VON DER MÄR, DIE UNGLEICHE EINKOMMENSVERTEILUNG WÄRE DER GRUND VON FINANZ- UND STAATSCHULDENKRISE
        
        Seit Ausbruch der Finanzkrise erfreut sich die in 
        die Jahre gekommene Ideologie der „ungleichen 
        Einkommens- und Vermögensverteilung“ ganz neuer Beliebtheit. Mag vielleicht 
        in der Vergangenheit der eine oder andere Vertreter dieser Ideologie an den 
        Schaden derer mit geringem Einkommen gedacht haben, spätestens seit der 
        Finanzkrise kennen die modernen Vertreter dieser Ideologie ganz andere 
        Geschädigte. Da schädigte die ungleiche Einkommens- und Vermögensverteilung zum 
        einen die Wirtschaft, weil die Reichen 
        so viel Geld in die Hände bekamen, dass sie letztlich gar nicht anders konnten, 
        als ihr „hohes frei verfügbare Einkommen“ 
        zu verspekulieren. Das Ergebnis war die Finanzkrise. Und in der aktuellen 
        Verlaufsform, der Staatsschuldenkrise schädigt sie außerdem sogar noch den 
        Staat, der sich an den niederen Einkommen des Gros seiner Bürger nicht 
        ausreichend bedienen kann und daher gezwungen ist, sich zu verschulden. 
        
        
        
        
        1.    
        
        Was ist von der Aussage zu halten, die Einkommen 
        und Vermögen wären ungleich verteilt?
        
        Seit Jahrzehnten beklagen Kritiker eine ungleiche 
        Verteilung der Einkommen. Ebenfalls seit Jahrzehnten entgeht denselben Kritikern 
        nicht, dass die Einkommensschere nicht nur nicht kleiner wird, sondern im 
        Gegenteil immer weiter aufgeht. So heißt es in einem Positionspapier von „Wege aus der Krise“: 
        
        „Die 
        Tendenz zu einer stärkeren Konzentration der Finanz- und Immobilienvermögen, zu 
        einem Rückgang des Anteils der Lohneinkommen am gesamten Volkseinkommen und zu 
        einer Zunahme der Spreizung zwischen hohen Einkommen einerseits und mittleren 
        bzw. niedrigeren Einkommen andererseits ist seit Beginn der 1980er Jahre in fast 
        allen Ländern zu beobachten.“(Markus Marterbauer: Zahlen bitte!, S26)
        
        Sich zu erklären, wie es sein kann, dass die 
        Einkommen Jahr für Jahr weiter auseinanderdriften, ob es nicht doch einen Grund 
        gibt, der diese Gesellschaft bzw. ihre Produktionsweise zentral beherrscht und 
        diese für unsere Gesellschaft charakteristische Einkommensveteilung 
        hervorbringt, der die einen reich und reicher macht und die anderen nie aus 
        ihrer Armut entlässt, ob es nicht einen Grund gibt, der dafür sorgt, dass die 
        Differenz von Arm und Reich nicht nur unausrottbar ist, sondern sich im 
        Gegenteil ständig vertieft, ist die Sache von Kritikern wie Marterbauer nicht. 
        
        Ungleich verteilt kann doch nur sein, was überhaupt 
        verteilt wird. Davon ist aber beim besten Willen nichts zu sehen. Weder kommt 
        der jährlich produzierte Reichtum als ein großes Gemeinschaftwerk zustande, und 
        schon gar nicht gelangt anschließend irgendwo irgendwas zur Verteilung. 
        
        Wenn man schon dem Glauben anhängt, Einkommen 
        würden irgendwie verteilt, wäre außerdem schon noch zu erklären, wieso es denn 
        immer dieselben sind – die Lohnabhängigen nämlich – die bei dieser Verteilung so 
        schlecht weg kommen. Das dürfte dann wohl doch eher etwas mit ihrer besonderen 
        Stellung im Produktionsprozess – mit ihrer besonderen Einkommensquelle also - zu 
        tun haben, als mit einer angeblich ungerechten Einkommensverteilung. 
        
        Anders als beim Verteilungsgedanken unterstellt, 
        führt die beiden Seiten – Unternehmer und Lohnabhängige - nicht das gemeinsame 
        Interesse an einem gemeinsamen Resultat zueinander, das sie nach getaner Arbeit 
        teilen. Es ist vielmehr so, dass die Unternehmer als Arbeitgeber Geld ausgeben, 
        dafür Arbeitsvermögen - die Fähigkeit der Arbeitnehmer, mehr Reichtum 
        herzustellen, als ihr eigenes Arbeitsvermögen kostet -, kaufen, dieses 
        Arbeitsvermögen in ihrem Betrieben anwenden und schließlich das Arbeitsresultat 
        verkaufen, das ihnen – als Eigentümer aller Produktionsfaktoren inklusive des 
        eingekauften Arbeitsvermögens gehört. Ihr einziger damit verfolgter Zweck ist 
        es, den in Geld gemessenen Reichtum ihres Unternehmens durch diese Operationen 
        zu vergrößern. Maß ihres Erfolgs ist die Größe des über den getätigten Vorschuss 
        erzielten Überschusses. 
        
        Verfolgen können sie diesen Zweck, weil sich am 
        Arbeitsmarkt das entscheidende Werkzeug ihrer Reichtumsvermehrung als käufliche 
        Ware vorfindet – Arbeitsvermögen, die Fähigkeit Reichtum zu produzieren. Dass 
        die Träger dieses Arbeitsvermögens, die Lohnabhängigen, sich auf diesen Handeln 
        einlassen, hat seinen letzten Grund in der Alternativlosigkeit ihrer Lage. Qua 
        staatlich verbindlich gemachtem Privateigentum sind sie von allen anderen 
        Möglichkeiten, sich ein Auskommen zu verschaffen getrennt und damit abhängig 
        davon gemacht, einen Arbeitgeber zu 
        finden, der ihnen das Angebot macht, sie in seinem Betrieb gegen Zahlung eines 
        Lohns zu beschäftigen. Dieses Angebot macht er seinem Zweck gemäß freilich nur, 
        wenn sich der Kauf für ihn lohnt. Sie 
        kriegen ihren Lohn für den Dienst, dem Unternehmen, das sie beschäftigt, mehr an 
        geldwerter Leistung zu erbringen, als sie selbst bzw. ihr Arbeitsvermögen 
        kosten. Sie werden einzig für den Dienst bezahlt, ihren Anwender reicher zu 
        machen, ein Dienst der umso besser gelingt, je weniger sie selbst verdienen, je 
        geringer ihr Lohn  - ihr Anteil am von 
        ihnen produzierten Reichtum - ist. Die von den verschiedensten Sozialbewegungen 
        und sozialkritischen Ökonomen bemäkelte bemäkelte „Einkommensverteilung“ ist daher, anders als behauptet, kein Ergebnis einer 
        Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums, sondern das systematische Resultat 
        des Zwecks allen Arbeitens in dieser Gesellschaft. Den kapitalistischen Reichtum 
        gibt es also überhaupt nur in der „Verteilung“, 
        die da angeprangert wird. Dieser 
        Reichtum braucht und schafft dauerhaft Arme, die ihn herstellen, und er 
        produziert darüberhinaus permanent Arme, die als absolut überflüssige 
        Arbeitskräfte unbrauchbar sind und sehen dürfen, wie sie trotzdem irgendwie über 
        die Runden kommen. Im Kapitalismus gehören Armut und Überfluss notwendig 
        zusammen. 
        
        
        
        2.    
        
        Einkommensungleichheit als Grund für die 
        Finanzkrise
        
        Mag der eine oder andere Vertreter der Ideologie 
        der falschen, ungerechten Einkommensverteilung bisher vielleicht noch an den 
        Schaden derer mit geringem Einkommen gedacht haben, spätestens seit der 
        Finanzkrise ist die Debatte um die „ungleiche 
        Einkommensverteilung“ kaum mehr von der Sorge um die Geringverdiener 
        getragen, sondern von der um die Wirtschaft:
        
        „Die 
        internationale Finanz- und Wirtschaftskrise wurde von Zusammenbruch der Blase 
        auf dem US-Immobilienmarkt ausgelöst. Doch ihre tiefer liegenden Ursachen sind 
        vielfältig. Eine wichtige Ursache der Krise besteht in der weltweiten Ausweitung 
        der Ungleichheit in der Verteilung von Vermögen und Einkommen seit den 1980er 
        Jahren.“(Markus Marterbauer: „Zahlen 
        bitte!“, S26)
        
        Mit der Frage nach dem Grund der scheinbar nicht 
        nur unausrottbaren, sondern sich im Gegenteil Jahr für Jahr vertiefenden Kluft 
        zwischen Arm und Reich hält Marterbauer sich nicht lange auf. Ihn beschäftigt 
        was anderes: 
        
        „Die 
        Zunahme der Ungleichheit in der Verteilung der Einkommen hat die 
        gesamtwirtschaftliche Nachfrage in allen Ländern geschwächt.“ (Markus 
        Marterbauer: „Zahlen bitte!“, S30)
        
        Laut Marterbauer ist die durch die zunehmende 
        Ungleichheit der Einkommensverteilung bewirkte „Schwächung“ der „gesamtwirtschaftlichen Nachfrage“ 
        eine der wesentlichen Gründe der Finanzkrise. Die schon für sich falsche 
        Erklärung der Einkommensverhältnisse als Resultat einer „ungleichen Einkommenverteilung“ wird von ihm ausgebaut zu einer ebenso 
        falschen Erklärung der Finanzkrise. 
        
        Er schreibt, die ungleiche Einkommensverteilung 
        hätte zu einer Schwächung der Nachfrage geführt. Das Problem soll also sein, es 
        wird zu wenig nachgefragt. Man könnte meinen, ein doch ein wenig seltsames 
        Problem. Was, wenn alle hätten, was sie brauchen? Wenn alle Bedürfnisse 
        befriedigt wären. An die Stelle des Reichs der Notwendigkeit wäre das Reich der 
        Freiheit getreten, in dem sich jeder jenseits des Zwangs der puren Reproduktion 
        den Tätigkeiten widmen könnte, die ihm Freude bereiten. Objektiv wäre das ein 
        glücklicher, ein anzustrebender Zustand. Offenbar nicht in unserer Wirtschaft 
        und an deren Notwendigkeiten richtet Marterbauer sein Denken aus. Jeder Rückgang 
        der Nachfrage - dass Leute heute weniger kaufen können oder wollen als noch 
        gestern – bringt für ihn die Wirtschaft an Rand des Abgrunds. 
        
        An dieser Stelle gerät Marterbauer die 
        Einkommensverteilung in den Blick. Was wenn die Menschen nicht nachfragen 
        können? Was das betrifft tut er sich wahrlich nicht schwer fündig zu werden und 
        hat damit zugleich (s)einen ersten Grund für die Finanzkrise ge- besser 
        erfunden. 
        
        „Den 
        unteren sozialen Gruppen mit hohem Konsumbedarf fehlten die verfügbaren 
        Einkommen.“(Markus Marterbauer: „Zahlen 
        bitte!“, S30)
        
        Diese „unteren 
        sozialen Gruppen“ können die ihnen von Marterbauer zugedachte Funktion 
        Versilberer der Unternehmensgewinne zu sein schlicht deswegen nicht wahrnehmen, 
        weil es ihnen am nötigen Kleingeld fehlt. Wem jetzt die Not derjenigen einfällt, 
        von denen da die Rede ist, hat das Thema verfehlt. Mit der Bezeichnung dieser 
        Gruppe als „untere soziale Gruppe mit hohem Konsumbedarf“ will er nämlich nicht 
        kritisieren, dass ziemlich viele ziemlich wenig vom von ihnen produzierten 
        Güterberg abbekommen, sondern Auskunft über eine von ihm entdeckte nützliche 
        Seite ihrer Armut geben. Für die Einkommensbezieher dieser Gruppe – in aller 
        Regel die Arbeitnehmer – gibt das verdiente Geld nicht mehr her als ihre 
        Reproduktion. Jeder Euro mehr für diese Arbeitnehmer wird von ihnen sofort 
        ausgegeben, einfach weil ihr Einkommen längst nicht dafür reicht, ihre 
        gewöhnlichen Konsumbedürfnisse zu befriedigen. Ein Umstand den Politik und 
        Wirtschaft nur leider sträflicherweise allzusehr vernachlässigen. 
        
        Diese hinsichtlich der Leistung der 
        Marktwirtschaft für den Lebensunterhalt der Lohnabhängigen an sich vernichtende 
        Auskunft kommt bei Marterbauer also gar nicht als der Schaden der Arbeitnehmer 
        daher, der er faktisch ist. Er sieht in ihm im Gegenteil einen Ansatzpunkt dafür 
        einen ganz anderen Schaden – den der Wirtschaft nämlich – abzuwenden. Mehr Geld 
        für die Arbeitnehmer und die Unternehmer könnten mehr verkaufen. 
        
        Aus der Sicht des von den Menschen erwarteten 
        Dienstes für die Wirtschaft klärt sich auch die in der Redeweise vom „hohen
        Konsumbedarf“ steckende Verdrehung. 
        Nicht ihr Einkommen reicht nicht für ihren Konsum, sondern sie haben einen
        hohen – weil unbefriedigten - Konsumbedarf! Nicht diesem Konsum 
        gilt sein Interesse, sondern dem Dienst 
        den dieser Konsums der Wirtschaft leisten könnte. Die „unteren sozialen Gruppen“ können so wie die Dinge liegen ihrem Auftrag, der 
        Ökonomie zu der für sie unbedingt nötigen Nachfrage zu verhelfen, nicht 
        ordentlich nachkommen, weil man ihnen die dafür nötigen Mittel nicht zukommen 
        lässt. 
        
        Dass der Lohn der Lohnabhängigen nie für die 
        ausreichende Befriedigung ihrer Konsumbedürfnisse reicht, ist aber alles andere 
        als ein Zufall. Sie haben sich gar nicht zu spät bei einer
        Verteilung von Einkommen angestellt, 
        sondern ihr Einkommen verdient für den
        Dienst am fremden Reichtum. Dieser 
        Dienst am fremden Reichtum ist das alleinige Kriterium, ob und über wieviel an 
        Einkommen sie überhaupt verfügen. Dieser Dienst bringt es dann mit sich, dass 
        sie wenn überhaupt über ein immerzu sehr geringes Einkommen verfügen. Auf jeden 
        Fall zu gering, den Unternehmern ihre Waren zu versilbern. Dass sie das von 
        ihnen an ihren Arbeitsplätzen 
        hergestellte Produkt nicht zurückkaufen können, ist nicht die Ausnahme sondern 
        das leitende Prinzip der kapitalistischen Produktionsweise. Woher kämen sonst 
        auch die Gewinne der Unternehmen, um die sich bekanntlich alles dreht? 
        
        All diese Bestimmungsgründe des Lohns sind 
        Marterbauer aber herzlich egal. Ihn treibt eine ganz andere Frage um, die Frage 
        nämlich, wie das Überhandnehmen des Finanzsektors - seiner Meinung nach letzter 
        Grund der Finanz- und Staatsschuldenkrise - zu verhindern wäre. 
        
        Mit diesem Interesse wendet er sich dem anderen 
        Ende des Einkommensspektrums zu. Unterschiede zwischen den verschiedenen 
        Einkommensquellen – die einen verdienen ihr Brot durch Lohnarbeit, die anderen 
        lassen ihr Geld arbeiten – nimmt er mit der Kategorie „obere Einkommensgruppe“ einzig in 
        quantitativer Hinsicht zur Kenntnis. Wie schon bei den Geringverdienern 
        betrachtet er auch die Besserverdiener und ihr Einkommen unter dem Gesichtspunkt 
        des Beitrags dieser Personengruppe zur „wirtschaftlichen 
        Dynamik“. Was das Überhandnehmen des Finanzsektors betrifft ist dabei etwas 
        störend aufgefallen: 
        
        „Bei den 
        oberen Einkommensgruppen war zwar das Einkommen vorhanden, allerdings waren die 
        Konsumwüsche weitgehend befriedigt. Sie wollten das überschüssige Einkommen 
        investieren. Sie wollten das überschüssige Einkommen investieren. So wuchs das 
        Spielkapital, das meist über Banken auf den Finanzmärkten veranlagt wurde. Mit 
        dem rasch steigenden Volumen des Finanzkapitals wurden die Anlageformen immer 
        risikoreicher, Finanzinnovationen boomten. Anleger in Deutschland und Österreich 
        suchten wegen der geringen inländischen wirtschaftlichen Dynamik meist nach 
        Veranlagungsmöglichkeiten im Ausland, im Fall Deutschlands meist im US-Casino, 
        in jenem Österreichs im goldenen Osten.“ (Markus Marterbauer: „Zahlen bitte!“, S30)
        
        Was muss er feststellen? Die Konsumbedürfnisse 
        der Menschen mit den besseren Einkommen sind befriedigt. Ein, sollte man meinen, 
        an sich erfreulicher Umstand, der Marterbauer aber ganz und gar nicht zufrieden 
        stellt. Nicht etwa, weil da manch einer auf Kosten der anderen lebt. Ganz Ökonom 
        sieht er ein ganz anderes Problem: Ihm leuchtet ein, dass die Bezieher hoher 
        Einkommen gar nicht anders können, als spekulative Anlagen zu tätigen und in 
        immer riskantere Finanzprodukte zu investieren. Zumal ja die Gewinnaussichten in 
        der Realwirtschaft wegen laufender Senkungen des Reallohns der breiten Massen 
        und damit zunehmend geringerer Kaufkraft in deren Händen sowieso zu wünschen 
        übrig lassen. Eine heillosen Aufblähung des Finanzsektors ist da gar nicht zu 
        vermeiden: 
        
        „Die 
        internationalen Kapitalströme wurden dadurch aufgebläht. … Die wachsende 
        Bedeutung des Finanzsektors ist deshalb eine direkte Folge der zunehmenden 
        Ungleichheit der Verteilung.“
        
        Also auch auf Seiten der Reichen schon wieder 
        Fehlanzeige! Einkommen „zwar (!) vorhanden“, 
        aber Konsumbedürfnisse schon befriedigt!! Das von Marterbauer dem Konsum 
        gewidmete Einkommen haben die, die es dafür nicht brauchen, nicht denen gegeben, 
        die es für Konsum gebrauchen hätten können. Nein sie wollten das „überschüssige“ Einkommen – wie sich dieser Überschuss bloß immer einstellt? 
        – investieren! 
        
        Soll man sich jetzt wirklich vorstellen, 
        Unternehmer investieren, weil sie nicht mehr wissen, was sie noch kaufen 
        könnten? Würden die Unternehmer ihr Geld tatsächlich nur für den Konsum 
        ausgeben, wäre dies nach marktwirtschaftlichen Kriterien doch eine tatsächlich 
        hochgradig unzweckmäßige Verwendung ihres Reichtums. Mit dem Reichtum des einen 
        oder anderen Unternehmers wäre es bei einem derartigem Verhalten nebenbei 
        ziemlich schnell auch schon wieder vorbei. Die wahre Verwendung von Geldreichtum 
        in der Marktwirtschaft, in der sich bekanntlich alles ums Geld dreht, ist die 
        Investition: Geld wird auszugeben, um es zu vermehren: G – G`. Der Konsum fällt 
        dabei als bloßes Nebenprodukt, als Gratisgabe des bereits aufgehäuften Reichtums 
        ab. Gänzlich unbekannt ist das auch Marterbauer nicht. Woraus sonst nährt sich 
        denn sein Gewissheit, dass die mit Konsumgütern übersättigten „oberen Einkommensgruppen“ irgendwie 
        gar nicht anders können, als ihr „überschüssige 
        Einkommen“ unbedingt zu investieren. Er will bloß keinen Schluss auf die 
        Produktionsweise ziehen. 
        
        Alles in allem auch eine Kritik an der ungleichen 
        Einkommensverteilung, die Marterbauer in seinem Buch abgeliefert hat: die 
        unteren Einkommensbezieher sollen mehr Einkommen beziehen, damit die oberen mit 
        dem zu vielen Geld in ihren Händen keinen Schaden an der - mit einiger 
        Berechtigung könnte man auch sagen, an 
        ihrer - Wirtschaft anrichten können. Weil sie nicht wussten, was sie sonst 
        noch mit ihrem Geld tun könnten und mangels Einkommen der unteren sozialen 
        Schichten keine Gelegenheit für anderweitig gute – mit der Erzeugung von 
        Konsumgütern verbundene - Geschäfte in der Realwirtschaft hatten, mussten sie 
        zwangsläufig die schlechten Geschäfte ausweiten - Geld als „Spielkapital“ einsetzen und es 
        schließlich mit immer risikoreicheren Wertpapieren verzocken. 
        
        Die Krux liegt für Marterbauer nicht im Zweck 
        aller Investitionen – der Vermehrung geldwerten Reichtums. Dass es in dieser 
        Welt ohne anständige Profitrate keinen einzigen Besen gibt, gehört auch für 
        Marterbauer zur größten Selbstverständlichkeit. Aber dass Profit glatt auch mit 
        spekulativen Wertpapieren und damit ohne den Umweg über Produktion und 
        Ausbeutung von Arbeitskraft gemacht wird, 
        das hält er für nicht in Ordnung. Von der Gemeinsamkeit der Rechnungsweisen 
        von produktiven und Geldkapitalisten – von Realwirtschaft und Finanzkapital - 
        will Marterbauer nichts wissen. 
        
        Ihm geht es um eine Sortierung der Geschäfte in
        gute, nämlich mit der Erzeugung von 
        Gebrauchsgegenständen verbundene, und 
        schlechte, um Geldvermehrung pur mittels diverser „Finanzinnovationen“. Nicht dass er 
        prinzipiell etwas gegen Geldkapital hätte – dass Eigentum allein schon deshalb 
        wächst, wenn man genug davon hat, ist auch für ihn gegessen – nur zu viel von 
        dieser Sorte Reichtum, das ist problematisch, siehe Finankrise. Warum das nicht 
        gehen können soll, nicht so wichtig! Dafür braucht er keine Begründung. Jetzt im 
        Nachhinein weiß er einfach, die Bedeutung des Finanzsektors war einfach zu groß 
        ist. 
        
        Einen ganz anderen Geschädigten durch die 
        „ungleich Einkommensverteilung“ kennt die Bewegung „Wege aus der Krise“:
        
        
        
        3.    
        
        Einkommensungleichheit als Grund für die 
        Staatsschuldenkrise
        
        „Das Problem ist, dass er“ - der 
        Reichtum - „ungleich verteilt ist: Eine 
        Minderheit besitzt den Großteil des Vermögens, wodurch die Mehrheit relativ 
        geringe Einkommen erzielt und der Staat sich verschulden muss. Würden Einkommen 
        und Vermögen gerechter verteilt, hätten wir weder ein privates noch ein 
        öffentliches Schuldenproblem. Es trifft vielmehr zu, dass die reichen Eliten 
        über die Verhältnisse der Gesellschaft leben und die Frage lautet, ob wir uns 
        eine derartige Konzentration des Reichtums noch leisten können und wollen.“
        
        Was 
        ist laut „Wege aus der Krise“ das 
        Schlimme an der derzeitigen als ungleich bzw. ungerecht charakterisierten 
        Einkommensverteilung? Der Staat leidet 
        an finanziellen Engpässen und kann einfach nicht anders als sich zu verschulden. 
        Der Staat ist in der Klemme, weil bei seinen armen Bürgern nichts zu holen ist. 
        
        Wäre 
        dies tatsächlich der Grund der Staatsverschuldung, müsste dann der Staat im 
        Interesse seiner Krisenbewältigung nicht als Erster ein Interesse an einer 
        Erhöhung dieser niederen Einkommen haben? Als überlegene Gewalt wäre ein 
        Eingreifen in die Einkommensverteilung im Sinne derer, die immer zu kurz kommen, 
        fällig. Schon aus wohlverstandenem Eigeninteresse. Das schiere Gegenteil ist 
        europaweit zu beobachten. Der gegenwärtige soziale Kahlschlag im Rahmen der 
        staatlichen „Krisenbewältigung“ 
        beweist im übrigen, dass der Staat, wenn er es für seine Zwecke für notwendig 
        und nützlich hält, bei den sozial Schwachen immer noch etwas zu holen weiß - und 
        zwar ohne Rücksicht darauf, was das für die Betroffenen bedeutet. 
        
        Drängt 
        sich umgekehrt die Frage auf, warum er sich denn nicht einfach bei denen 
        bedient, bei denen das Vermögen zu Hause ist. Wer oder was hindert ihn daran? 
        Warum um alles in der Welt ist er ausgerechnet auf die fixiert, bei denen seiner 
        angeblichen eigenen Einschätzung nach nichts oder jedenfalls nicht genug zu 
        holen ist. Schließlich ist der Staat in diesen Entscheidungen souverän, bedient 
        sich wo und in welcher Höhe immer er es für richtig und angemessen hält. Er 
        selbst ist es doch, der die ganze Gesellschaft – sich eingeschlossen - auf die 
        Anerkennung des Privateigentums verpflichtet. Um diese staatliche Souveränität 
        wissen doch auch „Wege aus der Krise“ 
        Bescheid. Was hätte sonst das Begehr der Allianz an den Staat in diese Richtung 
        aktiv zu werden auch für einen Sinn? 
        
        Bleibt 
        zuguterletzt im Dunkeln, warum der Staat sich – wie „Wege aus der Krise“ wissen wollen - unbedingt „verschulden muss“? Wer oder was zwingt ihn denn dazu? Diese Behauptung 
        stellt die wirklichen Verhältnisse eingermaßen auf den Kopf. Geflissentlich 
        übersehen die Vertreter von „Wege aus der 
        Krise“, dass von einer Geldnot der Staaten, von einem Zuviel an Ausgaben 
        verglichen mit den Einnahmen, schon deswegen nicht die Rede sein kann, weil 
        Staaten keine Einnahmen-Ausgaben-Rechner sind, wie die sprichwörtliche brave 
        Hausfrau. Anders als diese entscheiden Staaten nämlich qua ihrer hoheitlichen 
        Gewalt über ihre Gesellschaft ganz souverän über beide Seiten ihrer Bilanz - 
        über Einnahmen ebenso wie über Ausgaben. Sie sind in der einmaligen Lage, über 
        beide Seiten ihrer Budgets – über ihre Einnahmen ebenso wie über ihre Ausgaben – 
        ganz nach eigenem Ermessen zu entscheiden. Wo und in welcher Höhe er Geld in 
        Form von Steuern und Gebühren an sich zieht, schreibt niemand anderer als er 
        sich selbst in seinen Steuergesetzen fest. Gesetze, die er regelmäßig auch 
        wieder reformiert, wenn er es für nötig hält. Nicht anders verhält es sich bei 
        seinen Ausgaben. Einzig er entscheidet und zwar entlang seiner Zwecke, ob und 
        wofür er Geld in die Hand nimmt: was er sich sein Militär, sein Bildungssystem 
        oder seinen Sozialstaat kosten lässt. Ausgerechnet diesen Staat, der in seiner 
        finanziellen Gebahrung nach beiden Seiten hin frei ist, soll man sich als 
        Getriebenen vorstellen, der, die Einkommensverteilung gegeben, nicht anders 
        kann, als sich zu verschulden. 
        
        Der 
        Umstand, dass - wie die Bewegung vorrechnet - aufaddiert ausreichend Vermögen 
        für die staatlichen Finanzbedürfnisse vorhanden wäre, der Staat sich aber dessen 
        ungeachtet lieber verschuldet, lässt in Wahrheit doch nur einen Schluss zu: der 
        Staat will(!) sich nicht einfach an den vorhandenen Vermögen bedienen. 
        
        Er ist 
        sich nämlich eines grundsätzlichen Widerspruchs bewusst. Als Einkommensquelle 
        hat er sich eigens eine Wirtschaft eingerichtet, deren immanenter Zweck Wachstum 
        von geldförmigem Reichtum ist. Mit diesem ihrem Zweck entspricht sie seinem 
        Bedürfnis, über eine beständig wachsende finanzielle Basis zu verfügen. 
        Förderung des Wachstum wo immer möglich heißt daher der Imperativ seiner 
        Wirtschaftspolitik. Keine wirtschaftspolitische Maßnahme, die nicht daran 
        gemessen würde, welchen Einfluss sie auf das Wachstum hat. Schließlich „hängen wir alle doch vom Wachstum ab“, 
        „Ohne ausreichendes Wachstum keine 
        Arbeitplätze“, und so ähnlich lauten die entsprechenden Ansage der Politik. 
        
        
        Andererseits bedeutet jede Besteuerung der in seiner Gesellschaft vorhandenen 
        Vermögen immer eine Beschränkung des Wachstums – seiner Basis und seiner 
        Wachstumspotenz - dieser Vermögen. Eine Besteuerung der Einkommen und Vermögen, 
        ohne die Wirkungen dieser Besteuerung auf das Wachstum zu berücksichtigen, kommt 
        für den Staat daher nicht in Frage. Staatsverschuldung ist die Antwort auf 
        dieses selbstgewählte Dilemma. Statt der Wirtschaft Geld zu entziehen, macht er 
        ihren maßgeblichen Vertretern – dem Finanzkapital, den Banken und allen, die 
        über ausreichend Finanzmittel verfügen – das Angebot, staatliche Schuldscheine - 
        Staatsanleihen - zu kaufen. Er kommt derart zu den für seine Vorhaben nötigen 
        finanziellen Mitteln, die Wirtschaft im Gegenzug erhält einen weiteren 
        Geschäftsartikel: einen staatlich garantierten und handelbaren 
        Vermehrungsanspruch. 
        
        Ein 
        Begleichen dieser Schulden im Sinne eines sie wieder auf Null zu stellen, wäre 
        systemwidrig, würde es doch den Vorteil dieser Methode der Staatsfinanzierung 
        wieder zunichtemachen. Nicht zufällig türmt sich daher Staatsschuld auf 
        Staatsschuld, werden alte Schulden mit neuen bezahlt. Die Maastrichtkriterien, 
        die das Maß der Neu-Verschuldung ins Verhältnis zum Wirtschaftswachstum stellen 
        und unter dem Ruf stehen, die Neuverschuldung beschränken zu sollen, sind 
        Ausdruck dieses Umstandes. 
        
        Ein 
        ausgeglichener Haushalt war daher zu keiner Zeit Ziel der Staaten. Auch jetzt - 
        in Zeiten des „Sparens“ - geht es den 
        Staaten mit ihren Stabilitätspakten, Schuldenbremsen, ESM usw. nicht um ein 
        Zurückzahlen ihrer Schulden oder eine ausgeglichene Bilanz. Ihnen geht es darum, 
        ihre von den Finanzmärkten derzeit ein Stück weit bestrittene Freiheit der 
        Verschuldung zu erhalten bzw. zurückzuerlangen. Banken und sonstige Investoren 
        wollen manchen Staaten keinen Kredit mehr geben, dh. sie zeichnen deren Anleihen 
        nicht, weil sie sich für sie als 
        Renditequelle nicht mehr ausreichend lohnen. Dieses 
        Finanzkapital will und muss überzeugt werden, 
        dass der Staat in der Lage ist, sein Land als Profitmaschine herzurichten, die 
        Jahr für Jahr wachsende Steuereinkünfte abwirft. Für diesen Beweis werden 
        europaweit massenhaft Existenzen geopfert. 
        
        Diese 
        Beweise der Kreditwürdigkeit als Kassasturz wahrzunehmen verkennt oder 
        verharmlost die Härte der staatlichen Ansage. Ein Kassasturz – wie ihn „Wege aus der Krise“ anstellen - hätte 
        sein Maß im Gelingen des staatlichen Bilanz-Ausgleichs. Ganz anders - maßlos 
        gegenüber der eigenen Bevölkerung - ist der Anspruch eines Staates, der sich 
        anschickt, den Beweis der eigenen Kreditwürdigkeit anzutreten. Dafür bemühen 
        sich die Staaten und zwar in Konkurrenz zueinander Land und Leute unter ihrem 
        Kommando zu einer unschlagbaren Profitmaschinerie herzurichten. Über Erfolg oder 
        Misserfolg dieser Bemühungen entscheidet das Finanzkapitals in vergleichender 
        Beurteilung aller gehandelten Schuldpapiere.