GEGENSTANDPUNKT GEGENARGUMENTE

Menschheitskatastrophe Klimawandel (Teil 1/3)

Jeden Tag und auf allen Kanälen: "Vor uns die Sintflut" (FAZ, 25.11.06), "Achtung Weltuntergang – Wege aus der Treibhausfalle" (Spiegel Nr. 45/2006) – und wir alle sind aufgerufen, uns des "drängendsten Umweltproblems unserer Zeit" anzunehmen. Der "Weckruf" dafür ertönte bereits Ende letzten Jahres aus London:

"Kein Ökoromantiker und kein Maschinenstürmer, sondern Sir Nicholas Stern, der frühere Vizepräsident der Weltbank, der Wirtschaftsberater der britischen Regierung, Verfasser einer Studie, die auf Erkenntnissen der besten Klimaforscher beruht, die je an Universitäten ausgebildet wurden" (FAZ 25.11.06)" "hat komplexe physikalische Prozesse in eine Einheit umgerechnet, mit der die Menschen täglich umgehen: Geld. Stern hat dem Schrecken des Klimawandels ein Preisschild aufgeklebt. […] 5,5 Billionen Euro könnte es kosten, wenn die Menschheit weiterhin so gewaltige Mengen von Klimagasen in die Atmosphäre pumpt." (Spiegel, 45/2006)

Wenn nicht ganz schnell was getan wird, ist die Katastrophe unausweichlich. Und wodurch wird sie hervorgerufen? Durch die naturwüchsige Wirkung "eines CO2-bedingten Treibhauseffekts". Um sich vor dem zu fürchten, muss man allerdings einiges ausblenden – nämlich die Geldökonomie der herrschenden Wirtschaftsweise und ihre Sachnotwendigkeiten, die auf dem Erdball das Leben und seine Not diktieren und die schon ganz ohne Klimaerwärmung dafür sorgen, dass ganz Schwarzafrika den Status eines Armenhauses und "leidgeprüften Hungerkontinents" in der globalen Marktwirtschaft nicht los wird. Erst recht erübrigt sich die Nachfrage, ob es nicht einen gewissen Zusammenhang zwischen Kapitalismus und "Menschheitskatastrophe" gibt – schuld sind "wir alle": "Der Mensch hat erstmals selbst an den globalen Thermostaten gedreht und sich damit in Bedrängnis gebracht." (tagesschau.de, Dossier: Klimawandel) Die wirtschaftlichen und politischen Interessen, ihre Subjekte und Kalkulationen kommen erst einmal gar nicht vor, auch wenn es nicht "der Mensch", sondern genau diese Interessen es sind, die z. B. die nationale Energieversorgung mit dem Einsatz reichlich "fossiler" Energieträger betreiben, weil das für sie bislang die konkurrenzlos billige Energiequelle für das Wachstum eines gewinnträchtigen nationalen Wirtschaftsleben ist. Nicht "der Mensch", sondern sie nutzen z. B. ausgiebig die Atmosphäre als eine kostenlose Abgasdeponie für Kohlendioxid und andere ungesunde Emissionen eines kapitalistischen Verbrennungsprozesses. Wenn die Rede von "unserer Art zu wirtschaften" ist, dann bleibt als knallharte Systemanklage nur stehen: "Der industrialisierte Mensch" mit seinem "rücksichtslosen" Verbrauch von Energie, erzeugt aus viel zu "kohlenstoffhaltigen" Energieträgern, sorgt für den verheerenden "anthropogenen Einfluss" auf das Erdklima.

Nachdem das einmal klargestellt ist, kommt die Rede dann doch auf den Kapitalismus – aber wie! Das Publikum ist aufgeschreckt worden und soll sich als nächstes fragen, was das denn jetzt eigentlich bedeutet und was damit wirklich an Bedrohlichem auf es zukommt. Wirklich bedroht ist unsere schöne Wirtschaftsweise, betroffen ist in erster Linie der Kapitalismus, weil der nämlich – von dessen Funktionieren bekanntlich alles abhängt – die ernstesten Schäden hinzunehmen hat. Das fängt beim fehlenden Schnee an. Dass man wegen zu milder Winter nicht mehr Skifahren kann, mag bedauerlich sein, aber wirklich an den Kragen geht es dem Kommerz der Tourismusindustrie, wenn bei "uns" laut OECD-Studie nur noch zwei Wintersportorte übrig bleiben. Das gibt zu denken und ist zudem nur der Anfang. Das weltweite Geschäft leidet ganz gewaltig unter zu heißen Sommern, schmelzenden Gletschern und Meeresübersäuerung! Das ist das Drängende am "drängendsten Umweltproblem unserer Zeit": Klimazerstörung kostet – Geld, viel Geld, und sie kommt "unseren" Volkswirtschaften und ihrem Wachstum in Zukunft teuer zu stehen. Selbstverständlich dann auch für die, die als "unselbständig Beschäftigte" davon betroffen gemacht werden. Genau der Zweck, um den sich weltweit in diesem Laden alles dreht und für den Mensch und Natur dienstbar und haftbar gemacht werden, nimmt Schaden und ist deshalb das schützenswerte Opfer, wenn der weltumspannende Kapitalismus mit seinen ungesunden Emissionen auch noch die bis dato einigermaßen intakte Atmosphäre versaut. Der rücksichtslose marktwirtschaftliche Gebrauch von Mensch und Natur zahlt sich am Ende nicht aus – ein ganz klarer Fall "von größtem Marktversagen, das es je gab." (Nicolas Stern) Das muss wachrütteln. Die dafür Schwindel erregenden Zahlen hat Sir Nicholas, der locker Windgeschwindigkeiten in Euros messen und "komplexe physikalische Prozesse" in ganz handliche volkswirtschaftlich relevante Schadensgrößen übersetzen kann, mit Hilfe der Versicherungsmathematik hochrechnen lassen: Auf 5,5 Billionen Euro, auf sage und schreibe bis zu "20 % ihrer gesamten Wirtschaftskraft" (Spiegel) beläuft sich für deren Privateigentümer der maßgebliche Schaden durch den Klimawandel. Eine solche drohende "Superrezession" hält keine anständig funktionierende freie Marktwirtschaft mehr aus! So lautet der kritische Einwand gegen das ökologische Zerstörungswerk, das von eben dieser Marktwirtschaft angerichtet wird, und das ist das schlagendste Argument für die Notwendigkeit und Möglichkeit von mehr Klimaschutz in dieser bekanntlich besten aller Welten.

3. Nach dieser schlechten Nachricht durch Sir Nicholas können Spiegel & Co. das besorgte Publikum mit einer "frohen Botschaft" überraschen: Der Teil "der Menschheit", der die "Wirtschaftskraft" kommandiert und von ihr profitiert, wird in Zukunft kaum mehr umhin können, dem Klimaschutz einen höheren Rang in seinen Wachstumsrechnungen einzuräumen als bisher – aus purem Eigennutz. Auch das hat der Sir herausgefunden: Klimaschutz kostet weniger, als man glaubt, und rechnet sich fürs Geschäft mehr, als man denkt. Diese Versöhnung von Ökologie und Ökonomie macht Hoffnung für den Globus.

"Stern macht ganz nüchtern eine Kosten-Nutzen-Rechnung auf: Investitionen von einem Prozent der Weltwirtschaftskraft jährlich würden bereits reichen, um das Schlimmste noch abzuwenden. […] Der Erde werde ein Hitzeschock um fünf Grad Celsius oder gar noch mehr erspart. Stattdessen komme sie mit einer Erwärmung um zwei oder drei Grad davon. Wer auch das verhindern will, dem explodieren die Kosten. […] Dies ist seine frohe Botschaft. Die Investitionen in den Klimaschutz betrachtet er als riesiges Subventionsprogramm. Es werde die Wirtschaft zur neuen, grünen Blüte treiben. ,Die Märkte für klimaschonende Technik könnten 2050 schon 550 Milliarden Dollar groß sein‘, frohlockt Stern." (Spiegel, 45/2006)

Wie viel an Rettung des Weltklimas in unserem feinen Wirtschaftssystem überhaupt geht, das richtet sich selbstverständlich ganz danach, ob sich der Aufwand für den Klimaschutz volkswirtschaftlich rechnet: Will man ökologische Schäden, die das freie Marktwirtschaften stiftet, verhindern, so stellt das in der gültigen Rechnungsweise eine Kostenbelastung dar – und die hat sich natürlich durch einen Nutzen zu rechtfertigen. Klimaschutz muss das Bruttosozialprodukt schützen und darf sich deshalb keinesfalls zur "Kostenexplosion" für es auswachsen. Die Beschädigung der Umwelt zu unterlassen oder gar rückgängig zu machen, ist Kapital-rechnerisch einfach nicht drin, es kann nur darum gehen, "das Schlimmste noch abzuwenden" an Klimawandel – mehr Schutz für das Weltklima lässt sich realistischerweise aus dieser vernünftigsten Art zu wirtschaften nicht herausoptimieren und ist ihren Veranstaltern und Nutznießern auch nicht zuzumuten. Wie schlimm die ökologischen Schäden sind, das hat sein Maß natürlich darin, ob unseren Volkswirtschaften und ihrem globalen Bruttosozialprodukt ein Mehr an Rettung des Weltklimas gut tut. Wenn "ein Prozent Weltwirtschaftskraft bereits reichen", um den von Nicholas Stern errechneten Schaden von bis zu "20 % an Weltwirtschaftskraft" zu verhindern, dann ist damit auch in ökologischer Hinsicht auf jeden Fall die "Katastrophe" abgewendet. Der Weltkapitalismus kann mit schlappen "zwei oder drei Grad" Erderwärmung ganz gut leben, also ist auch die globale Fauna und Flora und die Menschheit mit solch einem Treibhaus gut bedient und noch mal davongekommen. Bis auf ein paar Hungerleider hin oder her: "Mit 40 bis 60 Millionen zusätzlichen Opfern allein in Afrika rechnet Stern bei einem globalen Temperaturanstieg von zwei Grad." (Stern laut Spiegel 45/2006)

Bei einer so wohldosierten und kostenoptimierten Säuberung der Atmosphäre kommt in einer freien Weltwirtschaft natürlich auch die private Bereicherung am Klimaschutz nicht zu kurz. Das ist ja auf der anderen Seite wiederum das Interessante am "Klimaschock": In der Klimazerstörung des globalisierten Kapitalismus steckt ein riesiges Geschäftspotenzial, das es mit einem "technologiegetriebenen Umsteuern" zu erobern gilt – wobei "immer strengere Grenzwerte" ausnahmsweise willkommen sind. Welchem Wirtschaftsstandort in diesem Rettungsprogramm dabei mehr die Rolle des subventionierten Nutznießers von globalem Klimaschutz und welchem mehr die des Kostenträgers zufallen soll, das steht für unsere Öffentlichkeit am Standort des Klimaschutzvorreiters und Exportweltmeisters natürlich außer Frage. Da heißt es aufpassen auf die Klimaschädlinge in anderen Weltgegenden, die den dringend nötigen "Wettbewerb um Klimaschutz" nicht blockieren dürfen, bloß weil sie an ihren Ertrag bzw. ihre Kosten denken. "Versöhnung von Ökonomie und Ökologie" ist das große Thema. – Dessen alles andere als versöhnlerischer Inhalt ist der Kampf der imperialistischen Nationen darum , wer hier den Vorreiter gibt und den anderen die Vorschriften machen kann.

Hierzu mehr in Teil 2.

Menschheitskatastrophe Klimawandel (Teil 2/3)

Kanzlerin Merkel und die EU haben sich ein – so heißt es – "ehrgeiziges Klimaschutzziel" vorgenommen, für das es einer "Energiewende" bedarf, nämlich weg von den fossilen Brennstoffen hin zu den erneuerbaren Energieträgern. Es wird behauptet, das alles würde getan, um den CO2-Ausstoß zu senken und den Klimawandel zu bekämpfen. Das Großreinemachen in der Erdatmosphäre soll geschehen durch eine – neue Energiepolitik. Da kann man gespannt sein – seit wann ist denn Energiepolitik getrieben von der Sorge um die Umwelt? Erstens muss bei der Bekämpfung der Erderwärmung durch die neue Energiepolitik weiterhin unbedingt gelten: Der "Energiehunger" des deutschen Kapitalstandortes mitsamt seinem Verkehrswesen und seinen angeschlossenen Privathaushalten muss gestillt werden und aus diesem, dem Staat so wichtigen Versorgungsauftrag muss sich weiterhin ein lohnendes und grenzüberschreitendes Geschäft, das der nationalen Wachstumsbilanz zugute kommt, machen lassen. Dafür sind zweitens zuständig die schon existierenden Versorgungsunternehmen E.on & Co. und die gesamte daran hängende Ausrüstungsindustrie. Bislang hieß der politisches Auftrag "Karbonisierung", also Vorrang für die fossilen Energiequellen, und darin war eine rücksichtslose und verschwenderische Verwendung ebenso eingeschlossen wie der Ausstoß der Verbrennungsgase. Wegen der sich abzeichnenden Schäden für die Wirtschaft soll eine Alternative her. Die "Dekarbonisierung" und die "Effizienz-Revolution" braucht es, weil die Energiepolitiker den nachhaltigen Zugriff auf billige fossile Energiequellen zunehmend für problematisch und bedrohlich einstufen, die Versorgungssicherheit für die Wirtschaft also gefährdet ist, und weil die Erderwärmung dem kapitalistischen Geschäftsleben neue Kosten aufhalst. Die Suche nach alternativen Energiequellen lässt sich dann gleichzeitig als Beitrag zur "Menschheitsaufgabe Klimaschutz" darstellen, neue Energiepolitik und Klimaschutz sollen deckungsgleich sein. Mit dieser Gleichung bauen sich Deutschland und die EU als die großen Vorbilder auf und verlangen von den anderen großen Mächten Nachahmung und Gefolgschaft. So soll dem Kapitalismus des Exportweltmeisters eine in jeder Hinsicht "zukunftsfeste" und wachstumsdienliche Energieversorgung gesichert und dem darauf fußenden großen Geschäft rund um die "kohlendioxidarme" Energie mit der effizienteren Nutzung alter und der Nutzbarmachung ganz neuer Energiequellen neue Wachstumsmärkte erschlossen werden. Wie wenig es sich dabei um eine Menschheitsaufgabe handelt, wird spätestens daran deutlich, dass das alles in Konkurrenz vor allem zu den ganz großen Weltmarktnationen mit ihren ähnlich gelagerten Bemühungen veranstaltet wird.

So kommt es als erstes zu einer "Renaissance der Kernenergie". Der "Ausstieg aus der Kernenergie", wie ihn die vorige Regierung beschlossen hat, hat den christlichen Politikern – "Restrisiko" hin oder her – noch nie gefallen, und das Kohlendioxid liefert schöne neue Argumente: "Wer bis zum Jahr 2020 aus der Kernenergie aussteigen will, der muss auch sagen, wie er in den Kohlendioxidausstieg einsteigen will." (Angela Merkel.) So hebt eine Debatte an, ob und wie diese so billige und zudem heimische Energiequelle nicht doch im nationalen Energiemix vorhanden sein muss. Da wissen die Kraftwerksbetreiber gleich, dass sie nun auf diesen Zug aufspringen müssen und werben: "Klimaschutz: Ohne Kernkraft gelingt’s nicht." Ihre Atommeiler, früher mal despektierlich als "Gelddruckmaschinen" bezeichnet, wollen sie halt weiterlaufen lassen – wenn’s ihrer Sache nützt, warum dann nicht als "Beitrag zum Klimaschutz"? Für die Klima-Kanzlerin und ihre Union ist es keine Frage und macht es keinen großen Unterschied, mit zusätzlichen klimapolitischen Argumenten zu forcieren, was ihrer Überzeugung nach aus energiepolitischen Gründen schon längst nottut: nämlich Deutschland vom Schaden einer von Rot-Grün auf Restlaufbetrieb gesetzten Atomenergienutzung zu befreien. Denen von der SPD fällt dagegen nicht viel mehr ein, als den klimaschützerischen Beitrag der Kernenergie zu bezweifeln, und so nebenbei erwähnt ihr Chef Kurt Beck: "Außerdem: ein nukleares Unfallrisiko bleibt."

Unumstritten ist die Erzeugung "regenerativer Energie" aus Wind, Sonne und vor allem aus der Biomasse nachwachsender "Energiepflanzen", um Europa und seinen energiepolitischen Vorreiter aus der Abhängigkeit von problematischen Energierohstoffmärkten zu befreien und damit auch dem bedrohten Klima Gutes widerfahren zu lassen. Eine "ökologische Energiewende" ist schon länger im Standortprogramm, denn aufstrebende Weltwirtschaftsmächte wie China mit ihrem "ungebremsten Energiehunger" machen "uns" mit ihrem Geldreichtum und ihrer gewachsenen politischen Macht weltweit Konkurrenz beim Zugriff auf die fossilen Lebensadern des Wirtschaftswachstums. Neue Energiemächte wie Russland nutzen ihren Öl- und Gasreichtum zu ihrem ökonomischen und politischen Vorteil, also "unsere" Abhängigkeit aus. Und die amerikanische Supermacht tut ein Übriges mit ihrem dauerhaften Antiterrorkrieg und ihrer strategischen Oberaufsicht über den Ölreichtum der Welt, der keinen Feinden Amerikas zugute kommen soll, dass Öl "knapp und teuer" bleibt und unser Zugriff auf sie "politisch instabil" wird. Für diesen verschärften "Verteilungskampf" um die fossile Energie wollen Europas Weltwirtschaftsmächte erfolgreich gerüstet sein. Unter anderem durch einen vorangetriebenen "grünen" Umbau im Energiemix der Nation. Und genau den hat auch das Klima zu seiner Rettung bestellt. Energiepolitische Souveränität ist Dienst am Weltklima. Bei den Amerikanern hingegen weiß man natürlich, dass es denen bloß um Macht und Geld geht: "Äthanol aus Mais und Präriegras zu subventionieren, dient vorrangig dem Ziel, unabhängiger zu werden von Ölimporten aus dem Nahen Osten. Klimaschutz ist dabei eher willkommenes Abfallprodukt denn klares Ziel." (SZ, 4.2.07) Bei uns dagegen ist dieses "Abfallprodukt" das Entscheidende. So wird dem um das Weltklima besorgten Menschen nahe gebracht, dass er sich zum Parteigänger seiner Regierung machen und sich mit ihrem imperialistischen Kampf um neue Energiequellen solidarisieren soll. Bei der Suche nach solchen neuen Energiequellen geraten auch Länder neu ins Visier, die als Lieferanten der neu entdeckten Biomasse dienen können, denn leider leiden wir auch in dieser Hinsicht unter Rohstoffarmut bzw. ist deutsches Land viel zu kostbar dafür. Also müssen sich solche Länder entsprechend herrichten – also werden die restlichen Urwälder nach allen Regeln vernünftigen marktwirtschaftlichen Wirtschaftens brandgerodet, umgepflügt, mit Pestiziden vollgepumpt und überdüngt. Und wo Mais als Grundnahrungsmittel der Äthanolbranche immer wertvoller wird, wird er nach den Gesetzen der freien Marktwirtschaft für die Menschheit in Mexiko und anderswo "knapp". d. h. zu teuer und die Tortilla unerschwinglich. Es wäre ja noch schöner, wenn es bei der Eroberung und Zurichtung aller Herren Länder zur klimaschonenden Energiequelle auf einmal menschenfreundlicher zuginge als sonst und nicht dieselbe geschäftsdienliche Rücksichtslosigkeit und Bedenkenlosigkeit im Umgang mit den natürlichen Lebensgrundlagen geboten wäre, nur weil inzwischen Rettung des Globus und Verhinderung der Menschheitskatastrophe angesagt ist.

Der Zugriff auf neue Energiequellen ist das eine. Richtig rund wird die Sache aber erst, wenn sich mit der technischen Aufbereitung und Verarbeitung dieser Energien ein Geschäft machen lässt, und zwar anspruchsvollerweise als Weltmarktführer. Kurt Beck fordert "mehr Investitionen in klimafreundliche Technik. Es muss darum gehen, bessere Technologien zu entwickeln, Geld in die Hand zu nehmen für die Forschung und auf Innovation zu setzen. Deutschland hat hier eine große Verantwortung und eine Riesenexportchance. Deutsche Solar-, Wind-, Wasser- und Kraftwerkstechnologie könne überall auf der Welt für weniger Schadstoffausstoß sorgen." (3.2.07) Das ist doch mal eine schöne Auskunft über die anvisierte Aufgaben- und Nutzenverteilung im globalen Gemeinschaftswerk ‚Säuberung der Atmosphäre von den Treibhausgasen’. Deutschland ist für die Erfindung der "Riesenexportchance" und für die Bereicherung am globalen Klimaschutz zuständig, die Chinesen und andere Inder brauchen uns nur noch die feine emissionsarme Ware abzukaufen, und schon hat das Weltklima gut lachen. Also wird "Geld in die Hand genommen" – Klimaschutz ist gleichbedeutend mit einer groß angelegten politischen Geschäftsförderung. Die darbende Bauwirtschaft kriegt ein Sonder-Konjunkturprogramm für Energieeinsparung geschenkt. Aber vor allem muss mit Milliarden schweren staatlichen Rahmenforschungs- und Subventionsprogrammen der erfinderische Geschäftssinn deutscher Kraftwerks- und Maschinenbauer angestachelt werden, damit die Wunderwerke deutscher Ingenieurskunst wie z. B. das kohlendioxidfreie Kohlekraftwerk endlich das Licht der marktwirtschaftlichen Verschmutzungswelt erblicken können. Auf dem Feld Solarenergie, Windkraft und Kraftwärmekopplung ist der Standort D schon sehr viel weiter und dank der längst laufenden und mit einem Erneuerbaren Energien Gesetz (EEG) herbeisubventionierten "ökologischen Energiewende" bereits Geschäfts-"Weltmeister" auf den einschlägigen Wachstumsmärkten. Diesen Konkurrenzvorsprung gilt es entschieden voranzutreiben und für die Eroberung des erst noch – in ganz anderer Größenordnung als bisher – politisch zu stiftenden Weltmarkts für grüne Energiegeschäftsartikel auszunutzen.

Damit das gelingt, muss von der deutschen EU-Ratspräsidentschaft die Aufgabe angepackt werden, die Mitgliedsstaaten Europas energiepolitisch zu einen und auf CO2-Reduktionskurs und -linie zu bringen und auf der anderen Seite mit Europa und seinem ganzen politischen Einfluss die maßgebliche "Weltgemeinschaft" verbindlich auf die "grüne" Energiewende festzulegen. Schließlich kann Deutschland beim besten Willen nicht alleine die Welt mit einem "technologiegetriebenen Umsteuern" retten, und "die sehr hohen Investitionen für neue Technologien rechtfertigen sich nur, wenn man davon ausgeht, dass sie auch woanders nachgefragt werden." (Regierungserklärung der Bundeskanzlerin zum EU-Frühjahrsgipfel, 1.3.2007) Also ergreift unsere Kanzlerin politisch die Initiative, um Europa und die ganze Welt zum Marktplatz für Klimaschutzware herzurichten.

Dazu mehr im dritten und letzten Teil der Analyse zum ‚Klimawandel’.

Menschheitskatastrophe Klimawandel (Teil 3/3)

Damit das von der deutschen Regierung anvisierte Ziel erreicht wird, mit Klimaschutz-Technologie ein Bombengeschäft für den Standort Deutschland anzuleiern – wie in den ersten beiden Analysen zum Thema Klimawandel ausgeführt wurde –, hat die deutsche EU-Ratspräsidentin sich die anspruchsvolle politische Aufgabe gestellt, zunächst einmal die Mitgliedsstaaten Europas energiepolitisch auf CO2-Reduktionskurs zu bringen. In der Folge soll dann mit Europa und seinem ganzen politischen Einfluss die maßgebliche "Weltgemeinschaft" verbindlich auf die Energiewende festgelegt werden. Schließlich rechtfertigen sich "die sehr hohen Investitionen für neue Technologien […] nur, wenn man davon ausgeht, dass sie auch woanders nachgefragt werden." (Regierungserklärung der Bundeskanzlerin zum EU-Frühjahrsgipfel, 1.3.2007) Also ergreift unsere Kanzlerin politisch die Initiative, um Europa und die ganze Welt zum Marktplatz für Klimaschutzware herzurichten.

Dieses Programm rührt schon innerhalb der EU eine ziemlich heikle Standortfrage auf: Nämlich, welchen Energieverbrauch und -mix eine Nation ihrer Wirtschaft samt Verkehrswesen verschaffen kann und zu welchem Preis, und wie diesbezüglich ein "Umsteuern" zu Buche schlägt. Europas Standorthüter sind sich einerseits einig, dass eine gemeinsame Energiepolitik die Kapitalstandorte der EU weniger abhängig machen soll von Importen von Öl und Gas, indem deren Verbrauch reduziert wird. Andererseits will die EU als weltweit größter Nachfrager nach diesen Energieträgern deren Kosten gemeinschaftlich senken, indem sie ihre Marktmacht gegenüber den Öl- und Gaslieferanten verstärkt ausspielt. Aber gleichzeitig will sich keine der standortbewussten EU-Nationen von der Europäischen Kommission in die nationale Energieversorgung hineinregieren lassen, weil damit die Grundlage der gesamten Reichtumsvermehrung auf ihrem Standort betroffen ist. Jedes Land will sich "als Sonderfall" gewürdigt wissen: Frankreich will mit seinem Atomstrom ganz Europa gewinnbringend versorgen; die neuen EU-Mitglieder beharren darauf, dass "erneuerbare Energien sehr teuer sind" und "strikte Ziele" ihre "junge Industrie" überfordern, und Klima-Deutschland setzt derweil unverdrossen auf die Verstromung heimischer Braunkohle...

Dank der eisernen deutschen Klima-Lady wird aber auf dem EU-Klimagipfel im März doch noch ein "Kompromiss" erzielt und die "globale Energiewende" eingeläutet: Der Anteil der erneuerbaren Energien an der Primärenergieerzeugung soll bis zum Jahr 2020 verbindlich auf 20 % Prozent ansteigen, die Energieeffizienz gleichfalls, und der Treibhausgasausstoß um denselben Prozentsatz abgesenkt werden. Damit ist der Streit zwischen den konkurrierenden EU-Nationen allerdings nicht beendet, sondern gerade eröffnet und auf spätere Verhandlungen vertagt, in denen über die Formen des Lastenausgleichs und der Lastenverteilung hinsichtlich der Klimarettung gestritten wird. Und in dieser Hinsicht, im konkurrierenden "Feilschen" um die Lasten des "Umsteuerns" und dem Nutzen daraus, macht der deutsche "Motor" der Einigung und des energiepolitischen Aufbruchs keine Ausnahme. Im Gegenteil: Unsere Klima-Kanzlerin lässt sich zwar gerne von der EU-Kommission dazu beauftragen, Europa auf Reduktions- und Energieeinsparungskurs zu trimmen und es nach außen im Kampf gegen den Klimawandel anzuführen. Das darf aber selbstverständlich nicht bedeuten, dass andere Nationen ausgerechnet dem Klimaschutzvorreiter und seinen Schlüsselindustrien geschäftsschädigende Abgasnormen auferlegen können. Der deutschen Autoindustrie einen verbindlichen Spritverbrauch aufs Auge drücken? – Wo kommen wir denn da hin! Deutsche Autobauer sind schließlich Wirtschaftsunternehmen, die nachhaltig ihre Rendite vermehren müssen, von der die Zukunft der Nation und viele Arbeitsplätze abhängen. Also muss eine verantwortungsbewusste deutsche Kanzlerin "mit aller Härte" intervenieren, und auf mehr CO2-Emissionen aus deutschen Auspuffrohren bestehen. Merkel deklariert den nationalen Ausbau des "Kreisverkehrs", "Ökofahrkurse", "Bio-Fuel" u. ä. als Klimaschutzmaßnahmen, damit die zu vereinbarenden CO2-Grenzwerte im Gegenzug höher ausfallen können. – Ja, was denn auch sonst?! Europäisch oder global vereinbarte Klimaschutzziele müssen 1. unschädlich für die nationale Profitmacherei und ihr Wachstum sein und 2. muss sich aus der "Rettung des Weltklimas" ein nationaler Konkurrenzvorteil gegenüber anderen Wirtschaftsstandorten ableiten lassen. Den Konkurrenznationen müssen die Senkung des CO2-Ausstoßes und die damit verbundenen Kosten in jedem Fall "mehr weh" tun als einem selber. Internationaler Klimaschutz muss sich als nationaler Ökonomieschutz erweisen, sonst taugt er nichts! Und darin unterscheidet sich unsere Vorreiternation überhaupt nicht vom Standpunkt des angeblich größten Menschheitsgefährders: "China will einen "angemessenen" Beitrag zur Verminderung von Treibhausgasen leisten, jedoch keinesfalls sein Wirtschaftswachstum gefährden." (SZ, 4.2.07) An diesem Stellenwert des ökologischen Schutzes im Standortprogramm von Nationen, die erbittert um mehr Anteile am globalisierten Geschäft konkurrieren, hat sich doch nichts geändert, nur weil durch die BILD-Zeitung hinreichend bekannt ist, dass "der Planet stirbt", und die ganze Nation wochenlang mit Weltuntergangsszenarien belämmert wird.

Sind innereuropäisch die Fronten soweit geklärt, richtet sich der Blick auf den Rest der Welt: Aus dem verheerenden Klimazustandsbericht leitet die EU ihr unabweisbares Recht auf globale klima-, also energiepolitische Zuständigkeit und Einmischung ab: "Globale Bedrohung – globale Verantwortung. Europa kann nicht allein den Klimaschutz für die Welt übernehmen ... 85 % der gesamten CO2-Emissionen entstehen woanders.", betont Merkel. In aller Entschiedenheit wollen die europäischen Menschheitsretter dafür sorgen, dass auch ihre weltwirtschaftlichen Konkurrenten sich ihr Wachstum mit Euro-Technik vom fossilen Energieverbrauch entkoppeln lassen. Deshalb beauftragen sich die EU und ihr deutscher Klimaschutzvorreiter dazu, den Kampf für eine "Weiterentwicklung" des Kyotoprotokolls, das 2012 ausläuft, voranzutreiben, und Merkel macht die Verhinderung der Klimakatastrophe auf dem G-8-Gipfel zur Chefsache. Erklärtermaßen ist das eine politische Machtfrage ersten Ranges. Europa will nämlich nichts weniger, als dass sich ihre größten ökonomischen und politischen Widersacher, China und die USA, die zugleich neben der EU die dicksten CO2-Verursacher sind, der globalen Abgasordnung aus Europa unterordnen. Gleichzeitig soll dem amerikanischen Klimaschutz-Modell einer unverbindlichen Fördergemeinde für "klimafreundliche Technologien" eine Absage erteilt werden. Und jetzt soll bloß niemand nachrechnen, mit welchem "Pakt" das Klima womöglich besser fährt! Europa macht nämlich der Staatenwelt ein hochprozentiges Führungsangebot: Falls andere Länder "mitziehen", legt Europa auf seine bereits beschlossenen 20 % CO2-Reduktion nochmals 10 % verbindlich drauf. Mit diesem "Alleingang" stellt Europa klar, was Sache ist: Europas energiepolitischer Aufbruch ist ernst gemeint. Die globale Verschmutzungswelt soll keinen Zweifel daran haben, dass die EU und ihre Wirtschaftsvormacht alles daran setzen und ihre Potenzen dafür mobilisieren, Energieerzeugung aus kohlenstoffarmen Energieträgern und Energieeinsparung wettbewerbsfähig zu gestalten. Das europäische Angebot an den Rest der Staatenwelt lautet: Die Konkurrenznationen sollen ihre Abhängigkeit in der Energieversorgung von Öl und Gas doch lieber gegen die technologische Abhängigkeit von Europas zukunftsfähiger Energietechnik eintauschen. So jedenfalls sehen das die Klimaretter aus Europa.

Genau daran hängt der Klimazustand des Globus, an diesem politischen Ringen auf höchster machtpolitischer Stufe: nämlich zwischen den beiden führenden Weltwirtschaftsmächten EU und USA hinsichtlich der Richtlinienkompetenz beim weltweit für nötig erachteten Klimaschutz per Energiepolitik. Und da soll man sich als ein um das Klima besorgter Mensch ausgerechnet zur Partei in diesem Kampf machen und auf einen erfreulichen Ausgang der Machtkonkurrenz hoffen, nur weil im System des globalen Kapitalismus der Dienst am Weltklima nicht anders zu haben ist? Könnte das nicht auch einmal gegen die weltpolitischen Akteure und ihre Vorhaben sprechen, die erst das Klima ruinieren lassen, um dann seine Rettung von der Frage abhängig zu machen, wer sie anführen darf und damit den zu erwartenden Reibach mehrheitlich bei sich beheimaten kann?

Last but not least ist die Treibhausdebatte auch für die demokratische Kultur im Lande nicht umsonst gewesen: "Mit Klimaschutz lassen sich Wahlen gewinnen!", weiß der Spiegel zu berichten. In den Parteizentralen wird mit Hochdruck an der Reduktion des programmatischen Klimadefizits gearbeitet. Jetzt soll also der durch die von oben aufgemachte Klimadebatte aufgewühlte Bürger sein wählerisches Vertrauen auch noch danach zuteilen, ob seine politische Obrigkeit ihm mit Entschlossenheit und Tatkraft die fälligen Einschränkungen im Dienste der Klimarettung verordnet. Im Gegenzug zu den Kosten, die sie ihm einbrockt, darf er sich zum eingebildeten Richter über die Glaubwürdigkeit der Gabriels und Merkels aufwerfen, ob sie selber mit gutem Beispiel vorangehen und schleunigst ihren "Klimakiller Dienstwagen" auf Hybridantrieb umstellen lassen – auf einen deutschen, versteht sich. Und vor allem man darf sein Kreuzchen davon abhängig machen, welchen unserer politischen Machthaber man es am ehesten zutraut, sich international Respekt zu verschaffen und die ausländischen Klimasünder zur Räson zu bringen.