GEGENARGUMENTE Die Causa Zogaj - ein Lehrstück in Sachen Integration, Ausländerpolitik und Rechtsstaat

Der Fall Arigona Zogaj – wer warum nach Österreich darf oder auch nicht!

Die Flucht der 15-jährigen Arigona Zogaj vor ihrer Abschiebung in den Kosovo Anfang Oktober vorigen Jahres lenkte die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit für einen kurzen Augeblick auf die in verstärktem Maße stattfindenden Abschiebungen von schon länger in Österreich ansässigen Familien aus dem Kosovo zurück in ihr Herkunftsland.

Nur scheinbar selbstverständlicher Fixpunkt aller Erörterungen zum Thema war und ist dabei die allseits geteilte Überzeugung, dass mit der zufälligen Geburt in einer bestimmten Weltgegend eigentlich schon über den quasi natürlichen Aufenthaltsort eines Menschen entschieden sei. Wer im Kosovo geboren ist, der hat seine angestammte Heimat dort. Wo sonst!? Und wenn er dann doch zu "uns" will, dann ist das ein Fall ernster Prüfung.

Welches die Kriterien sind, nach denen die zuständigen staatlichen österreichischen Stellen Asyl gewähren, eine Niederlassungerlaubnis erteilen oder humanitäres Bleiberecht gewähren, das ist der Gegenstand unserer Sendung.

Wer Asyl erhält und wer nicht!

Im Mai 2002 flüchtete der Vater der Familie Zogaj aus Südserbien nach Österreich, wo er einen Asylantrag stellt. Einen Asylantrag, mit dem er in allen Instanzen gescheitert ist, die das Asylverfahren vorsieht und zwar nicht, weil die Lage im Kosovo nicht jeden Grund abgäbe, von dort weg zu wollen. Wie es um die ökonomische und politische Lage heute, noch fünf Jahre nach der Flucht von Zogaj bestellt ist, daraus machen die heimischen Medien kein Geheimnis. Beispielsweise heißt es in der Tageszeitung "Die Presse" im Oktober vorigen Jahres:

"Die Lage im Kosovo könnte kaum trister sein. Die Arbeitslosigkeit liegt zwischen 35 und 40 Prozent, die Zahl der Arbeitslosen steigt von Jahr zu Jahr, denn die Bevölkerung wächst. Schätzungen zufolge stammen 20 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) von Überweisungen durch Kosovaren, die im Ausland arbeiten. " (Presse vom 19.10.2007)

Diese triste ökonomische Lage, die Ausssichtslosigkeit sich auch nur ein bescheidenes Auskommen zu organisieren, ist bloß für den österreichischen Staat nichts, was bei der Entscheidung, ob einem Flüchtling Asyl gewährt werden soll, auch nur irgendwie in Erwägung gezogen würde. Eine Chance, als Flüchtling anerkannt zu werden, hat nämlich– gemäß Asylgesetz – nur wer "glaubhaft machen" kann, dass er eine Person ist, die

"aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung sich außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt, und den Schutz dieses Landes nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Befürchtungen nicht in Anspruch nehmen will."(Genfer Flüchtlingskonvention)

Eigentlich, so die erste Auskunft, die man diesem Paragraphen entnehmen kann, gehört jeder in das Land, dessen Staatsangehörigkeit er hat. Woanders als in dieser "seiner" angestammten Heimat aufhältig zu sein, dazu braucht es schon einer besonderen Begründung, die nicht nur ihm, sondern und entscheidend auch dem aufnehmenden Staat einleuchten muss. Dass er, der Asylsuchende, seinen Staat verlassen will, seine Kalkulationen zählen bei der Frage, ob er sich in einem anderen Land aufhalten darf, überhaupt nicht. Die miese ökonomische Lage, in der man sich dort befinden mag, wo man herkommt, gibt dafür jedenfalls nichts her. Schutz und Sicherheit, die das Aslyrecht meint, hat schlicht nichts mit der gewöhnlichen Vorstellung von Hilfe für hilfsbedürftige Elendskreaturen zu tun. Die internationale Staatenwelt ist sich einig darin, dass sie sich von ihren Bürgern nicht daraufhin überprüfen lässt, was sie ihnen wirtschaftlich bietet.

Beurteilungskriterium für eine Aufenthaltsberechtigung in einem anderen Staat nach der Genfer Flüchtlingskonvention ist das Verhältnis des Asylsuchenden zu seiner Staatsgewalt. Deren Unterzeichnerstaaten haben sich darauf verständigt, im Falle eines Asylantrags zu überprüfen, ob der Flüchtling aus berechtigter Furcht vor Verfolgung aus seinem Heimatstaat geflohen und nicht in der Lage ist, dessen "Schutz" in Anspruch zu nehmen. Um die Lage des Flüchtenden geht es bei dieser Überprüfung nur bedingt. Geprüft wird nämlich nicht einfach seine Verfolgungslage - ob er also tatsächlich einer Verfolgung ausgesetzt ist oder nicht -, sondern diese Verfolgungslage daraufhin, ob sie dem Fluchtstaat zur Last zu legen ist oder nicht. Geprüft wird damit durch den Staat, der um Asyl ersucht wird, ob und inwieweit die Lage im Heimatstaat des Asylsuchenden seinen Vorstellungen von einem ordentlichen und gesitteten Umgang eines Staates mit seinen Staatsbürgern entspricht oder nicht. Entschieden wird damit letztlich, ob der um Asyl ersuchte Staat die Legitimität der Herrschaft in der Heimat des Asylsuchenden anerkennt oder nicht. Mit jeder Gewährung von Asyl wird dem Heimatstaat des Flüchtlings ein Stück weit die Hoheit über sein Staatsvolk bestritten. Seinen wahren Wirkungsbereich hat das Asylrecht daher gar nicht im Schutz verfolgter Menschen, seine Wahrheit hat es als Instrument der Außenpolitik, angesiedelt in der höheren Sphären der Diplomatie.

Wie die Verfolgungslage beschaffen sein muss, dazu kann man in den Entscheidungen von Asylbehörden Folgendes lesen:

"Die begründete Furcht vor Verfolgung liegt dann vor, wenn objektiver Weise eine Person in der individuellen Situation des Asylwerbers Grund hat, eine Verfolgung zu fürchten. Verlangt wird eine "Verfolgungsgefahr", wobei unter Verfolgung ein Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen ist …"(Bescheid Geschäftszahl 228.965/0-XI/38/02 vom 13.11.2002)

Ein gewisses Mindestmaß an Intensität muss die Verfolgung also schon haben, um in Österreich auf Missfallen zu stoßen. Bloß ab und an ein bisschen verfolgt, das nur manchmal ethnisch begründet und im übrigen noch nicht einmal als Individuum, sondern so wie alle anderen dort Ansässigen auch, das reicht auf jeden Fall nicht, um als Asylant anerkannt zu werden. Jedenfalls solange nicht, als die hiesige Politik im attestierten Terror des Alltags nicht das Resultat der dort installierten politischen Zustände, sondern die bloß private Gewalt krimineller Banden sehen möchte.

Weil dieses Urteil sich nicht einfach aus der Lage vor Ort ableitet, es sich vielmehr um ein Urteil über die Legitimität der dortigen Herrschaft handelt, können durchaus ähnliche Sachlagen zu konträren politischen Beurteilungen führen. Weil etwa Europa keinesfalls bereit ist, die Legitimität der russischen Herrschaft über Tschetschenien umstandslos zu akzeptieren haben "die Tschetschenen aufgrund von Krieg und Verfolgung in ihrem Heimatland durchaus gute Chancen auf Asyl" - anders als die Kosovaren.

Weil die EU und da wieder Österreich in sehr aktiver Rolle daran beteiligt ist, den Kosovo – gegen den ausdrücklichen Willen Serbiens und Russlands - von Serbien abzutrennen und eine eigenständige und souveräne Herrschaft des Kosovo zu installieren, dafür auch einiges an materiellen Mitteln in die Hand nimmt, kann und will der österreichische Staat in der Lage vor Ort keinen Fluchtgrund entdecken. Schließlich – so Exkanzler Schüssel in einem Interview in der Presse -

"…wozu versuchen wir mit 1,1 Milliarden Euro den Kosovo zu stabilisieren(!), wenn wir dann die Rückkehr von Zuwanderern in den Kosovo in Frage stellen?"

Eben! Während die Chancen der Tschetschenen auf Asyl als durchaus gut eingestuft werden,

"werden Kosovo-Albaner fast ausnahmslos abgelehnt. In den ersten neun Monaten dieses Jahres erhielten nur 177 Asylwerber aus Serbien einen positiven Asylbescheid – bei insgesamt 1968 abgeschlossenen Verfahren."

Nicht weil es in Kosovo und Umgebung im Jahr 2007 endlich keine Gewalt mehr gäbe, sondern weil sie – wie die Presse in feiner diplomatischer Wortwahl formuliert - "nicht mehr vorkommen sollte(!)". Hoffentlich wissen das auch die Kosovaren! Den Österreichern rät das Außenministerium derweilen dringend von Reisen in den Kosovo ab:

"Das heißt allerdings noch nicht, dass das Land sicher ist: Das österreichische Außenministerium rät vor nicht unbedingt notwendigen Reisen ab."(Die Presse vom 3.10.2007)

In Nachvollzug dieser österreichischen Sicht der Lage im Kosovo hat Rechtsinstanz um Rechtsinstanz den Zogajs qua Urteil bescheinigt, dass Asyl für sie nicht in Frage kommt. Ein Sachverhalt, den man sich mit Exkanzler Schüssel auch als Schutz des Asylrechtes – vor wem eigentlich?! - zurecht legen kann: "Das heilige Recht des Asyls muss gewahrt bleiben." Trotz dieser Behandlung durch Österreich, das darauf besteht, sie in eine Heimat zurückzuschicken, in die zu reisen - und sei es auch nur für wenige Tage – die Außenministerin Österreichern wegen der schlechten Sicherheitslage im Kosovo auch noch im Jahr 2007 dringend abrät, halten die Zogajs unverbrüchlich an ihrem Entschluss fest, in diesem Österreich bleiben zu wollen.

Erstniederlassungsbewilligung

Kurz vor dem Ablauf der Frist im Mai 2005, zu der sie Österreich verlassen hätten müssen, stellt die Familie einen Antrag auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung und erleidet auch damit Schiffbruch.

Nicht, weil Unternehmen keinen Gewinn aus den Arbeitskräften der Zogajs herauswirtschaften hätten können und wollen.

"Devat Zogaj kam nach Aufenthalten in zwei Nachbargemeinden 2004 nach Frankenburg am Hausruck. Er hatte selbst eine Wohnung gemietet. Beschäftigt war er bereits bei der Putenzucht/Brüterei Miko im Ort, das Einkommen belief sich auf 1300 Euro brutto im Monat. Die Arbeitsbewilligung lief aber im Mai 2007 aus. Eine Kontrolle des AMS Oberösterreich ergab auch, dass er nicht mehr angestellt war. Die drei älteren Söhne durften nach der Schule gemäß dem neuen Fremdenrecht keine Arbeit ergreifen, obwohl eine Firma einen Sohn unbedingt als Lehrling haben wollte."(Die Presse vom 10.10.2007)

Die Zogajs haben es also glatt geschafft, all die Jahre über in Österreich ihren Lebensunterhalt zu verdienen und eine Wohnung zu mieten. Dass dies alles andere als selbstverständlich ist, dass Österreich nicht so eingerichtet ist, den hier anwesenden In- wie Ausländern wenigstens ein fragloses Auskommen zu ermöglichen, davon haben offenbar auch die Schreiber der Journaille eine Ahnung, wenn sie in ihrer großen Mehrzahl nicht umhin können, den Zogajs das als Leistung positiv anzurechnen.

Dass sie sich deshalb, weil sie all den Kriterien genügen, die ein österreichischer Arbeitnehmer erfüllen muss: arbeiten für Lohn, anständig bleiben, und sich mit dem spärlichen Familieneinkommen - im Fall der Zogajs knapp über der Armutsgrenze - häuslich einrichten, auch ein Anrecht darauf haben sollten, sich hierzulande niederzulassen, dazu wollen sich diese Journalisten aber nicht versteigen. Zu gut wissen gerade sie aus ihrer täglichen Arbeit, dass es Europa, Dank seiner Erfolge in Sachen Eingemeindung und Ausrichtung der Mehrzahl der Staaten des ehemaligen Ostblocks nach den Erfordernissen einer Marktwirtschaft, an Billigarbeitskräften, die jederzeit bereit sind, den Platz der Zogajs einzunehmen, längst nicht mehr fehlt. Während im Herbst viele Kosovaren Österreich verlassen mussten, konnte man gleichzeitig lesen, dass EU-Bürger Österreich "stürmen".

Wer - wie die Zogajs - nicht aus diesem EU-Ausland kommt, der darf sich hier nur niederlassen, wenn er nachweisen kann, zum engen Kreis der "Schlüsselarbeitskräfte" zu gehören. Der Gewinn bringende Einsatz der Arbeitskräfte für ein hiesiges Unternehmen allein, reicht dafür nicht aus. Arbeitskräfte

"gelten dann als Schlüsselkraft, wenn Sie ein Bruttoentgelt von 60% der Höchstbeitragsgrundlage (2006: €2250) beziehen"(http://www.arbeiterkammer.at/www-413-IP-10659-AD-10659.html#2, 8.1.2008)

und zusätzlich noch eine der in §2 Abs.5 AuslBG angeführten Voraussetzungen erfüllen. Nur Ausländern, denen der Nachweis gelingt, unentbehrliche Dienste für Österreich zu erbringen, wird es gestattet, sich hierzulande niederzulassen.

Woran erkennt man nun die besondere Leistung einer derartigen Schlüsselarbeitskraft? Nicht in dem was sie tut. Gemessen wird diese Leistung zum einen im Lohn, den der Niederlassungswerber zu lukrieren in der Lage ist. Der Lohn von ausländischen Arbeitskräften kriegt damit eine ganz neue Qualität verpasst. Er ist nicht mehr nur die an einem Arbeitsplatz verdiente Geldsumme, mit der sein Bezieher das Auslangen finden muss. Bei um Niederlassung ansuchenden Ausländern ist er außerdem und vor allem ein entscheidender Indikator für die Wichtigkeit seines Beitrags zu Österreichs Wirtschaft.

Was könnte diesen Beitrag zu einer Wirtschaft, die ihren Erfolg in Geld misst, auch besser ausdrücken, als der Lohn, den einer von den bekanntermaßen knausrigen Unternehmern für diese Arbeitskraft zu zahlen bereit ist. Würden der diesen Lohn zahlen, wenn er sich nicht für ihn und damit auch für Österreichs Wirtschaft rechnen würde? Zu wenig zu verdienen umgekehrt bedeutet nicht nur, dass der Bezieher dieses Lohn sich - so er ihn kriegte - in Sachen Befriedigung seiner Bedürfnisse entsprechend zurückhalten müsste, sondern - weil zu wenig zu verdienen als unzweifelhaftes Anzeichen der Entbehrlichkeit seiner Leistung für Österreichs Wirtschaft genommen wird - mit dem Arbeitsplatz auch gleich völlig um seinen Lohn umfällt.

Auf keinen Fall darf eine Schlüsselarbeitskraft daher zu wenig verdienen. Umgekehrt reicht der Nutzen einer Arbeitskraft für ein Unternehmen noch lange nicht hin für ihre Anerkennung als Schlüsselarbeitskraft. Sie muss vielmehr einen Nutzen stiften, der über dieses "betriebsbezogene Interesse" hinausgeht und das heißt:

"1.die beabsichtigte Beschäftigung hat eine besondere, über das betriebsbezogene Interesse hinausgehende Bedeutung für die betroffene Region oder den betroffenen Teilarbeitsmarkt oder 2.die beabsichtigte Beschäftigung trägt zur Schaffung neuer Arbeitsplätze oder zur Sicherung bestehender Arbeitsplätze bei oder 3.der Ausländer übt einen maßgeblichen Einfluss auf die Führung des Betriebes (Führungskraft) aus oder 4.die beabsichtigte Beschäftigung hat einen Transfer von Investitionskapital nach Österreich zur Folge oder 5.der Ausländer verfügt über einen Abschluss einer Hochschul- oder Fachhochschulausbildung oder einer sonstigen fachlich besonders anerkannten Ausbildung."(Ausländerbeschäftigungsgesetz, BGBl.Nr.218/1975, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 78/2007)

Auf all das konnten die Zogajs nie verweisen. Dass sie ihre Arbeitskraft so billig hergeben mussten, gilt nicht als Beleg dafür, dass die geltenden wirtschaftlichen Erfolgskriterien sich mit einem ordentlichen Lohn nicht vertragen, sondern als Beleg für die Unbedeutendheit ihres Arbeitseinsatzes. Wie brav und anständig immer sie geblieben sein mögen, eine Niederlassungsbewilligung als Schlüsselarbeitskraft kam für sie nie in Frage. Ihr Antrag auf Niederlassung war daher von vorneherein darauf gerichtet, eine

Niederlassungsbewilligung aus "humanitären Gründen"

zu erhalten. Der für die Entscheidung in dieser Sache in letzter Instanz zuständige Innenminister Platter will von "besonders berücksichtigenswerten Umständen" im Sinne des §72 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) nichts wissen und macht deshalb von seiner im Gesetz vorgesehenen Möglichkeit, humanitären Aufenthalt zu gewähren, keinen Gebrauch. Obwohl die Gemeinde Frankenberg eine Unterschriftenaktion zu Gunsten der Zogajs startet, wird die Familie im September 2007 von der Polizei abgeholt, um abgeschoben zu werden. Arigona Zogaj, die Tochter der Familie, ist zu diesem Zeitpunkt nicht auffindbar. Der jahrelange, verbissene und verzweifelte Kampf der Familie Zogaj, ein Aufenthaltsrecht in Österreich zu erwirken, findet im Untertauchen der Arigona Zogaj mit Selbstmorddrohung seinen vorläufigen Höhepunkt. Während die Abschiebung ihrer Mutter bis zum Wiederauftauchen von Arigona aufgeschoben wird, werden der Vater und die anderen vier Kinder Ende September 2007 in den Kosovo expediert.

In Frankenburg, der Wohngemeinde der Zogajs, findet die Entscheidung des Innenminister keine ungeteilte Zustimmung. Die Befürworter eines Bleiberechtes der Zogajs bringen vor, die Zogajs seien doch so gut integriert, sie jetzt abzuschieben, sei unmenschlich.

"Sogar der Gemeinderat und die Schule in Frankenburg wollen sich einstimmig für Familie Zogaj einsetzen, da sie sehr beliebt sind und sich gut integrieren konnten. Die Schule hat mit einer ersten Unterschriftenliste angefangen. Franz Sieberer, Bürgermeister der Gemeinde Frankenburg, hat die Abschiebepraxis der Behörden beanstandet: "Nach so vielen Jahren die Leute aus ihrem Beruf und die Kinder aus der Schule und ihrem Freundeskreis zu reißen finde ich unmenschlich."" (http://www.salzi.at/article/regional/voecklabruck/192/, 14.2.2008)

Sechs Tage nach der Abschiebung von Vater und Söhnen kommt es in Frankenburg zu einer Demonstration gegen diese Abschiebungen und für den Verbleib der Familie in Österreich. Den Kritikern will nicht auffallen, wie sehr sie bei all ihren Einwänden mit Platter in dem einen entscheidenden Punkt einig sind. Hier bleiben zu dürfen, muss man sich als Ausländer erst noch verdienen. Durch einen Dienst über das hinaus, was von einem gebürtigen Österreicher ansonsten erwartet wird.

Asylwerber, die sich trotz aller Versuche, sie hinauszuekeln und trotz fallweise schikanöser Behandlung seitens der Behörden redlich bemühten, sich in genau dieses Gemeinwesen zu integrieren, die trotz aller Schwierigkeiten selbst für ihren Lebensunterhalt gesorgt und inzwischen sogar Nachwuchs bekommen haben, der mittlerweile in österreichischen Kindergärten und Schulen zu guten Österreichern erzogen wurde, die sich keiner Gesetzesübertretung schuldig gemacht und sich auch noch - am besten durch ein Engagement in einem der zahllosen örtlichen Vereine, von der Feuerwehr über die Rettung bis hin zum Trachtenclub - ins Gemeindeleben eingeklinkt und damit als wertvolles Glied der näheren oder weiteren Gemeinschaft bewährt haben -, die hätten es doch "verdient", hier bei uns bleiben zu dürfen - so der Tenor der Befürworter eines Bleiberechtes. Uneinig sind sich die Kritiker mit Platter nur in Einem, in der Beurteilung, inwiefern den Zogajs dieser Nachweis gelungen ist. Platter bestreitet dies:

"Sie" - die Zogajs - "seien illegal gekommen, hätten rasch den ablehnenden Asylbescheid bekommen und seien trotzdem Jahre geblieben."(Die Presse vom 11.10.2007)

Die Zogajs haben doch glatt alle Rechtsmittel ergriffen, die das österreichische Recht vorsieht, anstatt von sich aus einzusehen, dass sie hier nicht erwünscht sind. Wenn das nicht gegen sie spricht! Damit sind nicht bloß die Zogajs ins Unrecht gesetzt, damit ist außerdem Platter argumentativ schnurstracks bei seinem eigentlichen Anliegen gelandet, beim Thema der Beschleunigung der Asylverfahren.

Der Missstand, den Politik und Öffentlichkeit fürderhin anhand des "Falls Arigona" fast ausschließlich dafür aber in aller Ausführlichkeit debattieren und dessen Behebung gefordert wird, hat mit dem, worum es den Zogajs ging und geht, nicht mehr das Geringste zu tun. Deren Anliegen ist nicht, schnell zu einem Bescheid zu kommen, die hätten gerne einen positiven Bescheid. Die kämpfen nicht mit der Dauer der Asylverfahren, sondern - und das tatsächlich seit Jahren - damit, hierzulande nicht "Inländer", sondern "bloß" "Ausländer" zu sein und allein deswegen schon für den bloßen Aufenthalt hierzulande eine Erlaubnis seitens der in dieser Frage einzig zuständigen hiesigen Staatsgewalt zu benötigen, die nach ganz anderen Kriterien - weder denen der Einheimischen und schon gar nicht nach denen der Zogajs - entscheidet.

Politik und Öffentlichkeit geht es um etwas völlig anderes. Die sehen Handlungsbedarf und fordern, das was schon seit einigen Jahren auf ihrer Agenda steht nun endlich umzusetzen und die seit Jahren unerledigten alten Asylfälle endlich einer rechtsstaatlichen Lösung zuzuführen. Ungeachtet geringfügiger Unterschiede in der öffentlichen Besprechung des "Falls Arigona" seitens SPÖ und ÖVP – Bundeskanzler Gusenbauer findet es anfangs "grauslich", "Leute, die schon ewig im Land sind", abzuschieben, ohne die Legitimität der Entscheidung oder die Zuständigkeit des Innenministers anzuzweifeln. Für Innenminister Platter hingegen spricht derselbe Sachverhalt, die lange Dauer des Verfahrens im Fall der Familie Zogaj, eher für ein schamloses Ausnutzen des Rechtsstaates - sind sich beide im Kern der Sache einig, dass die Asylverfahren beschleunigt werden müssen. Mit Hochdruck setzt die Regierung daher ihr Vorhaben eines "Asylgerichtshofes" um. Debatten, ob es nicht unmenschlich sei, Menschen nach sieben und mehr Jahren wieder in ihre Herkunftsländer abzuschieben, sind in Hinkunft dadurch ausgeschlossen, dass sie gar nicht mehr die Chance kriegen, sich bei uns einzuhausen und zu integrieren. Kurzerhand wird ihnen der Weg zum VwGH verschlossen. Der Minister selbst lässt sich für den Fall, dass er den Gang zum VwGH für nötig hält, natürlich nicht beschränken.

Für das im Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) vorgesehene "humanitäre Aufenthaltsrecht", das bisher nur von Amts wegen erteilt werden kann, fordert Justizministerin Maria Berger "klare Regeln für eine Objektivierung der Kriterien für die Anwendung des humanitären Bleiberechts zu schaffen. Damit dieses kein Gnadenrecht für Einzelfälle sei."(Die Presse vom 10.10.2007) Ende Oktober vorigen Jahres legt der VfGH eine solche Bleiberechts-Kriterienliste vor. "Sie verpflichtet die Behörden zu einer Prüfung jedes Einzelfalls, in dem es abzuwägen gilt, ob eine Ausweisung menschenrechtlich vertretbar ist oder nicht."(Standard vom 31.10./1.11.2007)

Wer der Drangsalierung der Ausländerbehörden schon ein paar Jahre lang erfolgreich widerstanden hat, also eine gewisse "Aufenthaltsdauer, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens", einen gewissen "Grades der Integration…, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert", nachweisen kann und sich dabei bedingungsloser Gesetzestreue befleißigt hat, der – nur der -kann unter Berücksichtigung von dessen "Bindung zum Heimatstaat und den Erfordernissen der öffentlichen Ordnung" gegen eine drohende Abschiebung sein Menschenrecht auf "Achtung des Privat- und Familienlebens" geltend machen.

Nach dem abweisenden VfGH-Erkenntnis über die letzte noch anhängige Beschwerde der Familie Zogaj im Dezember beeilt sich der Innenminister, klarzustellen, dass er auch in den beiden letzten der Republik verbliebenen Fällen der Causa Zogaj - dem von Arigona Zogaj und ihrer Mutter - die geforderten Voraussetzungen für einen humanitären Aufenthalt nicht als gegeben betrachtet, der Verwirklichung von deren Menschenrecht auf Privat- und Familienleben durch - diesen Zynismus lässt er sich nicht nehmen - "Zusammenführung" der Familie Zogaj mit Ende des Schuljahres nichts mehr im Wege steht - nicht in Österreich, versteht sich, sondern im Kosovo!

Der Bundeskanzler lässt anfängliche Bedenklichkeiten bleiben und stellt sich ganz hinter die Entscheidung des Innenministers:

"Die Entscheidung des Innenministers sei legitim, er habe auch die Kompetenz dazu. … Eine Ausweitung dieses Rechts, das der Innenminister gewähren kann, zu einem normierten, gesetzlich verankerten Bleiberecht, lehnt Gusenbauer strikt ab. "Die Botschaft wäre ja: Kommt alle nach Österreich!" (Presse vom 19.12.2007)

Wenn Gusenbauer sich hinstellt und weiters sagt:

"Ich halte es nicht für sinnvoll, dass wir uns hinstellen und so tun, als könnten wir alle Probleme der Welt alleine lösen"(Presse vom 19.12.2007)

entbehrt das gerade in Hinblick auf den Balkan nicht eines gewissen Zynismus. Von wegen Probleme lösen! Das Problem, mit dem sich die Zogajs herumschlagen dürfen, hat ihnen doch die versammelte Weltgemeinschaft unter mehr als nur beobachtender Teilnahme Österreichs doch überhaupt erst beschert. Oder sind es nicht die Resultate der von österreichischer Seite nach Kräften geschürten Jugoslawienkriege, mit denen sie heute zu kämpfen haben? Und ist es nicht dasselbe Österreich, dass im Sinne eines Erfolgs der von der EU betriebenen Gründung eines neuen Staates Kosovo darauf besteht, dass möglichst alle Kosovaren - die Zogajs inklusive - dieser ihrer neuen Heimat als Staatsvolk zur Verfügung stehen?

Fazit

Arigona selbst mag ja meinen, ihre Heimat sei Österreich. Dass man sich seine Heimat nicht aussuchen kann, schon gar nicht nach dem Kriterium, wo fühle ich mich wohl, dass Heimat zu aller erst ein staatliches Gewaltverhältnis ist, das bekommen Arigona Zogaj und ihre Familie gerade mit aller Härte staatlicher Gewalt zu spüren.

Die auch von Österreich massiv betriebene "europäische Perspektive" für den Balkan sieht den soeben neu geschaffenen Staat "Kosovo" eines Tages als EU-Mitglied vor. Dann stellt sich für die Familie Zogaj die Frage eines Aufenthaltes in Österreich völlig neu, sofern Arigona bis dahin ihre Selbstmorddrohung nicht wahr macht, und die Familie es geschafft hat - trotz Bürgerkriegszustand und trister ökonomischer Lage - über die Runden zu kommen.

Die Causa Zogaj - ein Lehrstück in Sachen Integration, Ausländerpolitik und Rechtsstaat