische Recht macht Ausländer a priori zu Rechtlosen, zu "Illegalen", und gewährt dann ausnahmsweise unter Auflagen das Zugeständnis, trotzdem in Österreich "aufhältig" zu sein. Der sogenannte Menschenrechtskatalog besteht aus Bürgerrechten, die den jeweiligen Staatsbürgern zukommen, dem großen Rest fürs Erste einmal nicht. Der Mensch, der diese Rechte genießt, ist immer schon als Teil eines Volkskörpers definiert. Inländer betrachtet der Staat jenseits aller Wechselfälle "des Lebens" in der Klassengesellschaft unbedingt als Teile seines Volkes, im Falle eines Gesetzesverstoßes werden sie eingesperrt, bei längerer Arbeitslosigkeit organisiert der Sozialstaat ihren Weg in den sozialen Abstieg. An Ausländern hingegen herrscht ein sehr bedingtes Interesse. Der bloße Aufenthalt, das Arbeiten, das Studieren, das Zusammenleben mit der Familie, die politische Betätigung – alles wird abhängig gemacht von extra einzuholenden, meistens befristeten und jederzeit widerrufbaren Sondergenehmigungen und nur unter Auflagen; kontrolliert wird von einer eigenen (Fremden)Polizei und im Fall von Kriminalität oder Arbeitslosigkeit steht die Erlaubnis zur Anwesenheit in Österreich zur Disposition. Die Figur des sog. "Illegalen" bringt die staatliche Stellung zu unerwünschten Ausländern auf den Punkt. So ein Mensch tut nicht bloß etwas Illegales, er ist insgesamt illegal, er ist zu gar nichts berechtigt; im Inland jedenfalls nicht existenzberechtigt.

Ein Novellierungsbedarf in Fragen der Ausländergesetzgebung war für die Verantwortlichen im Gefolge des großen westlichen weltpolitischen Erfolges namens "Ostöffnung" unabweisbar. Wie der Name sagt, ging es darum, den Ostblock für westliche ökonomische und politische Interessen zu öffnen, und nicht umgekehrt. Zwar wurde die fehlende Reisefreiheit der Ostvölker, die früher von den dortigen Regierungen nur unter restriktiven Auflagen in das ziemlich feindliche West-Ausland gelassen wurden, gern als Ausweis der besonderen Unterdrückung dieser Menschen zitiert – aber kaum durften sie ausreisen, wurde im Westen eine erstaunliche Entdeckung verzeichnet: Wer ausreist, muß auch irgendwo einreisen! Da viele der Reisenden außer dem Drang nach Westen nicht viel zu bieten haben, woran hierzulande Interesse besteht, wurde die Begeisterung über diesen weltpolitischen Erfolg bald um die Sorge vor der neuen Freiheit der Befreiten ergänzt. Ein funktionelles Pendant zum "Eisernen Vorhang", diesem Symbol der Unterdrückung, wurde eingerichtet, indem dieses – früher! – so "menschenverachtende Grenzregime" durch den Einsatz des österreichischen Militärs kompensiert wird. Die aktuellste Nuance des "Ausländerproblems" ist die von allen Parteien propagierte "verstärkte Integration". "Integration" in diesem Sinn ist eine Alternative zum Rausschmiß der Ausländer, und kein Gegensatz dazu. Sie teilt mit dem Proponenten des "Ausländer raus"-Standpunktes die Problemdefinition, gibt ihm recht: Ein völkisch inhomogener Haufen soll sich nicht dauerhaft auf dem Staatsgebiet ansammeln dürfen. Wo der eine folgerichtig auf Ausweisung verfällt: "Ihr als Ausländer dürft nicht bleiben!" – da assistiert der Standpunkt "Integration": "Ihr dürft bleiben, aber nicht als Ausländer!" Integration ist ein freundlicher Ausdruck für Umvolkung. Zu halbechten Österreichern umvolken müssen sie sich schon lassen, damit sie akzeptiert werden.

Asylrecht

Auch das Asylrecht war spätestens mit dem Fall des Ostblocks nicht mehr zeitgemäß. Dieses Recht unterscheidet sich vom sonstigen Grundrechtskatalog dadurch, daß es nicht Einheimischen, sondern genau definierten Ausländern zugestanden wird. Damit wird ein Einwand ausgedrückt, ein Vorbehalt gegen den Gebrauch der Staatsmacht von mißliebigen ausländischen Staaten. In der Gewährung von Asyl für politisch (gesagt sein soll: zu Unrecht) Verfolgte, anstatt ihrer Auslieferung als im Ausland gesuchte Verbrecher, was schließlich auch öfter vorkommt, kritisiert ein Staat einen anderen. Die mit Asyl beglückten Verfolgten sind nichts als das Material dieser Anfeindung. Der Clou des Ganzen liegt darin, daß natürlich das "Asylland" bestimmt, wer zu Recht bzw. zu Unrecht verfolgt wird, und nicht etwa Amnesty International oder die Verfolgten selbst. Staaten beurteilen die Maßnahmen von ihresgleichen zur Erhaltung der inneren Ordnung und Stabilität, und je nachdem, ob es ein befreundeter Staat ist oder nicht, sind militante Oppositionelle einmal "Terroristen", ein andermal auch "Freiheitskämpfer". Es geht also nicht darum, ob und warum Ausländer von ihrer jeweiligen Obrigkeit drangsaliert werden, es geht darum, ob das von einem anderen Staat gebilligt wird oder nicht. Asylgewährung ist ein unfreundlicher Akt gegenüber dem "Verfolgerland", ein Instrument der Diplomatie. Diese Mißbilligung dessen, was ein anderer Staat an innerer Opposition duldet oder nicht, ist das Asylrecht – und nicht eine Hilfe für arme Teufel, wie von Asyl-Idealisten behauptet wird. Ansonsten hätte Erich Honecker seinerzeit in Österreich politisches Asyl erhalten müssen, der ja eindeutig aus politischen Gründen von der BRD verfolgt wurde. Umgekehrt war zur Blütezeit des kalten Krieges jeder Bürger eines Ostblocklandes per definitionem ein politisch Verfolgter, und zwar gleichgültig dagegen, ob er sich oppositionell betätigt hatte oder nicht. Weil die realsozialistische Staatsräson sich dem westlichen Einfluß verschlossen und damit die Welt "geteilt" hatte, war sie ein einziger Anschlag auf Menschenrecht und Menschenwürde, also jeder Ostler ein Asylant. Durch Ausnutzung dieser Masche erlangte Martina Navratilova, Ex-CSSR-Bürgerin und Ex-Nr.1 der Berufs-Tennisspielerinnen, die ihr Lebtag nicht "politisch verfolgt" wurde, auf die Schnelle einen US-amerikanischen Paß. Ivan Lendl, ebenfalls Ex-CSSR und Ex-Nr.1 der Profis, der sich, aus welchen Gründen auch immer, für diesen sachgerechten "Mißbrauch" des Asylrechts nicht hergeben, sondern in die USA regulär einwandern wollte, mußte auf seinen neuen Paß einige Jahre warten – er steuerte nichts zum Feindbild bei. Besonders angenehm war, aus heutiger Sicht, daß die Ostbewohner so "unterdrückt" waren und nicht ausreisen durften – daher konnten sie ihr Asylrecht nicht wahrnehmen, von einigen Repräsentativ-Dissidenten einmal abgesehen. Dadurch konnten sie sich "unser" Wohlwollen nicht durch seine Inanspruchnahme verscherzen.

In den zwei großen Ausnahmesituationen – "Ungarn 1956" und "Tschechoslowakei 1968" – konnte Österreich seine Zugehörigkeit zum Westblock durch die Aufnahme und Weiterleitung der damaligen Flüchtlinge beweisen. Jeder Aufgenommene war der lebendige Beweis für den Unrechtscharakter des Realen Sozialismus, für die Güte des westlichen Systems, und einige potentielle Exilpolitiker bzw. Aspiranten auf Führungspositionen nach einem eventuellen Umsturz waren auch immer dabei. Insofern waren die damaligen Asylanten nützlich. Mit der friedlichen Kapitulation des Ostblocks hat sich die Lage radikal geändert. Zwar sind die Opfer der politischen Gewalt nicht weniger, sondern mehr geworden – wer bei "Nationalitätenkonflikten", bei "ethnischen Säuberungen" und den Staatsgründungskriegen auf dem Balkan unter die Räder kommt, zählt zu denen, die aus politischen Gründen verfolgt werden – aber gerade durch den Abgang des Ostblocks hat sich der Zugriff des Westens gigantisch gesteigert. Das politische "Unrecht", als das der Westen jede Gewalt definiert, die nicht von ihm konzessioniert ist, wird heutzutage gleich per Luftkrieg bekämpft, und nicht mehr bloß in Gestalt von Asylanten angefeindet. Potentiellen Asylanten "hilft" der Westen also heute vor Ort, indem er sie bombardiert, um ihre mißliebige serbische oder auch afghanische oder irakische Herrschaft zu treffen. Der durch Bombenangriffe demokratie-exportierende Menschenrechts-Imperialismus hat das Asylwesen nachhaltig entwertet.

Schon vor der epochalen Veränderung im Osten existierte das Bedürfnis, das Asylrecht vor Mißbrauch durch Nutzung zu schützen, und zwar vor den Opfern der Weltwirtschaftsordnung aus der "Dritten Welt". In Westeuropa gibt es seit Mitte der 80er Jahre, mal intensiver, dann wieder zurückhaltender, ein "Asylantenproblem". Leute, die vor Hunger, Bürgerkrieg und Terror in der Dritten Welt flohen und es sogar schafften, als Asylbewerber geduldet zu werden, ließen Politiker die Frage aufwerfen, ob das Asylrecht denn dafür gedacht gewesen sei. Unter verbalem Respekt vor dem Asylgedanken wurde die Kategorie des "Wirtschaftsflüchtlings" populär. Gemeint sind nicht Leute wie die der neulich verblichene Friedrich Karl Flick oder der Rennfahrer Ralph Schuhmacher, sondern Hungerleider, die womöglich nicht ausschließlich vor der Politik, also den ordnungsstiftenden Maßnahmen vieler prowestlicher Diktatoren, sondern auch vor den Ergebnissen jahrzehntelanger "Entwicklungspolitik" davonzulaufen versuchten – und so war das mit dem Asyl nun einmal ganz und gar nicht gemeint.

Abgeschafft wird das Asylrecht natürlich nicht. Das politische Bedürfnis, über Recht und Unrecht staatlicher Gewaltanwendung im Ausland zu befinden, ist ein bleibendes und im Zuge des fortschreitenden Weltordnens werden sich handverlesene Opfer "politischer Verfolgung" schon noch in Europa einfinden dürfen. Was durch die rechtlichen Adaptierungen geleistet wurde, das ist die Trennung der Moral des Asylrechts vom bisherigen menschlichen Beweismaterial. Als Richtlinie kristallisierte sich eine Definition des echten, wahren Flüchtlings heraus, der selbstredend nach wie vor Asyl genießt: Ein echter, wirklich politisch Verfolgter wird in seiner Heimat von den Machthabern im Kerker gequält. So einer würde sofort aufgenommen werden, wenn er käme, was er nicht kann, weil er politisch verfolgt wird und deswegen im Kerker sitzt. Diejenigen hingegen, die es bis nach Österreich geschafft haben, beweisen sie nicht schon dadurch ihren Status als "Mißbraucher"?

Die Ausländerfeindlichkeit im Volk und ihr Grund

Aus der staatlichen Unterscheidung in "uns" und "die anderen" bezieht das gesunde Volksempfinden die Gewißheit, selber das Hausherrenvolk zu repräsentieren, und auch bei den vom Staat geduldeten Ausländern im Grunde genommen lauter verkappte Illegale vor sich zu haben. Überhaupt Bedürfnisse artikulieren zu dürfen, seine Interessen verfolgen zu dürfen, ein staatlich anerkanntes Rechtssubjekt – ein "Mensch" eben – zu sein, schlicht überhaupt anwesend sein zu dürfen, das gilt diesem subjektiven Nachvollzug der objektiven Rechtslage als Vorrecht der Einheimischen. Ausländer sind Leute, die definitionsgemäß alle ihre Rechte einem fremden Souverän verdanken, und denen insofern im Weltbild eines Patrioten erst einmal gar nichts von den lausigen Freiheiten zusteht, die dem Inländer zuerkannt sind. Was man in der praktischen Nutzung dieses "Vorrechts" erreicht, ob man es "zu etwas bringt" oder eher nicht, ist für diesen fundamentalen Standpunkt primär gleichgültig. Allein die staatliche Sortierung der ganzen Menschheit in In- und Ausländer – und keine atavistischen Neigungen oder seelischen Verwerfungen, auch kein "Erbe der nationalsozialistischen Vergangenheit" – ist der Grund für Ausländerfeindlichkeit. Es geht bei der Ausländerfeindlichkeit weder um "Vorurteile" noch um die "abweichenden" Sitten von Fremden; das wirkliche Thema ist das Verhältnis des anständigen Bürgers zu "seinem" Staat.

Denn wenn ein normaler Mensch mit Ausländern praktisch zu tun bekommt, unterscheiden diese sich in keiner Weise von Inländern. Man trifft die meisten Ausländer erst einmal gar nicht, genau wie die vielen Landsleute, die man auch nicht kennt. Darum sind die Informationen von oben auch so wichtig, das "Ausländerproblem" betreffend. Ein normaler Mensch könnte sonst nie mitbekommen, ob und wann die Fremden zu viele sind, so daß sie seine "Integrationsbereitschaft" überfordern. Im Alltag laufen dem Inländer die vom Staat zugelassenen Fremden als mehr oder weniger lästige Nachbarn, Arbeitskollegen und Vorgesetzte, als Gastwirte und Krankenschwestern, als Konkurrenten am Arbeits- und Wohnungsmarkt, als Zeitungs- und Blumenverkäufer über den Weg. Vom praktischen Umgang her gibt es nicht den geringsten Grund und Anhaltspunkt, sich die fremdenpolizeiliche Unterscheidung zu eigen zu machen und es für wichtig zu erachten, ob jemand, der einem etwa in der U-Bahn auf die Nerven geht, einen österreichischen Paß besitzt oder nicht. Die "ausländerfreundliche" Umkehrung ist übrigens ebenso abstrus – Ausländern mit einem positiven Vorurteil gegenüberzutreten, sie allemal als Bereicherung der Vielfalt der hiesigen "Kultur" und womöglich als persönlichen Gewinn zu würdigen.

Relevant wird die Differenz zu Ausländern – für Patrioten – aus einem anderen Grund. Wichtig wird das nur für Leute, die sich ihre Existenz als Mittel und Material der Politik so nationalistisch zurechtlegen, wie es ihnen von bekannt glaubwürdigen Politikern ständig "erklärt" wird. Nicht als sehr einseitiges, sondern als wechselseitiges "Pflicht- und Treueverhältnis" von Staat und nationaler Gemeinde: Treue Bürger lassen sich vom Staat als Lohnarbeiter, als Steuerzahler und Sozialversicherte, als Schul- und Wehrpflichtige und Arbeitslose einspannen und beklagen sich bestenfalls am Stammtisch und als Pensionisten darüber, daß ihnen das nichts einbringt – und der Staat genügt seiner Sorgepflicht ihnen gegenüber, indem er Bedingungen für die Freiheit seiner Bürger "gestaltet", die vielen von diesen nichts einbringt. Wer die Fiktion von der Republik, die für ihn, den guten Österreicher, ebenso sorgt wie er gezwungenermaßen für sie, wer des unbedingt glauben will, tut sich hart, wenn er von den Oberen hört, daß wegen der Konjunktur oder der Budgetsanierung, wegen der ausländischen Konkurrenz, der Ostöffnung, der Europawährung, der "Globalisierung" usw. – Bei diesen Schuldzuweisungen ist das Ausland bekanntlich immer prominent vertreten! – wieder mal nichts als Probleme und Belastungen auf ihn zukommen. Wer die besagte widersprüchliche Heuchelei – Gerade durch Anspruchslosigkeit und Uneigennützigkeit, durch Opfer- und Verzichtsbereitschaft für die Nation erwirbt sich das Mitglied Ansprüche ihr gegenüber! – wer das dennoch glauben will, für den haben jenseits der vielen Umstände, die "seine" Regierung ständig an angeblich beabsichtigten guten Werken "hindern", die rechten Parteien ein negatives Kriterium für die Güte der Republik Österreich angeboten: Sie ist deutlich sichtbar "für ihn da", insofern sie für Ausländer nicht da ist.

Ausländerhasser, die persönlich beleidigt sind, sobald ihnen ein Fremder begegnet, sehen die eingebildete Treuepflicht "ihres" Staates ihnen gegenüber verletzt, wenn einer, der doch einem anderen Kollektiv gehört und verpflichtet ist, teilweise dasselbe darf wie sie – für fremden Reichtum schuften und so in Österreich "sein Glück versuchen". Der Skandal – vom Standpunkt österreichbewußter Ausländerfeinde – besteht nicht darin, daß Ausländer "anders" sind und womöglich bleiben wollen in Sitten und Gebräuchen, sondern daß sie, obwohl Ausländer, dasselbe dürfen wie die Einheimischen, ohne sich das durch bedingungslose Pflichterfüllung und Treue gegenüber Österreich zu verdienen. Anhänger der Ideologie vom unglaubliche Vorteil, ein treuer Österreicher sein zu dürfen, werden rabiat und verlangen eine gehörige Deklassierung von Ausländern, weil sie den Nationalideologie vom Staat, der doch ihnen speziell verpflichtet sei, geschluckt haben, und in der Gewährung von Rechten an Ausländer ein Unrecht ihnen gegenüber erblicken. Es ist grotesk, daß dergleichen auch noch als Egoismus gilt, wo die fremdenfeindlichen Volksgenossen doch gar keine Forderungen im eigenen Interesse stellen, für sich nichts verlangen und durch die Diskriminierung der "anderen" auch gar nichts gewinnen. Im Ausländerhaß wird die umgekehrte Bereitschaft, sich als Mitläufer dem Staat anzudienen und alles mitzumachen, anspruchsvoll. Und zwar, indem die Freiheit, die großartige Erlaubnis, hierzulande überhaupt irgend etwas wollen zu dürfen, überhaupt als eine Person mit staatlich anerkanntem Willen und anerkannten Interessen herumzulaufen, als Lohn für diese eigene Mitmachermoral interpretiert wird. Ein "Lohn", der Leuten, die einem anderen Staat genauso mit Haut und Haar gehören wie der Inländer dem "seinen", nun einmal nicht gebührt. Ein Lohn, den sich der Inländer durch Selbstlosigkeit und bedingungsloses Mitmachen erwirbt, und der einem Ausländer, dem selbstsüchtige Berechnung im Verhältnis zum "Gastland" vorgeworfen wird – immerhin ist er absichtlich, um seiner Interessen willen aus seiner Heimat weggegangen – nicht zugestanden werden darf. So ist die Freiheit des Bürgers bzw. ein feines Gespür für die Kosten der Freiheit der letzte Grund für den Ausländerhaß: Wer die Kosten dieser Freiheit nicht trägt, hat kein Recht auf sie, er hat hier nichts verloren. Seine Anwesenheit ist Unrecht.

Es ist also nicht die Armut der Armen, es ist das Rechtsbewußtsein und die Moral der Armen, die manche ausländerfeindlich werden läßt. Sog. "Modernisierungsverlierer", die den Schaden aus "Neoliberalismus" und "Globalisierung" tragen, die zum Opfer von "Sozialabbau" und "sozialer Kälte" werden, können dem Rassismus allgemein und der freiheitlichen Überfremdungskampagne speziell viel abgewinnen – das gilt als ausgemachte Sache. Der etablierten Öffentlichkeit geht dieser "Zusammenhang" so bemerkenswert glatt über die Lippen, daß man den Eindruck bekommt, es handle sich weniger um eine Thematisierung dieses Phänomens, und schon mehr um dessen Propagierung. Daß aus Armut überhaupt nichts folgen kann, was irgendwie an die Produktionsweise rührt, was irgendwie noch mit Armut und Reichtum, mit den geltenden Gesichtspunkten des Geldverdienens oder mit Klassenkampf zu tun haben könnte – das ist für diese Öffentlichkeit glasklar, indem sie selbst die ausländerfeindlichen Ressentiments für die "natürliche", die einzig normale Folge von sozialen Problemen hält! Wenn ein Mensch Sorgen hat, woran könnte es auch liegen, wenn nicht an einem noch ungenügenden "nationalen Schulterschluß" gegen alle, die "nicht hierher gehören"?!

So ein Fanatismus kommt den jeweiligen Regierenden gelegen. Das schöne Gefühl, Ausländer zu verachten bzw. komplementär auf die Zugehörigkeit zur eigenen National-Mannschaft "stolz zu sein", das ist ein Lohn, den noch der mickrigste Anhänger der Bewegung "Österreich zuerst" kassieren kann – und das auch noch sofort und ohne jede Budgetbelastung. Es ist bequem, ein ordentlich eingespanntes und beanspruchtes Volk bei Laune zu halten, wenn es alles "einsieht", was ihm die Lage auf dem Arbeits- oder dem "globalisierten" Weltmarkt abverlangt, und das als Pflichterfüllung von Seiten des Staates höchstens noch begehrt, es durch die gezielte Diskriminierung anderer deutlich sichtbar zu "privilegieren". Lästig wird der Fanatismus höchstens, wenn das Volk die Ausländerpolitik bei den Regierenden in schlechten Händen sieht und die rechte Opposition wählt. Dieses Problem sollte man tunlichst den demokratischen Parteien und ihrer "geistigen Auseinandersetzung" überlassen.