Mikrokredite - die Grameen Bank
Felber stellt die Grameen-Bank als eines von
vielen Beispielen dafür vor, dass es schon jetzt Unternehmen gäbe, die „inmitten des globalen Kapitalismus“ „Teil der Gemeinwohlökonomie“ seien.
„Nach der großen Hungersnot 1976 suchte
Yunus nach einer praktischen Lösung, um die Situation der Einkommensschwachen in
seinem Land zu verbessern. Er beobachtete, dass die armen Menschen für ihren
wirtschaftlichen Erfolg nur ein kleines Kapital brauchen, um Materialien und
Rohstoffe für ihr Handwerk zu erwerben. Da die großen Banken jedoch nicht bereit
waren, armen Menschen Kredite zu gewähren, und diese von Geldverleihern mit
Wucherzinsen abhängig waren, begann Yunus damit, eigenes Geld zu verleihen. Er
vergab Kredite an Personengruppen – fast ausschließlich Frauen -, die
füreinander bürgen. Erst wenn die ersten zwei Gruppenmitglieder ihren
persönlichen Kredit eine Weile regelmäßig zurückgezahlt haben, erhielten die
nächsten ihrerseits ein Darlehen, sodass eine pünktliche Rückzahlung im
Interesse aller war. Heute werden 98,35 % der vergebenen Kredite zurückgezahlt.“(Gemeinwohlökonomie,
S 114f)
1.
Was braucht der Hungernde? –
Einen Kredit!
Was muss man alles für normal finden, um so etwas wie die Grameen Bank als Hilfe
für die die Ärmsten der Armen zu feiern? Es ist schon eine ziemlich zynische
Wahrheit über die ökonomischen Existenzbedingungen auch in der sogenannten
Dritten Welt, dass die Indienstnahme des Überlebenskampfes der Armen zugunsten
des Bankkapitals den Charakter eine Hilfe annimmt.
Was muss schon alles gelaufen sein, wenn Leben und Arbeiten gar nicht ohne Geld
geht, ja, wenn Kredit, für den man vor allem anderen erst einmal dem Verleiher
Zinsen zahlen muss, als Hilfe daherkommen kann?
Dann müssen alle traditionellen Formen von Kooperation, Arbeitsteilung und
sozialem Zusammenhang durch die Macht des Privateigentums aufgelöst und zerstört
worden sein. Dieses Eigentum aber gehört, wie die erste Hälfte seines Namens
schon sagt, nicht den Armen, sondern reichen Privatleuten und
-gesellschaften. Weil denen alle Mittel zum Leben bis zum letzten Weizenkorn
gehören und weil sie diese nur gegen Geld herausrücken, sind die Armen auf
Gedeih und Verderb aufs Geldverdienen angewiesen. Sie müssten sich also als
Lohnarbeiter verdingen. Doch in solchen Ländern gibt es für die Mehrheit gar
keine Gelegenheit, für Lohn zu arbeiten; ihre Arbeitskraft ist für den dortigen
Geschäftsbedarf einfach überflüssig.
„Sich selbstständig
zu machen“ ist keine Alternative. Denn selbst
wenn sie nur für sich und ihren Lebensunterhalt arbeiten wollen, fehlen ihnen
dafür die einfachsten Mittel. Selbst die primitivsten Arbeits- und
Produktionsmittel – Saatgut, Nähmaschine, Wasserpumpe sind für sie unerreichbar,
nicht weil es an derlei Dingen mangelt, sondern weil es
ihnen an
Geld mangelt. In dieser Situation, in
der alle sachlichen Bedingungen vorhanden sind und nur noch ein Geldvorschuss
dafür fehlt, dass der mittellose Arme sich ans Werk machen kann, kann eine Bank
„helfen“, vorausgesetzt seine
Anstrengungen um einen Lebensunterhalt werfen zusätzlich auch noch einen Zins
ab.
Hat der Kapitalismus erst einmal Platz gegriffen, geht nichts mehr ohne Kapital
– und sei es in homöopathischen Dosen. Die mit Startgeld ausgerüsteten
Kleinstunternehmer haben nun das Glück, mit ihrem Angebot sich erstens gegen die
Konkurrenz der industriell erzeugten Importprodukte aus den entwickelten
Ländern, zweitens gegen den kämpferischen Geschäftssinn von ihresgleichen
behaupten und drittens die Ansprüche ihres wohltätigen Gläubigers befriedigen zu
dürfen – ehe ihre Arbeit sie ernährt.
2.
Von wegen Alternative zum globalen
Kapitalismus!
Yunus ist gerade besonders stolz darauf, dass sein Entwicklungsprojekt „ein Geschäft wie jedes andere“
(Handelsblatt) ist, das sich selbst finanziert und wächst. Die Bank kassiert ja
immerhin Zinsen um die 20% und für die gigantische Rückzahlungsquote sorgen
intensive Überwachung und soziale Kontrolle der Schuldner.
Mit ihren Zinserträgen und stetigen Rückflüssen, Spareinlagen usw. vergrößert
die Dorf-Bank ihre Finanzkraft stetig und findet immer mehr Nachahmer auch unter
global agierenden Privatbanken, die sich dieses neu erschlossene Geschäftsfeld
nicht entgehen lassen wollen. Auch hiesige Banken haben das Mikrofinanzgeschäft
längst als Geschäftsgelegenheit in ihr Repertoire aufgenommen und preisen diese
Sorte Kreditgeschäfte in Armutsregionen der Welt als sehr gute Anlagemöglichkeit
an. Die Erste Bank hebt in ihrer Vorstellung des ersten österreichischen
Mikrofinanz-Dachfonds für Privatanleger die hohe „Rückzahlungsmoral“ der
Mikrokreditnehmer und die niedrige Ausfallsquote hervor und wirbt mit einer Rendite
von 4% bis 6%.
Yunus hat sich geradezu verdient gemacht um den Ruf des globalen Kapitalismus.
Mit seiner moralisch besonders glaubwürdigen Erfindung, die ihr Motiv, Profit zu
erwirtschaften, gar nicht leugnet, hat er bewiesen, dass sich auch die ganz
Armen im Kapitalismus unterbringen lassen; d.h. dass sich auch für sie –
wenigstens für einige von ihnen – die Gleichung von Arbeit für den
Lebensunterhalt und Arbeit fürs Kapital organisieren lässt, in diesem Fall eben
fürs Kapital der Bank.