| GEGENSTANDPUNKT | GEGENARGUMENTE | 
            Warum und wie die USA den Iran             
            von seinem Atomprogramm abbringen wollen
            Während die 
            amerikanische Spionage- und Subversionsagentur CIA erst letzte Woche vermeldete, 
            aufgrund ihres Informationsstandes sei es eher unwahrscheinlich, dass der Iran 
            an einer Atomwaffe bastle, nutzte Präsident Obama den Besuch des israelischen 
            Premiers Netanjahu zu einer unverhohlenen Kriegsdrohung, die er mit dem 
            Versprechen garnierte: „Ich bluffe nicht!“
Das damit weiter auf- und ausgebaute Kriegsszenario gegen die Islamische Republik wird von zwei Protagonisten bestimmt: den USA und Israel. Deren Legitimation zur vorbeugenden nuklearen Entwaffnung Persiens wird von der hiesigen Öffentlichkeit im Prinzip nicht bestritten, obwohl der eine, Amerika, Atomwaffen als integralen Bestandteil seiner Rüstung führt und ihren Einsatz nicht nur nicht ausschließt, sondern schon zweimal mit durchschlagendem Erfolg und sehr nachhaltigen Folgen ausprobiert hat. Der andere Protagonist, Israel, verfügt über die Bombe, ohne dass ihm deswegen Vorhaltungen von seiner Schutzmacht und deren Bündnispartnern gemacht worden wären. Im Unterschied zum Iran konnten Israel nie Verstöße gegen den Atomwaffen-Sperrvertrag nachgewiesen werden – und zwar aus einem einfachen Grund: Es ist ihm gleich gar nicht beigetreten .
            Das mit einer 
            Kriegserklärung auf Abruf belegte Veto zweier so notorisch friedliebender und 
            der Gewaltanwendung als Mittel der Politik abholden Mächte wie Amerika und 
            Israel gegen die Anreicherung des Urans in Persien, das nicht bloß die 
            NATO-Mitglieder, sondern fast die komplette relevante Staatengemeinde mit 
            Ausnahme von Russland und China mit ihrem Handels- und Finanzboykott 
            unterstützen, hat seine Gründe nicht in einer Ablehnung dieser fürchterlichen 
            Waffe und hängt auch nicht davon ab, ob Teheran wirklich beabsichtigt, sie sich 
            zuzulegen. 
            Es ist vielmehr 
            so: Die Islamische Republik Iran entstand aus einem ungenehmigten Sturz des 
            Schahs; sie versteht sich als ein Staat, der höheren Werten, nämlich dem Gesetz 
            Allahs verpflichtet ist, und sie tritt kämpferisch-alternativ zum 
            Weltordnungsanspruch und zum Wertekanon des demokratischen Imperialismus an. Sie 
            nimmt sich also mit ihrer erklärtermaßen antiwestlichen und islamischen 
            Verfasstheit tatsächlich so etwas wie eine Systemgegnerschaft heraus, wirbt um 
            Partner und bietet sich als Partner an für die Staaten, die sich der 
            US-Vorherrschaft widersetzen wollen. Der Iran bestreitet den USA die Vormacht in 
            einer Region, in der sie „vitale Interessen“ verfolgen: von der 
            Energieversorgung über die ungeklärten Machtverhältnisse im Gefolge der 
            Arabellion bis hin zum aktuell angesagten Sturz der Regierung Assad in 
            Syrien, ganz zu schweigen von den Altlasten der Irak-Feldzüge und dem 
            unverbrüchlichen Sicherheitspartner Israel, das seinen Staatsgründungsprozess 
            auf Kosten der Palästinenser noch längst nicht abgeschlossen hat. Gefährlich 
            macht aus Sicht der USA den Iran auch dann noch, dass er über Mittel 
            verfügt, seinen amerikafeindlichen Umtrieben Geltung zu verschaffen. Durch die 
            Öleinnahmen verfügt er bislang über ökonomische und militärische Potenzen, 
            mittels derer er sich amerikanischen Weisungen nicht nur entziehen, sondern 
            gegen sie auch aufbegehren kann. Für die von den USA angeführte schöne freie 
            Welt des demokratischen Imperialismus ist der Iran also ein gefährlicher 
            Störenfried und wird entsprechend behandelt. Das heißt: Die USA zusammen mit 
            ihren Partner verlangen und befördern einen Regimewechsel. 
            In diesem 
            Zusammenhang steht also das Atomprogramm des Iran bzw. dessen Anfeindung durch 
            die USA und Co. Es ist für diese nicht erst dann unerträglich, wenn daraus eine 
            Atombombe erwächst, es ist von Anfang inakzeptabel, weil bereits der Aufbau 
            einer Kernenergietechnik der Natur der Sache nach immer auch die Möglichkeit 
            bereitstellt, neben dem Betrieb von Atomkraftwerken auch Atomwaffen 
            herzustellen. Für Verbündete und Partner der USA gilt diese Gegnerschaft 
            natürlich nicht. Deutschland, das ebenso wie die Ajatollahs offiziell und für 
            alle absehbaren Umstände auf Kernwaffen verzichtet hat, unterhält gleichwohl 
            schon lange das, an dessen Entwicklung der Iran noch arbeitet: eine waffenfähige 
            Kerntechnologie vom Feinsten. Japan oder Kanada bekommen trotz aller Konkurrenz 
            um Weltmarkt und Weltmacht nie Schwierigkeiten mit den Kontrollinstanzen des 
            Atomwaffensperrvertrags. Im Gegenteil: Ihnen hat Amerika als selbsterklärter 
            oberster Wächter dieses Vertrags damit ja gerade die Lizenz zur Entwicklung des 
            vollen nukleartechnischen Spektrums gegeben. Beim Iran wird aber die Kernfrage 
            nach möglichen sonstigen Verwendungen angereicherten Urans zum Anlass genommen, 
            die vertraglich vorgesehene Genehmigung zur zivilen Nutzung der Kernenergie zu 
            verweigern. Stattdessen wird das vertragliche Inspektionsregime als schikanöses 
            Kontrollregime, das vor allem als offiziell sanktionierte zwischenstaatliche 
            Spionage daherkommt, in Anschlag gebracht. Dabei ist die von den Kontrolleuren 
            offen ausgesprochene Grundlage des Verfahrens, dass Teheran das Misstrauen in 
            seine nukleartechnologischen Anstrengungen nur dadurch beschwichtigen könnte, 
            dass es sie einstellt. 
            Den Iran daran zu 
            hindern, seine Nutzung der Kernenergie so weit voranzutreiben, dass er die 
            Fähigkeit zum Bau von Nuklearwaffen erhielte, ist ein deutlich anspruchvolleres 
            Ziel als die bloße Verhinderung einer wirklich stattfindenden atomaren 
            Aufrüstung. Dementsprechend müsste auch das Zerstörungswerk eines Militärschlags 
            entweder der israelischen Luftwaffe im Alleingang, d. h. mit bloß logistischer 
            und waffentechnischer NATO-Unterstützung oder als Joint Venture mit den USA, 
            dimensioniert sein. Kein Wunder, dass dagegen noch Bedenken bis hin zum 
            Generalstab der israelischen Armee vorgebracht werden.
            Deshalb ist für 
            Obama das Repertoire der Weltmacht zur Eliminierung des iranischen Störfalls 
            noch nicht ausgeschöpft und seine Drohung mit dem Militärschlag als Ultima Ratio 
            soll den israelischen Freund vom schneidigen Vorpreschen mit schwer 
            vorhersehbaren Folgen zurückhalten. Anders als z. B. beim Abservieren Gaddafis 
            behalten sich die USA in der Causa Iran die Führungsrolle ausdrücklich vor. 
            Titel, die die USA selbst zu allen Maßnahmen berechtigen und derentwegen 
            sich die „Staatengemeinschaft“ dem Kampf gegen den Iran anzuschließen hat, 
            werden fabriziert, so dass sich manch aufmerksamer Beobachter ob deren 
            „Plumpheit“ und „Unglaubwürdigkeit“ an den denkwürdigen Auftritt von Bushs 
            US-Außenminister Colin Powells im Sicherheitsrat mit den „unwiderlegbaren 
            Beweisen“ für die Massenvernichtungswaffen des Iraks erinnert. Ein angeblich vom 
            Iran geplantes Attentat gegen den saudischen Botschafter in den USA erfüllt nach 
            amerikanischer Lesart den Tatbestand der Planung eines terroristischen Anschlags 
            auf amerikanischem Boden und rückt den Fall damit in die Nähe von 9/11: die 
            Regierung des Irans – ein „Terrorregime“, das die Souveränität anderer Staaten 
            nicht achtet und die USA auf deren eigenen Boden angreifen will. Daraus leitet 
            die Obama-Administration ihre Berechtigung zum Schlag gegen den Iran auch ohne 
            internationale Mitwirkung bzw. UNO-Mandat ab. Vorab schaffen die USA 
            weitreichende Fakten, allen voran die unilateralen Sanktionen, die 
            völkerrechtlich Kriegshandlungen gleichkommen, und stellen damit Russland 
            und China vor die Entscheidung, ob sie sich das gefallen lassen wollen. 
            Deutschland und die EU reihen sich mittlerweile reibungslos in die 
            Anti-Iran-Front ein. Sie wirken an der „Lähmung“ des Irans mit eigenen 
            Sanktionen mit.
            Die Angriffe 
            zielen auf Ruinierung des Irans: Alle Mittel, über die dieser Staat verfügt, 
            werden ihm streitig gemacht. So wird mit den Kräften einer Supermacht daran 
            gearbeitet und das Feld vorbereitet, den Iran endgültig in die Knie zu zwingen. 
            Die USA geben gar nicht erst vor, die jetzt in Kraft tretenden 
            Wirtschaftssanktionen sollten bloß das Atomprogramms des Irans blockieren. Sie 
            sollen dessen auf Öl- und Gasverkauf basierende Binnenwirtschaft zerrütten und 
            ihn vom internationalen Geldverkehr abschneiden, also aller Geldquellen 
            berauben, mit deren Hilfe er sich den USA in den Weg stellen kann. So soll der 
            Iran international handlungsunfähig gemacht werden,
            Mit der „Patriot 
            Act“ hat die Obama-Regierung jeglichen Wirtschaftsverkehr mit iranischen Banken 
            als Akt der Geldwäsche und Bedrohung ihrer Homeland Security 
            eingestuft. Jedes Unternehmen aus Drittstaaten – den amerikanischen ist der 
            Verkehr sowieso längst verboten –, das Handelsverträge mit dem Iran abschließt 
            und gleichzeitig ein Konto bei einer amerikanischen Bank führt, riskiert, ohne 
            weitere Vorwarnung eines schweren Vergehens angeklagt und vom Geschäftsverkehr 
            mit den USA ausgeschlossen zu werden. 
            Staaten in der 
            Gesamtregion Naher und Mittlerer Osten, die unter Bush noch zögerten, sich in 
            die Front gegen den Iran einzureihen, weil sie keinen – weiteren – Krieg in der 
            Region haben wollten, werden durch Aufbereitung einer „kriegerischen Lage“ in 
            diese hineingezogen. Mit den Sanktionen erleiden nicht nur der Iran, sondern 
            auch dessen Nachbarn ökonomischen Schaden; beteiligen sie sich an den 
            Boykottmaßnahmen gegen den Iran, machen sie sich zu Frontstaaten gegen ihn. 
            Dafür werden die Golfstaaten von den USA mit allen nötigen militärischen Mitteln 
            aufgerüstet. Als Aufmarschgebiet unentbehrlich für die USA, darf Bahrein den 
            Aufstand seiner Bevölkerung mit Hilfe saudi-arabischer Interventionstruppen 
            niederschlagen, und selbst das freundschaftliche Anmahnen von 
            „Demokratiedefiziten“ Saudi-Arabiens unterbleibt, seitdem die Konfrontation mit 
            Iran auf die Tagesordnung gesetzt ist. Der Bürgerkrieg in Syrien bzw. die 
            regierungsfeindlichen Kämpfer können sich des Wohlwollens der USA gewiss sein, 
            da so ein Verbündeter des Iran und seine wichtigste Stütze im Nahen Osten 
            entscheidend geschwächt wird.
            Ziemlich abgebrüht 
            und kritisch bloß in den technischen Details nimmt die demokratische 
            Öffentlichkeit auch den Übergang der US-Administration vom „War on Terror“ 
            zum terroristischen Kleinkrieg zur Kenntnis: Ganz offensichtlich sind CIA und 
            Mossad mit vorbeugenden Hinrichtungen gegen führende iranische Wissenschaftler 
            unterwegs, und, wie geballt vorkommende „Unfälle“ sowie das Lahmlegen von 
            Steuerungssoftware mittels Trojanern in Rüstungsanlagen belegen, auch mit 
            direkter Sabotage.
            Wenn die Regierung 
            in Teheran in dieser Frage in Übereinstimmung mit der bei uns als „demokratische 
            Alternative“ zu Ahmadinedschad und den Mullahs ansonsten sehr geschätzten 
            Opposition von lauter Kriegsakten spricht, hat sie zwar Recht. Die USA 
            und ihre Helfershelfer bestärkt das allerdings nur in der Hoffnung, auf dem 
            Erfolgsweg zu sein, weil der Feind offensichtlich getroffen wurde, wenn er sich betroffen 
            gibt.