KRISE, KRISENPOLITIK UND DER PROTEST DAGEGEN – Teil II
        
        Die europaweiten Protestbewegungen kritisieren die staatliche 
        Krisenbekämpfung als zu einseitig, nur zu ihren Lasten gehend, und halten das 
        für einen Verstoß an den wahren Aufgaben der Politik. Der hätte es doch in 
        Wahrheit um Daseinsfürsorge zu gehen. Sie beklagen eine in ihren Augen sachlich 
        unbegründete Parteilichkeit der herrschenden Figuren für die reichen Eliten und 
        klagen ein, dass der Staat sich doch bloß bei denen das Geld zu holen bräuchte. 
        Damit wären dann alle auf ihre Kosten gehenden Maßnahmen überflüssig. Diese 
        Behauptungen der Protestbewegungen soll im Folgenden dadurch zurückgewiesen 
        werden, dass gezeigt wird, wie sich die von den Staaten gesetzten staatlichen 
        Maßnahmen der Krisenbewältigung aus ihrem ökonomischen Zweck ableiten. 
        
        Im ersten Teil wurde darauf hingewiesen, dass der Staat sich nicht 
        bloß hie und da verschuldet, sondern Schulden das Mittel seiner Finanzierung 
        sind. Mit Schulden verschafft er sich die Freiheit zur Bewirtschaftung seines 
        Standortes, unabhängig davon, was ihm seine Wirtschaft aktuell gerade in Form 
        von Steuern an finanziellen Mitteln einspielt. Der Preis dieser Emanzipation vom 
        aktuellen Erfolg der Ökonomie ist die Verpflichtung zu Tilgungs- und 
        Zinszahlungen. Das Finanzkapital, dem derart ein Geschäft mit dem Staat eröffnet 
        wird, behandelt diese Schulden grundsätzlich wie andere Investments auch, 
        beurteilt sie danach, inwiefern sie seiner Reichtumsvermehrung dienen - 
        vergleicht also die staatlichen Schulden nach Sicherheit und Verzinsung mit 
        allen anderen gehandelten Wertpapieren. 
        
        Es stellt sich die Frage, woraufhin der Staat kreditwürdig ist? 
        Anders als beim Kapital sind seine Ausgaben keine Investitionen, die auf 
        vermehrten Rückfluss berechnet sind. Der Staat finanziert vielmehr Bedingungen, 
        die andere – die Wirtschaft, die ökonomischen Subjekte – benutzen und benutzen 
        sollen, um Wachstum zu generieren. Die ökonomische und gewaltmäßige Grundlage 
        der staatlichen Kreditwürdigkeit ist sein Kommando über eine kapitalistische 
        Ökonomie, die erfolgreich akkumuliert und mit diesem Wachstum seine Fähigkeit 
        beglaubigt, jederzeit seine Schulden bedienen zu können. 
        
        Er ist in anderen Worten kreditwürdig als höchste Gewalt einer 
        kapitalistischen Wirtschaft, als eine Gewalt, die Willens und in der Lage ist, 
        für Bedingungen eines Wirtschaftswachstum zu sorgen, das durch seinen Erfolg den 
        Kredit, der ihm eingeräumt wird, rechtfertigt. Insofern sind Staatsschulden 
        immer ein Wechsel auf die Zukunft des ökonomischen Erfolgs am Standort. Ihre 
        Beurteilung, die die Beurteilung seiner Kreditwürdigkeit, bezieht sich daher 
        nicht einfach auf das was aktuell an Wachstum zustande kommt. 
        
        Dieses aktuelle Wachstum ist für diese Beurteilung nur ein Datum 
        neben anderen – der Kapitalgröße und Produktivität der Arbeit im Land, dem 
        nationalem Lohnniveau, der Zahl der Arbeitstage im Jahr, dem sozialen Frieden, 
        den gegenwärtigen ebenso wie den künftig erwarteten Steuereinnahmen, usw. 
        Zuguterletzt geht in diese Beurteilung auch die Selbstreflexion des FK in Bezug 
        auf die dem Staat von seinen Vertretern in Zukunft eingeräumte Kreditwürdigkeit 
        ein – insbesondere also die allgemeine Riskikoeinschätzung, die eigene 
        Risikobereitschaft und bereits eingegangene Risken. All das sind Indikatoren, 
        die in die Beurteilung der Kreditwürdigkeit einfließen. Die Beurteilung der 
        Kreditwürdigkeit liegt insofern nur sehr zum Teil an dem was der beurteilte 
        Staat bei sich zu Hause anstellt. 
        
        Klar ist damit, mit der Entscheidung zur Finanzierung qua Schulden 
        etabliert der Staat den selbstauferlegten Sachzwang, mit allen ihm zu Gebote 
        stehenden Mitteln seine Ökonomie zur erfolgreichen Profitmaschinerie 
        herzurichten. Er nötigt sich damit freilich zu nichts, was er nicht sowieso und 
        ganz getrennt von dieser Entscheidung möchte. 
        
        
        Staatsschuldenkrise – das Misstrauen des Staates in die Finanzmacht des Staates 
        
        Staatssschuldenkrise bedeutet daher, dass das Verhältnis der in 
        den Banken aufgehäuften Staatspapiere - allesamt Anweisungen auf wachsenden 
        Reichtum - und das was die Konkurrenz der Unternehmen auf dem nationalen 
        Standort an Geldwachstum hinkriegt, also an Staatsausgaben als lohnend erweist, 
        von der Finanzwelt als für ihre Bedürfnisse nicht mehr ausreichend in Ordnung 
        beurteilt wird. 
        
        Wenn Banken und Investoren der Staatsgewalt das Kommando über eine 
        ausreichend profitable Geschäftswelt – eine Geschäftswelt, die ihren Erwartungen 
        entspricht - nicht mehr abnehmen, auf das hin sie diese Staatsgewalt einzig 
        kreditiert und auf das sie spekuliert haben, dann entwerten sich die 
        Staatsschuldentitel. Dann verteuert sich zunächst für den Staat der Kredit, weil 
        seine Kreditwürdigkeit beschädigt ist. Wenn schließlich der Finanzwelt die ganze 
        Gesellschaft mit ihrem ökonomischen Getriebe als Geldwachstumsmaschine nicht 
        mehr verlässlich genug ist, entzieht sie dem Staat am Ende den Kredit und dann 
        ist der Staat bankrott. Das zeigt ein weiteres Mal, dass und wie sehr die ganze 
        Staatsfinanzierung auf Kredit aufbaut. 
        
        Mit diesem Entzug der Kreditwürdigkeit durchs Finanzkapital stellt 
        sich von einem Tag auf den anderen heraus, dass alle Staatstätigkeiten, alle von 
        ihm getätigten Ausgaben unnütze Verschwendung waren. Dann ist der Staat auf 
        einen Schlag zu teuer, für das was er aus seiner Gesellschaft an Geld 
        herausholt. Seine Maßnahmen sind zu wenig wirkungsvoll für die Förderung seiner 
        Geldquellen. 
        
        Das Verhältnis ist nicht, der Staat hat zu viel ausgegeben und ist deswegen 
        bankrott, es verhält sich umgekehrt – weil seine ganze Finanzierung über 
        Verschuldung läuft, ist er genau dann bankrott, wenn ihm das Finanzkapital den 
        Kredit entzieht. Dieses Urteil der Finanzmärkte beweist dann tautologisch, dass 
        der Staat zu teuer war und zu viel Geld ausgegeben hat. 
        
        
                                                                                      
        *
        
        Hat das Finanzkapital einmal das praktische Urteil gefällt, dass 
        das nationale Geschäft sich als Renditequelle für es nicht mehr lohnt, so ist 
        dieses Urteil dann auch unmittelbar Standpunkt der Politik selbst. Schließlich 
        sind diese Rechnungen der Investoren für den Staat selbst maßgebend. Das gesamte 
        ökonomische Leben des Staates und seiner Gesellschaft, steht und fällt mit 
        seiner Kreditwürdigkeit, hängt also davon ab, dass die Rechnungen der Finanzwelt 
        aufgehen. Wenn das Finanzkapital einem Staat den Kredit entzieht und ihn damit 
        seiner Finanzierungsquelle beraubt, ist der Staat auf einen Schlag Pleite. Dann 
        ist oberste und ureigenste Direktive der staatlichen Haushaltspolitik in der 
        Krise dieses Übel zu beseitigen, sprich das Vertrauen der Finanzmärkte 
        wiederzugewinnen. 
        
        So spart Griechenland nicht bloß wegen des Spardiktats von Merkel 
        und Troika, wie es weitverbreiteter Glaube in Griechenland ist, sondern weil es 
        selbst seine Finanzierungsquelle wiedergewinnen, weil es sich wieder über den 
        Finanzmarkt finanzieren will. Genau dieser Wille ist andererseits das 
        Erpressungsmittel Deutschlands und der EU gegenüber Griechenland.
        
        Auch in der seiner Schuldenkrise macht der Staat macht also keine 
        Abstriche von seinen Rechnungen mit dem Finanzkapital, er verschärfte ganz im 
        Gegenteil seine Anstrengungen, das Finanzkapital wieder völlig von sich 
        einzunehmen. Das negative Urteil der Finanzwelt, das ihm die keine ausreichende 
        Macht zur Generierung von Geschäften auf ihrem Standort mehr zutraut, 
        radikalisiert seine Haushaltspolitik. 
        
        Die Radikalität seines Zuschlagens ist für den Staat dabei ein 
        Mittel zu beweisen, dass er wieder Kreditwürdigkeit verdient. 
        
        „Um den Turnaround zu schaffen, schnürte die 
        Dubliner Regierung sechs Sparpakete. Das letzte wurde im Dezember 2012 
        verabschiedet und bestand zu zwei Dritteln aus Ausgabenkürzungen und zu einem 
        Drittel aus Steuererhöhungen. Eingeführt wurde unter anderem eine 
        Immobiliensteuer, obwohl jeder sechste Wohnungs- und Hauseigentümer Probleme mit 
        der Rückzahlung seiner Kredite hat.Angehoben wurden weiters die Steuern auf 
        Zigaretten, Bier und Wein. Reduziert wurden das Kindergeld sowie die 
        Staatszuschüsse für Renten. Die Belastungen aus den sechs Sparpaketen belaufen 
        sich auf 28,5 Mrd. Euro. Anders als in Griechenland oder in Italien halten sich 
        die Proteste in der Bevölkerung in Grenzen … EU-Politiker lobten zuletzt die 
        Iren für die Krisenbewältigung.“ (Die Presse 
        vom 9.1.2013 „Irland kehrt mit Erfolg auf den Anleihenmarkt zurück“) 
        
        „Zum ersten Mal seit der Rettung durch die 
        EU im Jahr 2010 hat Irland 2,5 Mrd. Euro bei privaten Investoren aufgenommen. 
        Die Iren sind die Musterschüler unter den europäischen Krisenstaaten. …
        Die Platzierung ist für die Regierung in 
        Dublin ein politischer Erfolg und zugleich der Beweis dafür, dass Austerität auf 
        den Finanzmärkten gut ankommt.“ 
        (Die Presse vom 9.1.2013 „Irland kehrt mit Erfolg auf den Anleihenmarkt zurück“)
        
        Sosehr diese Radikalität Beweismittel ist, sowenig verbürgt sie 
        andererseits den Erfolg. 
        
        
        Das 
        krisengeschädigte Kapitalwachstum und die Antwort des Kapitals: radikale 
        Methoden zur Steigerung der Rentabilität 
        
        Wenn das Verhältnis der in den Banken aufgehäuften Vermögenstitel 
        zu dem, was die Konkurrenz der Unternehmen auf dem nationalen Standort an 
        Geldwachstum produziert, von der Finanzwelt als nicht mehr in Ordnung beurteilt 
        wird, wenn die Finanzwelt den Staaten keine ausreichende Macht zur Generierung 
        von Geschäften auf ihrem Standort mehr zutraut, dann bedeutet dies, dass auch 
        die Geschäfte der sog. Realwirtschaft, des produktiven Kapitals, als nicht mehr 
        lohnend genug beurteilt werden. Deren jeweilige eigene Rechnung auf stetig 
        steigenden Gewinn geht nicht wie gewünscht und verlangt auf. 
        
        Einzig um auf dem Markt erfolgreich zu konkurrieren, haben die 
        Unternehmen investiert. Auf diese Erwartung hin haben sie Arbeiter eingestellt 
        und deren Arbeit entsprechend organisiert. Für Gewinn zu produzieren, heißt, 
        Arbeiter und Angestellte werden nur dafür und daher auch nur dann beschäftigt, 
        wenn ihre Arbeit rentabel ist. Da in der unternehmerischen Rechnung die 
        Arbeitskräfte zu den Kosten zählen, ist die Arbeit umso rentabler, umso 
        gewinnbringender, je weniger sie die Unternehmen kosten.
        
        Dass ausschließlich für Gewinn produziert wird, ist das eine. In 
        der Krise zeigt sich, auch Unternehmen produzieren nicht einfach Gewinn und 
        wirtschaften dann mit diesem Ertrag, den sie einfahren und über den sie dann 
        verfügen. Sie nehmen vielmehr Kredit bei der Finanzwelt, um ihre Geschäft 
        produktiver zu machen, um sich in der Konkurrenz besser aufzustellen, und um 
        diese Geschäfte auszuweiten. All dies mit dem Zweck eines Zugewinns an 
        Kreditwürdigkeit. 
        
        Damit produzieren sie selber erweiterte Ansprüche darauf, dass und 
        wie sehr ihr Geschäft künftig wächst und wachsen muss. Jede ihrer Rechnungen, 
        jede ihrer Konkurrenzunternehmungen - das Kredit aufnehmen, das Arbeitskräfte 
        beschäftigen, das Investieren - ist auf gesteigertes Wachstum, mehr Gewinne und 
        größere in Bewegung gesetzte Kreditmassen in der Zukunft berechnet. 
        
        Sie führen laufend einen Konkurrenzkampf um den Markt, senken 
        laufend die Lohnstückkosten - wenden neue Technologien und Maschinen an, um 
        Lohnkosten zu sparen, machen bezahlte Arbeit und Arbeitskräfte überflüssig. Das 
        alles ist nicht erst Werk der Krise, sondern „Sachzwang“ ihrer ganz gewöhnlichen Konkurrenz, den ihnen niemand anderer als 
        ihr eigener Zweck aufnötigt. 
        
        
                                                                                      
        *
        
        Krise heißt bei ihnen dann, dass ihre Konkurrenz dazu geführt hat, 
        dass nicht nur dieser oder jener in der Konkurrenz unterliegt, also der ganze 
        Aufwand, den der eine oder andere getrieben hat und die in deren Betrieben 
        aufgewendete Arbeit sich all null und nichtig herausstellt, sondern dass alle 
        ihre Ansprüche auf steigenden Gewinn und erfolgreiche Ausnutzung des Marktes 
        nicht mehr realisieren können – Ansprüche, die sie mit ihren ganzen auf Kredit 
        basierenden kapitalistischen Investitionen längst sachzwangmäßig vorweg genommen 
        haben. 
        
        Auch beim produktiven Kapital ist die Konsequenz nicht, dass es 
        von seinen Rechnungen abgeht, dass es sich damit begnügen, was an Geschäft eben 
        geht. Im Gegenteil, auch die Unternehmen radikalisieren den Standpunkt, dass die 
        Beschäftigten - weil nicht lohnend genug und weil zu viele - zu teuer sind. Das 
        ist bekanntlich keine bloß leere Beschwerde, sondern ein praktisches Urteil. Die 
        Konsequenz - es wird massenhaft ausgestellt, es werden die Bedingungen der 
        Anstellung verschärft und der wird Lohn gesenkt.
        
        
                                                                                      
        *
        
        Der existente Protest nimmt in seinen Beschwerden all das nur 
        soweit in den Blick, als er den Zusammenbruch von Geschäften und das Brachlegen 
        von Arbeitskräften beklagt, nach Investitionen ruft und so wieder beim Staat 
        landet, der da Abhilfe schaffen soll. Was der Staat im Hinblick auf die von den 
        Protestierenden geforderte Abhilfe bzw. Kompensation wirklich leistet, darum 
        geht es im Folgenden. 
        
        
        Die Antwort des Staates: Haushaltspolitik zur Wiedergewinnung des 
        finanzkapitalistischen Zuspruchs – Produktive Armut als propagiertes 
        Lebensmittel der Nation 
        
        Wenn der Staat pleite ist, dann beweist diese Pleite im 
        Rückschluss, dass dann auch die nationale Ökonomie nicht oder jedenfalls nicht 
        ausreichend produktiv ist – was nicht heißt, dass es gar keine erfolgreich 
        reüsierenden Unternehmen gäbe. Nach der anderen Seite kommt mit dem staatlichen 
        Bankrott die Wirtschaft in Schwierigkeiten, weil sich auch für sie der Kredit, 
        mit dem sie steht und fällt, verteuert. 
        
        Der Staat leitet aus dem negativen Urteil der fnanzwelt über die 
        von ihm in die Welt gesetzten Vermögenstitel ein entsprechend negatives Urteil 
        über Wirksamkeit bzw. Unwirksamkeit seines Haushaltsaufwandes in punkto Wachstum 
        ab. Wenn ihm das Finanzkapital den Kredit verteuert oder schließlich ganz 
        entzieht, dann – so sein Schluss - lässt das Wirtschaftswachstum zu wünschen 
        übrig. Dann erweisen sich seine Aufwendungen schlagartig als zu kostenträchtig, 
        weil nicht geschäftswirksam. Die Konsequenz - die Politik ergänzt und potenziert 
        mit Verweis auf ihre Haushaltsnöte die Maßnahmen, die die Kapitalisten immer 
        schon und in der Krise erst recht setzen, in Gestalt eines umfassenden 
        Staatsprogramms unter dem Titel Haushaltskonsolidierung. 
        
        
        Verelendung des Arbeitsvolkes als Folge staatlicher Haushaltsnöte - 
        Klarstellungen über den Zweck des Sozialstaates 
        
        Staatausgaben werden neu kalkuliert und, soweit als nutzlos fürs 
        Wachstum beurteilt, zurückgefahren. „Der Staat spart“ an unproduktiven Kosten, die er sich nicht mehr leisten kann 
        und will. 
        
        Dabei wäre alles für den Lebensprozess der Gesellschaft Nötige 
        eigentlich vorhanden und noch dazu im Übermaß. Ein an sich glücklicher Umstand 
        könnte man meinen. Nicht fürs Kapital und daher auch nicht für den Staat. Der 
        kommt angesicht von Wachstumsraten, die das Finanzkapital nicht 
        zufriedenstellen, zum Schluss – und diesen Schluss gibt es nur in einer 
        kapitalistischen Gesellschaft – es gibt ein Zuviel an produktiven Potenzen. 
        Zuviel natürlich nicht gemessen an der Bedürftigkeit der Menschen, sondern 
        gemessen an dem hier und heute einzig gültigen Kriterium, den 
        Wachstumsbedürfnissen des Kapitals. 
        
        Zu diesen unproduktiven Kosten gehört in erster Linie aber das 
        Volk insbesondere in Gestalt der Kosten der staatlichen Sozialeinrichtungen. Als 
        unproduktive, als steigend unhaltbare Kost, fällt immer – und in der Krise schon 
        gleich – das Volk beim Staat an. Eine zynische aber gültige Rechnung. Diesem 
        Urteil entsprechend werden diese Ausgaben zusammengekürzt und die Bedingungen 
        für den Erhalt von Sozialleistungen verschärft. Alles unter dem Diktat, der 
        Staat muss sich von Kosten entlasten. 
        
        Es ist dies eine erste Klarstellung über den Sozialstaat und das 
        Wesen der sozialen Leistungen des Staates, auf die sich die Beschwerdeführer 
        berufen, wenn sie fordern, der Staat müsste diese Leistungen unbedingt erhalten, 
        um mit ihnen wenigstens das Schlimmste zu verhindern. 
        
        Hinter diesen Forderungen der Protestbewegungen steht ein 
        Standpunkt, der gleich mehrere Fehler aufweist. Diese Protestbewegungen 
        nehmen nur die staatliche 
        Verwaltung in den Blick, sie verkennen die Logik des Sozialstaates und sie 
        beurteilen die Rolle des Sozialstaates bei der Krisenbewältigung völlig 
        verkehrt. 
        
        
                                                                                      
        *
        
        Der Fehler solcher Beschwerden ist erstens, dass sie nie der Frage 
        nachgehen, wieso die Art und Weise der Beschäftigung der Arbeitnehmer laufend 
        Sozialfälle schafft, wieso sie also zum Arbeitsleben dazugehören, wie das Amen 
        zur Kirche, kurz dass sie nie fragen, wieso es überhaupt einen Sozialstaat 
        braucht. Das ist damit gemeint, dass sie immer nur die staatliche Verwaltung ins 
        Auge fassen. 
        
        Der dauerhaften Notwendigkeit der Sozialleistungen – von der auch 
        sie mit der größten Selbstverständlichkeit ausgehen - kann man doch entnehmen, 
        dass Arbeitnehmer mit dem was sie mit ihrer Arbeit verdienen, offensichtlich 
        nicht über die Runden kommen. Das ist die bleibende Grundlage der Notwendigkeit 
        der sozialstaatlichen Verwaltung. Der Staat rechnet mit seinen ganzen auf Dauer 
        gestellten sozialstaatlichen Einrichtungen fix damit, dass er sich mit seinen 
        ausgeklügelt eingerichteten Kassen um die Arbeitslosen, Kranken und Alten usw. 
        kümmern muss. Dieser Umstand wird von der Kritik nicht einmal im Ansatz ins Auge 
        gefasst. 
        
        
                                                                                      
        *
        
        Die Protestierenden sehen zweitens auch über die Logik des 
        Sozialstaates hinweg; – darüber, wie der Sozialstaat funktioniert -, wenn sie 
        einklagen, die Politik müsste ihnen doch gerade in der wachsenden Not mit den 
        Sozialeinrichtungen beispringen. Das wäre doch tieferer Sinn der Politik und 
        insofern ihr gutes Recht und staatliche Pflicht. 
        
        In dieser Logik des Sozialstaates, darin dass sich dessen fein 
        säuberlich getrennte Kassen aus Teilen des Lohns der Beschäftigten finanzieren, 
        liegt es aber wie sachzwanghaft, dass immer, wenn eine 
        
        wachsende 
        Zahl an Sozialfällen eintritt – und daher in der Krise schon gleich -, zugleich 
        die Kasseneinahmen sinken und daher die ganzen Sozialleistungen tendenziell 
        unhaltbar, zu einer untragbaren Kostenbelastung, werden. 
        
        Die Sozialkassen sind offensichtlich so eingerichtet, dass dann, 
        wenn die Sozialleistungen am nötigsten wären, sich die Kassen das am wenigsten 
        leisten können und dieses Urteil vollstreckt der Staat!! Von wegen er würde 
        seine wahren Aufgaben verfehlen. Es ist doch offenbar ein staatlich gewollter 
        Sachzwang, kassenmäßig institutionalisiert, dass mit dem Anwachsen der Notlagen 
        staatlich für eine Senkung der Kosten gesorgt werden muss, als die diese 
        Notlagen zu Buche schlagen. Also stehen mit Verweis auf die prekäre Haushalts- 
        und die Kassenlage 
        allenthalben 
        radikale Abstriche an. 
        
        Diese Verelendung als Staatsprogramm, die den Beschwerden der 
        Protestbewegungen zu Grunde liegt, stellt sich insoweit als eine Folge der 
        Notlage dar, die der Staat bei seiner Wirtschaft und bei sich bilanziert - wegen 
        der Einbrüche des Wachstums, der von ihm eingerichteten und verwalteten 
        Wirtschaft, und wegen der - zu dieser Wirtschaft passend - eingerichteten 
        Prinzipien seiner Haushaltsfinanzierung. 
        
        Verelendung des Arbeitsvolkes als Mittel zur Bekämpfung staatlicher Haushaltsnöte
        
        
        
        Diese Verelendung ist andererseits allerdings nicht bloß eine 
        Folge, ein quasi sachzwangmäßiges Gebot, seiner Haushaltsnöte, sondern sie ist 
        auch das Mittel ihrer Bewältigung. 
        
        Von der EU werden für die Problemstaaten im Süden staatliche 
        Sparprogramme als probates Mittel zur Wiedergewinnung des Vertrauens der 
        Finanzmärkte propagiert. Die gültige Devise lautet: „nur Sparen stiftet neue Kreditwürdigkeit“. Die Staaten, die sich nach den 
        dargestellten Rechnungen zuviel geschäftlich Unnützes geleistet haben, sollen 
        die unnützen Ausgaben beschränken und die Einnahmen steigern, dann und nur so 
        würde der Staat auch wieder kreditwürdig. Das Ergebnis: Nach beiden Seiten hin 
        spart der Staat am normalen Volk und das hat seine Logik. Die Kritik der 
        Protestbewegungen, die Sparmaßnahmen seien zu einseitig, ist da ziemlich 
        daneben. 
        
        Staaten achten immer - besonders in der Krise - bei Einnahmen wie 
        bei Ausgaben darauf, wem d.h
        welcher Sorte Steuerzahler bzw. 
        Leistungsempfänger Empfänger sie etwas wegnehmen oder etwas zukommen lassen und 
        bei wem sie eher vorsichtig zu Werk gehen.
        
        Die demokratisch verwaltete Marktwirtschaft will ja keine 
        Klassengesellschaft mehr sein. Bei ihrer Steuer-, Sozial- und Wirtschaftspolitik 
        kennt die Staatsgewalt allerdings ganz genau und ohne jede Klassenanalyse den 
        Unterschied zwischen den Klassen: den lohnabhängigen Bürgern auf der einen Seite 
        und denen, deren Geld als Investition, als Kapitalvorschuss zur Anwendung kommt, 
        also für Wachstum sorgt.
        
        Der Staat unterscheidet beim Abkassieren wie beim Zuteilen seiner 
        Leistungen, nach der Funktion, die beide Klassen für seine Wirtschaft erfüllen. 
        Und da steht vor allen Abwägungen im Einzelnen fest. 
        
        Da gibt es die einen - „die Wirtschaft“ - die Subjekte, die mit ihren Investitionsentscheidungen und 
        ihrer Geldanlage über das ökonomische Schicksal der Nation maßgeblich 
        mitentscheiden. Deren Geschäft will er aus wohlverstandenem Eigeninteresse 
        fördern. Die müssen und sollen zwar auch ihren Beitrag zur Finanzierung des 
        Haushalts leisten; aber der ist immer abzuwägen gegen die andere Leistung ihres 
        Geldvermögens, als Kapitalvorschuss mehr Geld zu bringen. Die Wirtschaft 
        übermäßig zu belasten, das wär kontraproduktiv. Deren Bereicherung ist ja 
        schließlich Bedingung und Grundlage aller anderen Einkommen. Deren Geschäfte, 
        die der Staat bei sich als nationalen Reichtum, als seine Quelle und als 
        Grundlage seiner Kreditwürdigkeit bilanziert, gehen ohnehin nicht gut genug. 
        
        Die anderen - die Lohnabhängigen - die sind in jeder Hinsicht die 
        abhängige Variable dieser Berechnungen: Die dienen mit ihrer Arbeit und ihrem 
        Lohn dem Wachstum der Wirtschaft. In dieser Eigenschaft werden sie zwar vom 
        Staat betreut. Jedem Politiker ist aber auch der Standpunkt geläufig, ob man 
        denen nicht noch ein wenig mehr abnehmen kann und sie trotzdem mit ihrem Lohn 
        irgendwie zurecht kommen; ob das, was er an Betreuung zu leisten hat, nicht auch 
        mit weniger Geld ginge. Die Funktionsfähigkeit dieser Klasse fürs Wachstum hängt 
        zu einem Gutteil am Willen der Leute zum Zurechtkommen. Und der, so der 
        staatliche Standpunkt, stellt sich durch den Zwang zum Geld verdienen ohnehin 
        ziemlich verlässlich ein. Zu dem werden sie durch die Berechnungen des Kapitals 
        und die Alternativlosigkeit des einen Arbeitsplatz-Habenmüssens ohnehin 
        erpresst.
        
        
                                                                                      
        *
        
        Der Staat besichtigt die Klassen unter dem Gesichtspunkt der 
        Haushaltsanierung neu einerseits als 
        Lieferant von Einnahmen und andererseits als
        Empfänger von Leistungen – also als 
        Kost, die die Betreuung des Standortes ihm bereitet. 
        
        In der Krise radikalisiert der Staat seinen Standpunkt. Was kosten
        mich die verschiedenen Klassen und was 
        tragen sie umgekehrt zur Schuldenbedienung und zum Wieder-Ingangkommen der 
        Wirtschaft bei? Unter diesem Gesichtspunkt zieht er Bilanz über die Leistungen 
        seines kapitalistischen Ladens für ihn. 
        
        Er entdeckt „Schattenwirtschaft“, 
        „Steuerhinterziehung bzw. –flucht“: 
        Die „Reichen“ verwenden ihr Geld nicht 
        für staatsnützliche Investitionen, sondern bloß für sich. Der Staat hat einen 
        Wasserkopf: viel zu viele Löhne und Gehälter, die
        bloß Kost und nicht Mittel für kapitalistisches Wachstum sind. Die 
        staatlichen Sozialausgaben sind nicht helfendes Mittel für Kapitalwachstum, 
        sondern zunehmend Ersatz für Einkommen aus produktiver Verwendung der Leute 
        durch das Kapital.
        
        Sich selbst rechnet er sich als Versäumnis an, an seinen Quellen 
        den Standpunkt, fürs Wachstum da zu sein, nicht ausreichend durchgesetzt zu 
        haben. Diesen gleichen Standpunkt an die „Besserverdienenden“ angelegt, kommt allerdings ganz etwas anderes heraus bei 
        der Lohnarbeit:
        
        „Besserverdienende“ 
        werden zur Steuerpflicht herangezogen, aber immer unter Berücksichtigung, wofür 
        sie ihr Geld verwenden: bloß für große Häuser und Schwimmbäder oder als 
        Investition? Nie vergisst er beim Abkassieren die Doppelfunktion ihres Vermögens 
        zu berücksichtigen. Anders bei der Lohnarbeit: da heißt seine Devise Einnahmen 
        erhöhen – Mehrwertsteuer, Benzinsteuer, Zigarettensteuer, Erfindung neuer 
        Steuern, Verteuerung von kommunalen Dienstleistungen usw. - und gleichzeitig 
        Ausgaben kürzen - Arbeitslosengeld, Pensionen, Gesundheit, Entlassung von 
        Staatsbediensteten usw.
        
        Der Staat spart also schon wieder an Leistungen für ein Volk, das 
        mitsamt all diesen Einrichtungen ja ohnehin zu wenig für den wirtschaftlichen 
        Erfolg der Nation leistet. Insofern sie in ihrer Leistung fürs Wachstum sowieso 
        ihre Existenzberechtigung haben, geht das auch völlig in Ordnung. 
        
        
                                                                                      
        *
        
        In diesem Sinn legen alle Problemstaaten radikale Sparprogramme 
        auf, um sich bei den Finanzmärkten ihre Kreditwürdigkeit zu erhalten oder 
        zurückzugewinnen. Da wird also nicht falsch und einseitig gespart, da werden 
        nicht denen, die das Geld doch eigentlich hätten, gerechte Lasten erspart oder 
        auch noch unverdient etwas zugeschoben. Verarmung qua gezielter Erhöhung der 
        Einnahmen und Kürzung der Ausgaben ist adäquates politisches Mittel, um die 
        staatliche Schuldenwirtschaft, seine Kreditwürdigkeit zu sichern bzw. zu 
        wiederzuerlangen. Der Staat ist Klassenstaat aber nicht wegen einer 
        Vorab-Parteilichkeit für die Reichen und Vermögenden. Es ist umgekehrt. Diese 
        Parteilichkeit ist notwendige Konsequenz seiner ökonomischen Zwecke, seiner 
        ökonomischen Verfasstheit. 
        
        Radikale Umwälzung der Lohnverhältnisse von Staats wegen zwecks Förderung der 
        Wachstumsfähigkeit des Kapitals 
        
        Es geht bei der Verarmung nicht nur und nicht einfach um 
        Entlastung des Haushaltes von unnützen Kosten und Steigerung der Einnahmen dort, 
        wo es dem Wachstum nicht schadet, sondern es geht letztlich darum das nationale 
        Geschäftsleben selbst wieder in Gang zu bringen. 
        
        Der Staat spart nicht einfach am Volk, sondern mit seinen 
        Maßnahmen ringt er darum, den Standort wieder konkurrenzfähig zu machen, um das 
        angeschlagene Vertrauen der Finanzwelt in die künftige Wachstumsfähigkeit seiner 
        nationalen Wirtschaft wieder herzustellen. 
        Es geht also nicht nur darum, einen 
        Haushalt zustande zu bringen, dass sich seine Einnahmen- und Ausgabenrechnung 
        mittels Mehreinnahmen und Einsparungen wieder ausgeht. Es geht darum, dass mit 
        seinen Maßnahmen die Grundlage und Quelle seiner ganzen Kreditwürdigkeit - 
        künftiges Wachstum auf seinem Standort - wieder in Gang kommt. 
        
        Entsprechend diesem Anspruch, Anweisungen auf künftiges Wachstum 
        am Standort glaubwürdig zu machen, sind noch ganz andere radikale Maßnahmen in 
        punkto Sparen am Volk fällig. 
        
        Das Generalurteil der Geschäftswelt immer aber natürlich besonders 
        in der Krise lautet: „die Lohnkosten sind 
        zu hoch“. Die Kapitalisten senken daher, mit dem Verweis auf ihren 
        schlechten Geschäftsgang die Arbeitskosten in ihren Betrieben und generell im 
        Land, setzen lohnmindernde Tarifverträge durch und unterlaufen bestehende 
        Regelungen, setzen die massenhaft von ihnen Entlassenen oder die gar nicht erst 
        in Arbeit Kommenden als Druckmittel ein, um den noch in Lohn und Brot stehenden 
        Arbeitskräften ohne Rücksicht auf deren Bedarf mehr Flexibilität aufs Aug zu 
        drücken. Die Kapitalisten verschlechtern also mit Verweis auf ihren 
        Geschäftsgang radikal alle Beschäftigungsbedingungen und setzen damit neue 
        Ansprüche in punkto Rentabilität der Arbeit in Kraft. 
        
        Dieses Generalurteil der Geschäftswelt: „die Lohnkosten sind zu hoch“, macht 
        sich auch die Politik als Grund der Krisenlage und damit als den Missstand, den 
        es zu beseitigen gilt, zu eigen. Dafür dass die massenhaften Gewinn- und 
        Wachstumsansprüche nicht mehr aufgehen, also das kapitalistische Geschäft nicht 
        mehr ausreichend profitabel ist, dass zu viel Kapital zu wenig Geschäft macht, 
        dafür macht auch der Staat den Lohn haftbar. Also tut er alles in 
        seiner 
        Macht stehende, um die unproduktiven Kosten für seine Kapitalisten wieder 
        produktiv zu machen - durch ihre rücksichtslose Senkung. 
        
        Die Politik entnimmt dem Urteil der Geschäftswelt also ihrerseits, 
        dass sich das Arbeitsvolk für die nationale Unternehmerschaft zu wenig lohnt, 
        also zu teuer ist, unterschreibt also den unabweisbaren Bedarf ihrer 
        Unternehmerwelt nach einschneidenden Reformen und stellt sich mit ihrer Macht 
        dahinter. 
        
        Bisher gewollte Regelungen werden auf staatlichen Beschluss 
        aufgekündigt, Tarifverträge offiziell außer Kraft gesetzt, Mindestlöhne - wo es 
        sie überhaupt gibt - gekürzt, ebenso das Arbeitslosengeld; seine 
        Bezugsbedingungen werden verschärft, sodass die Unbeschäftigten jede Arbeit 
        annehmen müssen; das Pensionsalter wird hinaufgesetzt und das bisherige 
        Pensionsniveau gründlich abgesenkt und der privaten Vorsorge, die die meisten 
        sich dann erst recht kaum leisten können, überantwortet. 
        Kündigungsschutzbestimmungen, die zwar vor nichts wirklich schützen, aber 
        gewisse Kosten für Unternehmen mit sich bringen, werden als 
        Beschäftigungshindernis gelockert. An der Jugendarbeitslosigkeit in Spanien, in 
        Griechenland von 50% und mehr sind dann natürlich nicht die Nicht-Anwender von 
        Arbeit Schuld, sondern die Alten, die noch viel zu geschützt auf ihren 
        Arbeitsplätzen hocken. Unter dem Schlagwort Bürokratieabbau werden lauter 
        Arbeits- und sonstige Auflagen abgebaut oder nicht angewandt. Weil Protest 
        natürlich nicht ausbleiben kann, wird – wo nötig - das Streikrecht ausgehebelt 
        und werden die Arbeiter unter Militärverwaltung gestellt. 
        
        
        Der Sozialstaat als Instrument der Verbilligung des Arbeitsvolkes 
        
        Diese genannten Einschnitte ins Sozialsystem gebietet die Logik 
        des Sozialstaates - dass der Sozialstaat zu einer zunehmenden Kostenbelastung 
        wird, die das Kassensystem nicht mehr trägt, weil die Einnahmen tendenziell 
        sinken, wenn die massenhaft Leute entlassen und die Löhne auf breiter Front 
        gesenkt werden, und auf der anderen Seite die Sozialfälle, die unter die Kassen 
        fallen, rapide ansteigen - aber nicht nur. Der Sozialstaat ist dann auch das 
        Instrument und wird bewusst als solches Instrument, das Kapital von Staats wegen 
        von Kosten zu entlassen, propagiert und benutzt. Die Lohnnebenkosten müssen 
        runter, damit die Wirtschaft wieder wettbewerbsfähig wird. 
        
        
                                                                                      
        *
        
        Es ist dies eine weitere Auskunft über den wahren Charakter des 
        Sozialstaates, dessen Leistungen die Protestierenden vermissen und dessen Abbau 
        sie der Politik als Ungerechtigkeit und Verfehlung vorrechnen: Der Sozialstaat - 
        die ein Stück weite Vergesellschaftung des nationalen Arbeitslohn - erweist sich 
        als ein Instrument der systematischen Verbilligung des Arbeitsvolkes. 
        
        Das zeigt sich dann auch, wofür der Sozialstaat auch in besseren 
        Zeiten in Wirklichkeit gut ist. Die Sozialstaatsregelungen dienen der Erhaltung 
        eines brauchbaren Volks. Maßstab der Brauchbarkeit ist der geschäftliche und 
        politische Bedarf. 
        
        Die Anwendung dieses Volkes nach dem kapitalistischen Kriterium 
        lohnender Beschäftigung leistet nämlich die Erhaltung der Brauchbarkeit des 
        Volkes gerade nicht. Einzig deswegen lässt sich der Staat davon überzeugen, die 
        Rolle des Sozialstaates zu übernehmen, ermöglicht erst damit dem Kapital den 
        Gebrauch des Arbeitsvolkes nach seinem Bedarf - erspart ihm die Lasten, sich um 
        Verfügbarkeit und Nachschub des Arbeitsvolk und die Wirkungen, die es mit seiner 
        Beschäftigung anrichtet, kümmern zu müssen. 
        
        Wenn es dann an lohnender Beschäftigung mangelt, wird dieser ganz 
        sozialstaatliche Aufwand auch vom Staat als letztlich nicht mehr lohnende Kost 
        für den Standort bilanziert. Dann taugt dieser Sozialstaat und das staatliche 
        Kommando über einen Gutteil der Lebensbedingungen, die der Staat ja mit seinen 
        Sozialstaatseinrichtungen an sich gezogen hat, seine Regelungen der 
        unterschiedlichen Bedarfs- und Notfälle seines Arbeitsvolkes, umgekehrt als 
        umfassender Hebel der Verbilligung der ganzen Arbeitsbevölkerung. 
        
        Dann ist der Sozialstaat das systematische staatliches Instrument 
        durch Senkung des nationalen Lohnniveaus, durch den Zwang zu Billigarbeit, durch 
        Verarmung sein Volk wieder zum besseren Angebot zu machen. So soll also ein Volk 
        wieder für die anspruchsvollen Rechnungen mit rentabler Arbeit funktional 
        gemacht werden. So wird am Volk dann ausgelassen, dass es für diese Rechnungen 
        nach den anspruchsvollen Maßstäben, die dem zu Grunde liegen, nicht mehr lohnend 
        ist. Mehr produktive Armut, das wird zum offensiv propagierten Lebensmittel der 
        Nation - so und nur so, heißt es, kommen die Krisenländer wieder voran.