„Wer rettet wen? - Die Krise als Geschäftsmodell auf Kosten von Demokratie und sozialer Sicherheit“ - Wie ein Film in kritischer Absicht Demokratie und Marktwirtschaft gegen ihre hässliche Praxis verteidigt! Eine Filmkritik.
        
                Seit der Finanzkrise steht die Politik der Welt 
        ganz im Zeichen ihrer Bekämpfung. Banken wurden mit Milliardenbeträgen gerettet, 
        mit dem Ergebnis eines rasanten Anstiegs der Staatsschulden. Das eben gerettete 
        Finanzkapital, das einen Vergleich aller Investments am Markt anstellt und auf 
        seinen - wegen seiner Krise - gesunkenen Risikoappetit bezieht, reagierte auf 
        die massive Vermehrung der Euroschulden mit einer Revision seines Urteils die 
        Kreditwürdigkeit der Staaten Europas betreffend und macht Problemstaaten 
        ausfindig. Die Zinsen, die Irland, Portugal und Griechenland für neue Schulden 
        bieten mussten, erreichten ein Maß, das diese Staaten dazu zwang, sich um 
        Kredithilfen an Europa und den IWF zu wenden.
        
        Spätestens seitdem lautet die alle anderen Themen 
        dominierende Devise der europäischen Politik in allen Staaten Sparen. In einem 
        Fiskalpakt verpflichteten sich die Staaten Europas zu einem strukturellen 
        Nulldefizit. Den besonders hart getroffenen Krisenstaaten Südeuropas werden 
        rigide Sparprogramme abverlangt: Massenentlassungen, Streichungen von 
        Arbeitsrechten, radikale Kürzungen des Arbeitslosengeldes und der Pensionen, 
        Zerstörung des Gesundheitssystems, Aushungern von Schulen und Universitäten, 
        usw. 
        
        Niemand, auch nicht die verantwortlichen 
        Politiker, bestreitet, dass diese Maßnahmen die Menschen in den Krisenstaaten 
        mit brutaler Härte treffen. Unerbittlich betonen dieselben Politiker aber, dass 
        all diese Maßnahmen alternativlos seien, soll Europa der Krise entkommen und 
        wieder auf den Wachstumspfad zurückkehren. 
        
        Die im heurigen Jänner neugewählte griechische 
        Regierung, die sich mit dem Hinweis, Griechenland und seine Wirtschaft würde mit 
        den ihm auferlegten Maßnahmen kaputt gespart, weigert sich, für die Auszahlung 
        aus dem laufenden Programm ausstehender 7.5Mrd. Euro noch weitergehende 
        Forderungen von EU-Kommision, EZB und IWF zu erfüllen. Sie darf sich dafür nicht 
        nur der exemplarischen Unnachgiebigkeit der europäischen Politiker und des IWF, 
        sondern auch des Unverständnisses der hiesigen Öffentlichkeit sicher sein, die 
        wie die Politiker gerade in der Härte und Rücksichtslosigkeit der geforderten 
        Maßnahmen die notwendige Voraussetzung dafür sieht, dass Europa seine 
        Kreditwürdigkeit wiedererlangt. 
        
        Vor diesem Hintergrund kam im heurigen Frühjahr 
        in Österreich und Deutschland ein Film von Leslie Franke und Herdolor Lorenz 
        heraus, der den Titel trägt „Wer rettet wen? – Die Krise als Geschäftsmodell auf Kosten von Demokratie und 
        sozialer Sicherheit“. Der Film versucht, die Hegemonie der vorherrschenden 
        öffentlichen Meinung, die sich ohne wenn und aber zur Verarmung als der einzig 
        zielführenden Methode zur Wiedergewinnung europäischer Kreditwürdigkeit bekennt, 
        ein Stück weit zu durchbrechen. Worum es den Filmemachern geht, dazu heißt es im 
        dazugehörigen Pressedossier:
        
        „Seit fünf Jahren werden Banken und Länder gerettet. Politiker schaffen immer 
        neue Rettungsfonds, während mitten in Europa Menschen wieder für Hungerlöhne 
        arbeiten. Es wird gerettet, nur keine Rettung ist in Sicht. Für große Banken ist 
        die Finanzkrise vor allem ein Geschäftsmodell. Und die ständig „verstimmten“ und 
        „enttäuschten“ Finanzmärkte scheinen ein besonderes Wesen zu sein, das bei Laune 
        gehalten werden muss. Wer rettet also wen? Die Reichen die Armen? Die Politiker 
        die Banken? Die Rettungsschirme Europa? Oder die Steuerzahler einige wenige 
        Individuen?“
        
        Was ist also das AWas ist also das Anliegen des Films? Die 
        Filmemacher wollen aufdecken, dass 
                
                
                 es den Politikern mit ihren „Rettungsfonds“ gar nicht wirklich um 
                Rettung ginge,
                
                
                
                
        Was von diesen „Enthüllungen“ zu 
        halten ist, inwiefern sie falsch sind und von einem offensichtlich unbeirrbaren 
        Glauben an die eigentlich nützlichen Dienste von Staaten und der von einen 
        eingerichteten Marktwirtschaft zeugen, darum geht es in unserer heutigen und der 
        nächsten Sendung in einem Monat. 
        
        1. Rettung aber keine Rettung in Sicht: 
        
        
        „Wem nützt die sogenannte Krise? ... Seit nun sechs Jahren 
        schaffen Politiker immer neue Rettungsfonds zur Rettung von Banken und Ländern. 
        Es heißt, würden die „systemrelevanten“ Banken nicht gerettet, gingen gleich 
        ganze Volkswirtschaften zugrunde; würden vereinzelte Staaten nicht vor der 
        Staatspleite gerettet, gleich die ganze EU. Deswegen sei es unumgänglich 
        Milliarden Steuergelder in Rettungsschirme zu stecken, denn schlussendlich rette 
        sich damit der Bürger und Steuerzahler selbst. Der Film „Wer Rettet Wen?“ zeigt, 
        wer dabei wirklich gerettet wird. Nie ging es um die Rettung der Griechen, nie 
        um die der Spanier oder Portugiesen …“ 
         
        
        Dass Nutzen und Schaden der Krisenpolitik - wie sie von 
        den Filmemachern eindringlich vor Augen geführt werden - sehr eindeutig verteilt 
        sind, ist nicht zu leugnen. Hunderte Milliarden an Euros wurden von den Staaten 
        Europas in die Hand genommen, um das europäische Bankensystem zu retten, 
        worüber die Staatsverschuldung der Euro-Staaten rapid anstieg, was zur Folge 
        hatte, dass die Finanzmärkte nach den Banken nun auch den Staaten als Schuldnern 
        teilweise das Vertrauen entzogen; speziell Griechenland, Portugal, Irland und andere konnten 
        sich überhaupt nicht mehr wie gewohnt über den Kapitalmarkt finanzieren. Der 
        daraus resultierenden Bedrohung des Euro - des gemeinsamen Reichtumsmaßes der 
        Eurozone - begegnete Europa mit der Schaffung zweier Rettungsfonds – EFSF und 
        ESM – mit dem Auftrag für die Stabilität des europäischen Finanzmarktes zu 
        sorgen, um aus dem Scheitern der Krisenstaaten nicht eines des Euro werden zu 
        lassen. Im Gegenzug für den Kredit aus den diversen 
        „Rettungsfonds“ werden die Krisenstaaten verpflichtet und angeleitet durch die, 
        die Kreditgeber repräsentierende TROIKA, „Sparprogramme“ zu beschließen, deren 
        Umsetzung unter strenger Aufsicht der TROIKA dazu führen soll, dass diese 
        Staaten das Vertrauen des Finanzkapitals und derart ihre wirtschaftspolitische 
        Souveränität wieder zurück gewinnen. Die Resultate dieser Sparprogramme werden 
        von den Filmemachern eindringlich vor Augen geführt: Massenentlassungen, 
        Mindestlöhne, Löhne und Pensionen werden in mehreren Etappen radikal gekürzt, die Bezugsdauer von Arbeitslosengeld 
        und sozialer Unterstützung zusammengestrichen, das Gesundheitssystem 
        ausgehungert und nicht wenigen Menschen, wegen der „Sparmaßnahmen“ nicht mehr in der Lage ihre 
        Versicherungsbeiträge zu zahlen, wurde der Zugang zu Gesundheitsdienstleistungen 
        völlig versperrt. 
        
        Auf diese durch Finanzkrise und Rettungspolitik 
        geschaffene Verarmung der Menschen nehmen die Filmemacher Bezug, bloß wie!
        
        Daran, dass die Maßnahmen der Politik zur Rettung von Banken und Ländern keine 
        Verbesserung der Lage der Bevölkerungen Griechenlands, Spaniens etc. brachten, 
        sondern sie ganz im Gegenteil erst so richtig ins Elend stürzten, wollen sie 
        entdecken, dass es den Verantwortlichen in der Politik gar nicht wirklich um 
        Rettung zu tun ist. 
        
        Damit sitzen sie ihrem eigenen Vorurteil über Nutzen und Schaden des 
        Finanzkapitals, seiner Krise und seiner Rettung auf. Nur wenn man sich die 
        Wirtschaft als Gemeinschaftswerk aller an ihr Beteiligten und die Krise 
        dementsprechend als allgemeinen Schaden denkt – einen Schaden, der alle trifft: 
        Unternehmer, Staat und Menschen -, kann man nämlich auf die Idee kommen, aus der 
        nicht ab- sondern zunehmenden Verarmung der arbeitenden Bevölkerung im Zuge der 
        Rettungspolitik auf einen Verstoß der Verantwortlichen an ihrem eigentlichen 
        Auftrag, die Krise zu beenden, schließen. 
        
        Dazu muss man freilich die Erklärung 
        der Politik gründlich missverstehen (wollen) – welche die Filmemacher sinngemäß 
        durchaus richtig wie folgt wiedergeben: „Es heißt, würden die „systemrelevanten“ Banken nicht 
        gerettet, gingen gleich ganze Volkswirtschaften zugrunde; würden vereinzelte 
        Staaten nicht vor der Staatspleite gerettet, gleich die ganze EU. Deswegen sei 
        es unumgänglich Milliarden Steuergelder in Rettungsschirme zu stecken, denn 
        schlussendlich rette sich damit der Bürger und Steuerzahler selbst. Der Film „Wer Rettet Wen?“ 
        zeigt, wer dabei wirklich gerettet wird. Nie ging es um die Rettung der 
        Griechen, nie um die der Spanier oder Portugiesen …“ 
        
        
        Die Rettungspakete heißen nicht zufällig nicht „Menschenrettungspakete“, sondern „Bankenrettungspakete“. Das 
        Sorgeobjekt sind also ausdrücklich nicht die Menschen, sondern die Banken. Mit 
        dem Zusatz „systemrelevant“ tun die 
        Politiker auch noch kund, warum sie das sind. Gelingt das Gewinnemachen im 
        Bankensektor nicht mehr, sind die Grundfesten der eingerichteten Marktwirtschaft 
        erschüttert. Mit den Banken retten sie also nicht nur die Banken, sondern das 
        ganze Wirtschaftssystem, die ganze Volkswirtschaft. Mit dem Bankrott eines in 
        Euro wirtschaftenden Mitgliedsstaates sehen dieselben Politiker ihr 
        imperialistisches Erfolgsprogramm der Euro-Zone gefährdet. Einzig deswegen 
        halten sie die Staatsanleihen des bankrotten Griechenlands weiterhin werthaltig, 
        „retten“ also den vom Bankrott 
        betroffenen Mitgliedsstaat, tun alles, um den Bestand der Eurozone und überhaupt 
        der EU zu sichern. Die lohnabhängige Mehrheit der Bevölkerung in den 
        Krisenländern erfährt, dass sie als abhängige Variable vom Erfolg der Wirtschaft 
        für diesen Erfolg mit ihrer radikalen Verelendung einzustehen hat. 
        
        Vor allem diesen letzten Punkt – die Verelendung der Bevölkerung – nehmen die 
        Filmemacher zur Kenntnis und wenden ihn gegen die Ziele „Rettung der Volkswirtschaft“, „Rettung des Euros“ – aber nicht in 
        dem Sinn, - na wenn Rettung der Volkswirtschaft und des Euros bedeutet, dass die 
        Masse der Bevölkerung verelendet, dann spricht das gegen diese Ziele. Nein, sie 
        wollen sich ihr Bild eines harmonischen Miteinanders der in der Gesellschaft 
        vorfindlichen Interessen nicht nehmen lassen. Angesichts der durch die 
        Krisenpolitik erst so richtig ins Elend gestürzten Bevölkerungsmassen bezweifeln 
        sie, dass es der Politik tatsächlich um die Rettung ihrer Volkswirtschaften und 
        Europas zu tun ist. Sie nehmen die „Krise“ 
        als allgemeinen Schaden, als Schaden, den wir alle haben und werfen den 
        Politikern vor, ihnen ginge es gar nicht wirklich darum, die Krise zu bekämpfen, 
        sie würden eine falsche Krisenpolitik betreiben. 
        
        
        Staat, Wirtschaft und Bevölkerung werden in diesem Bild von Krise als 
        allgemeinem Schaden unterschiedslos als von der Krise Betroffene gefasst. Die 
        Filmemacher wollen nichts davon wissen, dass die unter dem Stichwort „Krise“ zusammengefassten Notlagen 
        sich nicht bloß unterscheiden, es sich vielmehr um Krisen von Subjekten mit 
        gegensätzlichen Interessen handelt. Da sind die 
        Lohnabhängigen, die – wie schon diese Bezeichnung sagt – darauf angewiesen sind, 
        jemanden zu finden, der ihnen einen Lohn zahlt. Dass dieser Lohn immer zu gering 
        ist, ist kein Zufall und das gilt schon in den sogenannten normalen Zeiten. Erst 
        recht kriegen sie ihn jetzt bestritten und zwar von den ebenfalls zur 
        Gemeinschaft der Geschädigten gezählten Unternehmern. Die entlassen – nicht nur 
        aber eben insbesondere in Zeiten der Krise - massenhaft Leute, kürzen die Löhne 
        der verbliebenen Mannschaft, weil ihr Geschäft nicht läuft, die Anwendung der 
        Arbeitnehmer ihnen also den erwarteten Gewinn nicht oder nicht in ausreichendem 
        Maße einspielt. 
        
        Und dann gibt es da noch den Staat mit seinen Haushaltssorgen, der mit dem 
        Verweis auf diese Sorgen sein Volk drangsaliert. Die verheerenden Folgen, die 
        die Unternehmen und die Politik mit dem Verweis auf ihre Nöte und Sorgen dem 
        Volk bescheren, werden von den Filmemachern bzw. den im Film zu Wort kommenden 
        Kritikern der Krisenpolitik darauf zurückgeführt, dass die Verantwortlichen all 
        das unterlassen und versäumen, was 
        ihre eigentlich Aufgabe wäre – die Rettung der Menschen, der Griechen usw. 
        
        Die Gegensätzlichkeit der 
        ökonomischen Interessen ist selbst noch der von ihnen sinngemäß zitierten 
        Erklärung der Politiker anzumerken. „Schlussendlich“ würden die 
        Menschen „sich retten“ und zwar als Bürger und Steuerzahler, 
        heißt es da. Verordnet müssen die Rettungsmaßnahmen den Menschen offenbar schon 
        noch werden, sonst würde es nichts mit der Selbstrettung, was doch ein 
        einigermaßen schiefes Licht auf das Selbst dieser Rettung wirft. Wem müsste man 
        schon Rettungsmaßnahmen aufzwingen, wenn es wirklich die eigene Rettung wäre?
        
        
        
        Dass es mit der Zustimmung gelinde gesagt nicht weit her ist, ist kein Wunder, 
        schließlich drückt das „schlussendlich“ doch auch aus, dass die von der Politik ergriffenen 
        Maßnahmen die Lage der Menschen gar nicht verbessern, es sich im Gegenteil um 
        lauter Maßnahmen handelt, die den Arbeitnehmern unmittelbaren Schaden zufügen – 
        sie in anderen Worten ärmer machen. Trotzdem sollen die Menschen diese sie 
        negativ treffenden „Rettungsmaßnahmen“ 
        nicht als das nehmen, was sie sind – ihre Verarmung zwecks Rettung der Ökonomie 
        -, sondern als Versprechen auf ein dadurch ins Werk gesetztes künftiges Wachstum 
        der Wirtschaft, als dessen Nutznießer sie sich fühlen sollen. 
        
        Aus dieser Aussage der Politik hätte man einiges lernen 
        können über die eigentümlichen Zwecke von Politik und Marktwirtschaft. Der 
        Nutzen der Bürger ist offenbar eine abhängige Variable von Erfolgen der 
        Wirtschaft, die dadurch zu befördern sind, dass an den Arbeitnehmern gespart 
        wird. 
        
        
        Die Filmemacher wollen davon nichts wissen. Sie rechnen 
        Politik und Wirtschaft – fix und unverrückbar am Standpunkt eines allgemeinen 
        Schadens stehend - die von ihnen gesetzten Maßnahmen als Fehler – als Vergehen 
        an den eigentlich guten Aufgaben dieser Institutionen vor. Ausgerechnet dort, wo 
        ihnen auffällt, dass die politischen und wirtschaftlichen Zwecke den 
        Arbeitnehmern ganz und gar nicht gut tun, halten sie das Bild einer besseren, 
        den Menschen dienenden Politik hoch und verteidigen so die Politik gegen ihre 
        hässliche Praxis. 
        
        
        Sie verdoppeln derart alle Institutionen in den ihnen grundlos unterstellten 
        eigentlichen guten Zweck und in ihre schlechte Wirklichkeit. Sie trennen damit 
        die beklagten negativen Wirkungen von den Institutionen ab und verlagern sie auf 
        die Subjekte, die in ihnen das Sagen haben, und die – sei es durch ihr Versagen, 
        sei es aus Gier und Egoismus – diesen guten Zweck zu Nichte machen. Alle diese 
        Institutionen werden derart gegen Kritik immunisiert. 
        
        Dies tun sie gleich in mehreren Abteilungen, indem sie auf 
        die Suche nach Schuldigen dafür gehen, warum aus den angeblich guten Zwecken 
        nichts wird, und landen – wenig überraschend – bei den üblichen Verdächtigen.
        
        
        
        2. Bankenrettung 
        
        
        a. Krise als Geschäftsmodell der Banken  
        
        Über Finanzkrise und Finanzkapital schreiben die Filmemacher in ihrem Dossier:
        
        
        
        „Es wäre sicherlich unangemessen und 
        verschwörerisch zu behaupten, die Banken und ihre Gläubiger hätten die 
        Finanzkrise geplant, aber wenn man der Sache auf den Grund geht - so wie es der 
        Film tut - zeigt sich doch, dass gerade sie, die erheblich die Finanz- und 
        Eurokrise verursachten, aus der Krise Kapital geschlagen haben. Sie haben es 
        geschafft die Finanzkrise sogar in ein profitables Geschäftsmodell umzumünzen. 
        In den Worten von Prof. Hans-Werner Sinn, Präsident des ifo Instituts für 
        Wirtschaftsforschung: „Es ist geradezu das Geschäftsmodell der Banken, darauf zu 
        setzen, dass im Krisenfall, die Staatengemeinschaft zur Rettung herbeigerufen 
        wird. In guten Zeiten macht man Gewinne, schüttet sie aus an die Aktionäre, das 
        Geld ist weg. In schlechten Zeiten setzt man darauf, dass der Steuerzahler zur 
        Hilfe kommt und die Verluste trägt.““
        Es wird schon so sein, dass es einigen Finanzkapitalisten gelungen ist, selbst 
        noch aus Krise und Bankenrettung Kapital zu schlagen. Deswegen so zu tun, als 
        wäre eine Krise eine einzige gute Gelegenheit fürs Finanzkapital - damit 
        beiläufig den Verdacht zu streuen, die Krise könnte das absichtlich 
        herbeigeführte Werk des Finanzkapitals sein -, geht schon einigermaßen daran 
        vorbei, was eine Finanzkrise ist. Schließlich heißt Finanzkrise, dass eine ganze 
        Menge an Wertpapieren der verschiedensten Art sich als uneinbringlich - statt 
        als Kapital als Schulden - herausstellten und abgeschrieben werden mussten. 
        Innerhalb eines Jahres gingen 83 Banken unter oder wurden teilverstaatlicht, 60% 
        der amerikanischen Investmentbanken verschwanden, weil sie nicht in der Lage 
        waren, ihre Verbindlichkeiten einzuhalten. Ohne dass Bedauern angesagt wäre, ist 
        festzustellen, dass auch mancher „gestresste“ 
        Finanzmanager im Zuge der Krise seinen lukrativen Job verloren hat. 
        Abgesehen davon ist die Entlarvung, Banken hätten aus der staatlichen 
        Krisenbewältigung einen Nutzen gezogen, noch in anderer Hinsicht absurd. Was da 
        als Vorwurf daherkommt, dass nämlich die Banken im Unterschied zur Bevölkerung 
        Nutznießer der staatlichen Krisenbewältigung seien, will den Inhalt des 
        staatlichen Krisenbefunds nicht zur Kenntnis nehmen. Was die Staaten für sich 
        und die von ihnen eingerichtete Wirtschaft zum Krisenfall ausgerufen haben, war 
        der drohende Zusammenbruch des Finanzsektors. Die Bankenrettungsmaßnahmen sind 
        daher kein Unfall ihrer Wirtschaftspolitik, sondern beabsichtigt und das hieß, „systemrelevante“ Banken nicht in die 
        Pleite gehen zu lassen, Kapital zuzuschießen usw. Dass dann die Banken – im 
        Unterschied zur Bevölkerung gut aussteigen, ist dann weder Zufall noch Skandal, 
        wie die Filmemacher glauben machen wollen, sondern zeigt, worauf es in unserer 
        Wirtschaft wirklich ankommt. 
        
        b. Gute Banken – böse Bankmanager
        
        
        
        Denken soll man sich, der Schaden der Allgemeinheit wäre das Resultat eines 
        unanständigen, gegen die Regeln des sachgemäßen und anständigen Bankgeschäfts 
        verstoßenden Verhaltens gewissenloser Finanzmanager. Unterstrichen wird dieses 
        Bild vom unlauteren Bankmanager im Film durch Beispiele wie das folgende: 
        
        
        „Kredit für die eigene Wohnung ist besser 
        als Miete, mit diesem Slogan wurden viele Millionen auch weniger gut verdienende 
        Spanier gelockt. Heute sind dies die großen Verlierer der Immobilienspekulation.
        
        … Die Banken haben etwas kommerzialisiert, das sich Hypothek nennt, und ein hoch 
        toxisches Produkt darstellt. Warum toxisch? Weil die Banken schon von vielen 
        wussten, die ihren Kredit nicht würden bezahlen können. Den Banken war das große 
        Risiko klar, aber sie haben uns das niemals gesagt.“
        
        
        Schon vor der Krise hätten gewissenlose Banker auch weniger betuchten Kunden 
        Kredite aufgeschwatzt, die sie sich eigentlich nicht leisten konnten. Seriöses 
        Bankgeschäft hätte Kredite, von denen sich im Nachhinein herausstellt, dass sie 
        uneinbringlich sind, schon damals nicht vergeben dürfen, lautet der Vorwurf. 
        Dreht man den Vorwurf um, merkt man, dass ein solches Urteil nicht ohne einen 
        gewissen Schuss Zynismus zu haben ist. Wäre es wirklich besser gewesen, den 
        Menschen keinen Wohnungskredit zu geben? Sollte man aus den im Film 
        geschilderten unzähligen Fällen von Wohnungskredit samt anschließender 
        Delogierung nicht eher lernen, dass in unserer besten aller möglichen Welten für 
        die sprichwörtlichen kleinen Leute offenbar schon ein Dach über dem Kopf eine 
        nicht leistbare Sache ist. 
        
        Die Filmemacher denken lieber in eine andere Richtung. Sie treibt das Bedürfnis 
        um, seriöses Bankgeschäft von gewissenloser Spekulation zu unterscheiden. Diese 
        Unterscheidung macht nur, wer am Kreditgeschäft selbst nichts auszusetzen hat, 
        vorausgesetzt nur, es wird seriös betrieben, erspart also insbesondere Menschen 
        Kredite, die sie sich, wie man jetzt 
        im nachhinein 
        weiß, nicht leisten können. Den Grund der Krise verorten die Filmemacher daher 
        dieser Unterscheidung gemäß nicht im Zweck des Kreditgeschäftes, sondern in 
        dessen Übertreibung: 
        
        „Die Banken sind ins Kasino gegangen, 
        haben gesetzt und verloren. Wir alle haben den Bankinstituten Wohnungen 
        abgekauft, Darlehen, Futurebonds, Hypothekenurkunden. Das sind Schuldentitel, 
        die Banken auflegen und das kann hohe Verluste bedeuten.“ 
        Der Vorwurf lautet, die Banken hätten gezockt. Der gewöhnliche Kredit geht für 
        sie in Ordnung. Spekulation beginnt für sie erst bei den Kreditgeschäften der 
        höheren Art, bei denen Kredit auf Kredit, Spekulation auf Spekulation getürmt 
        wird: 
„Die Bank gibt Kredit an Kunden. Die Bank hat ein Ausfallsrisiko, muss Kapitalreserven halten. Bei einem auf 5 Jahre ausgelegten Darlehen müsste das Kapital dafür auch 5 Jahre in der Bilanz bleiben. Bis er rückzahlbar war, konnte die Bank diesen Betrag nicht wieder verwenden. Mit einem credit default swap kaufte sie eine Versicherung für den Fall, dass der Kunde den Kredit nicht zahlt. Damit hatte die Bank die Macht, mehr Kredite zu vergeben und sobald sie genug davon hatten, versicherten oder bündelten sie und verkauften sie weiter. Das beschleunigte die Geschwindigkeit, mit der die Kredite im System herumbewegt wurden. Dh. statt ein Darlehen 5 Jahre zu halten, konnte man es gewähren, es verkaufen, das Geld frei machen und wieder von vorne anfangen. Das vergrößerte das Kreditangebot exponentiell
. Kurzfristig werden so zwar die Gewinne vergrößert, aber das Problem ist, sobald man das Darlehen verkauft hat, muss man immer weitermachen. Man musste immer weitermachen, immer mehr Kredite vergeben und als in der Krise viele die Arbeit verloren, wurden die Kredite zur Falle.“
        Hätten die Banken bloß Kredite vergeben und dafür ordentliche Zinsen kassiert, 
        die Filmemacher wüssten nichts dagegen einzuwenden. Ihre Kritik wendet sich 
        nicht gegen die Kreditgeschäfte: Geld wird gegen Zins verliehen; wie und ob der 
        Kreditnehmer es schafft, diesen Zinsdienst zu leisten, bleibt dem Kreditnehmer 
        überlassen und geht den Kreditgeber nichts an; er hat ein staatlich garantiertes 
        Recht auf Bedienung seiner Schuldforderung. Nicht dagegen wendet sich ihre 
        Kritik, sondern gegen die Banker. Die hätten mit lauter Tricks das Eigenkapital 
        der Banken minimiert, Kredite gebündelt und in Form neuer Wertpapiere verkauft. 
        All das nur um noch mehr Kredite vergeben und noch mehr Gewinn lukrieren zu 
        können. Das sei ihnen zum Verhängnis geworden. Diese Geschäfte sind nicht mehr 
        zu stoppen: „Man muss immer so 
        weitermachen“. 
        Mit dieser Kritik nehmen die Filmemacher das Kreditgeschäft selbst in Schutz. 
        Der Grund der genannten Übertreibung ist ja ihrem Urteil nach gerade nicht in 
        der Logik dieses Kreditgeschäftes zu finden sein, sondern in der Psychologie der 
        handelnden Personen, die aus kurzsichtiger Gier nach Gewinn das Kreditangebot 
        über das nach Meinung der Filmemacher vertretbare Maß hinaus exponentiell 
        vergrößert hätten. Was dieses vertretbare Maß sein könnte, darüber gibt es ganz 
        und gar nicht zufällig keine Auskunft. Das weiß man immer erst, wenn es wieder 
        einmal zu spät ist. Hat man sich aber einmal ganz im Sinne der Lebensweisheit „Allzuviel ist ungesund!“ zum 
        Vorurteil, Grund der Krise sei die übermäßige Aufblähung des Kredits, 
        entschlossen, kann man sich jetzt, nachdem die Krise eingetreten ist, als 
        Durchblicker fühlen. 
        Dabei kommt diese Kritik um einen Widerspruch nicht herum. Wenn es am Kredit 
        selbst nichts auszusetzen gibt, er im Gegenteil sogar als nützliches 
        wirtschaftliches Instrument durchgeht, dann lässt sich doch nichts gegen die 
        Beschleunigung dieser Kreditverhältnisse einwenden. Mehr an Kredit bedeutet dann 
        doch nur mehr von dem Nützlichen, für das man den Kredit hält. Wo soll dann aber 
        das Problem sein, immer so weitermachen zu müssen? 
        Wenn das Weitermachen umgekehrt aber tatsächlich zu Problemen führt, so deshalb, 
        weil nicht ausgemacht ist, ob ein vergebener und genommener Kredit auch bedient 
        werden kann. Dass so mancher Kredit in die Hose geht, liegt im Wesen des Kredit, 
        ist also nicht Folge einer gar nicht näher bestimmten Beschleunigung der 
        Kreditvergabe. Jeder Kredit ist nämlich immer und ohne Ausnahme – vom 
        Wohnungskredit des Arbeitnehmers über den Unternehmerkredit zwecks 
        Investitionstätigkeit bis hin zur spekulativen Veranlagung in Wertpapiere der 
        verschiedensten Art - eine Spekulation auf einen zukünftigen Erfolg, der, dem 
        Wesen von Spekulation entsprechend, in keinem Fall eine ausgemachte Sache ist, 
        ganz im Gegenteil. Ob und ab welchem Maß an Kreditklemmen das dann zum 
        Zusammanbruch des ganzen Finanzsystems führt, lässt sich ob der vielfältigen 
        Verschlingungen der Kreditbeziehungen, bei der Schulden und Guthaben sich gar 
        nicht unterscheiden lassen, beim besten Willen nicht mehr vorhersagen. Kurz, es 
        ist verkehrt, Spekulation nicht schon im Kredit selbst, sondern erst im Geschäft 
        der höheren Art mit ihm zu verorten. 
        Wer Spekulation erst am Handel mit Krediten – an Derivaten, Kreditverbriefungen 
        und Swaps – entdeckt, und nicht schon am einfachen Kredit des Wohnungkäufers, 
        sitzt aber noch in einer anderen Hinsicht einem Irrtum auf. Er übersieht 
        nämlich, dass die von ihm als Spekulation gebrandmarkte Kreditaufblähung schon 
        im von ihm als seriös eingestuften einfachen Kredit angelegt ist. 
        Banken konzentrieren alles Geld der Gesellschaft bei sich. Sie attrahieren 
        Einlagen, wickeln den gesellschaftlichen Zahlungsverkehr ab, schöpfen und 
        vergeben auf dieser Grundlage Kredite. Alles einzig um derart die eigene 
        Kreditmacht beständig auszuweiten. Gradmesser des ökonomischen Erfolgs einer 
        Bank ist die Verzinsung des von ihr eingesetzten Kapitals. Wenn das aber 
        einziger Zweck jeder Kreditvergabe ist - und noch nicht einmal die Filmemacher 
        erheben einen Einwand dagegen -, dann erreicht die Bank diesen Erfolg umso 
        besser, je mehr an Krediten sie auf Basis des eingesetzten Kapitals vergibt. 
        Dann wäre es aus der Sicht dieses Zwecks geradezu sträflich, auch nur eine 
        solche mögliche Investitionsgelegenheit auszulassen. Die beschriebene Aufblähung 
        des Kreditvolumens ist dementsprechend die logische Konsequenz jeden 
        Bankgeschäfts und daher alles andere als eine Folge einer besonderen 
        psychologischen Disposition der Bankmanager, wie die Filmemacher glauben machen 
        wollen. 
        Die sprichwörtlich kleinen Leute gehören dabei in keinem Fall zu den Nutznießern 
        dieser auf Spekulation beruhenden Verhältnisse und zwar unabhängig davon, ob die 
        Spekulation aufgeht oder nicht. Gelingt ein realwirtschaftliches Geschäft, so 
        können sie sich was darauf einbilden, durch ihre Arbeit das Unternehmen, das sie 
        beschäftigt, reicher gemacht zu haben. Als Kunden einer Bank andererseits dürfen 
        sie mit ihren Zinszahlungen auch noch zum Erfolg „ihrer“ kreditgewährenden Bank 
        beitragen. Wird das Unternehmerrisiko ihres Arbeitgebers schlagend und verlieren 
        sie deshalb mit ihrem Arbeitsplatz ihren Lohn, weil er sich für ihren 
        Arbeitgeber nicht mehr lohnt, dürfen sie schauen, wie sie mit Tilgung und Zinsen 
        ihres Kredites zurande kommen, verlieren sie doch ansonsten ihre mit einer 
        Hypothek belastete Wohnung. Kommt dann - wie in den im Film geschilderten Fällen 
        - im Zuge der Finanzkrise die kreditgewährende Bank selbst oder dasjenige 
        Finanzkapital, das ihren Hypothekenkredit gerade im Portfolio hält, in 
        Liquiditätsschwierigkeiten, sorgen die staatlichen Gesetze dafür, dass ihr 
        Kredit fällig gestellt wird oder ihre mit einer Hypothek belastete Wohnung sich 
        in der Konkursmasse wiederfindet. Dass spanische Wohnungskäufer, die ihren 
        Kredit nicht mehr bedienen können, keine Hilfe vom Staat erhalten und sehen 
        dürfen, wo sie bleiben, derselbe Staat aber mit seiner ganzen Gewalt hinter den 
        Banken steht, ist dann kein Zufall. 
        
        
        Im Jahr 2008 ging im Zuge der Hypothekenkrise die amerikanische Bank Lehman 
        Brothers 
        
        Pleite. 
        Diese Pleite drohte, auch den europäischen Finanzmarkt zum Einsturz zu bringen. 
        Die Staaten Europas reagierten mit Rekapitalisierung ihrer gefährdeten Banken 
        und, wenn dies nicht ausreichte, mit deren 
        Verstaatlichung. 
        Spätestens ab 2012 sah sich Spanien nicht mehr in der Lage, die Rettung der 
        eigenen Banken in Eigenregie zu betreiben und wandte sich um Unterstützung an 
        die europäischen Partner. Im Film erfährt man hiezu: 
        
        „Als diese Blase in der Finanzkrise 
        platzte, bestand für die deutschen Banken die Gefahr, dass etwa 200 Mrd.€, die 
        sie an spanische Banken ausgeliehen hatten, nicht mehr zurückgezahlt werden 
        können. Darauf entstand die Idee, dass Spanien gerettet werden muss, weil die 
        Spanier faul sind. Weil hier nicht gearbeitet wird, die Firmen nicht gut sind. …
        Die ausländischen Banken werden gerettet, 
        die spanischen Bürger müssen dafür alle Kosten und Risiken tragen.“
        Dass es Spanien selbst darum gegangen sein könnte, seinen eigenen Bankensektor 
        zu retten, kommt den Filmemachern nicht in den Sinn. Um die Bankenrettungspakete 
        Spaniens, seinen Antrag um Unterstützung aus dem Europäischen 
        Stabilitätsmechanismus ESM als in einen Dienst Spaniens an deutschen Banken zu 
        interpretieren, muss man sich freilich schon beinahe alles, was die Krise in 
        Spanien tatsächlich ausgemacht hat, konsequent wegdenken. 
        
        Tatsächlich geriet die spanische Bau- und Immobilienwirtschaft als Folge der 
        Kreditverknappung in Folge der Finanzkrise ab 2008 in eine Rezession. Die Folge 
        war, dass ab 2011 die spanischen Sparkassen und Banken Probleme bekamen, sich am 
        Kapitalmarkt zu refinanzieren. 
        Ab 2008 legte der spanische Staat um den Preis der explosionsartigen 
        Vergrößerung seiner Staatsschuld das - laut Angaben der EU – größte 
        Konjunktuprogramm Europas auf. 
        Das Finanzkapital, das dem spanischen Staat – trotz radikaler Kürzung seiner 
        Staatsausgaben insbesondere für Soziales - nicht zutraute, damit tatsächlich ein 
        es selbst zufriedenstellendes Kapitalwachstum anzustoßen, reagierte auf die 
        explosionsartige Zunahme der Staatsschulden mit einer Erhöhung der 
        Risikoaufschläge auf spanische Staatsanleihen. 
        Spanien sah sich daher im Jahr 2012 genötigt – und zwar aus eigenem nationalen 
        Interesse – zwecks Refinanzierung seiner Banken und Verteidigung seines eigenen 
        Zugangs zum Kapitalmarkt einen Antrag auf Unterstützung aus dem europäischen 
        Rettungsschirm ESM zu stellen. Der ESM wurde ermächtigt durch Ausgabe von 
        Anleihen bis zu 100 Mrd. Euro am Kapitalmarkt aufzunehmen und für die 
        Rekapitalisierung der spanischen Banken zur Verfügung zu stellen. Für die 
        Rückzahlung musste Spanien die Haftung übernehmen. Außerdem musste es sich zur 
        Reform seines Bankensektors verpflichten. 
        Von diesem eigenständigen Interesse Spaniens an der Rettung seiner Banken, 
        wollen die Filmemacher nichts wissen. Es ist zwar sicherlich so, dass es Spanien 
        nicht um Rettung seiner Bürger vor den Folgen der Krise zu tun war. Deswegen ist 
        es aber umgekehrt noch lange nicht richtig, das Handeln des spanischen Staates 
        auf wahlweise sachfremde Einflüsterung oder Erpressung durch gierige Banker oder 
        deutsche Politiker zurückzuführen. Auf die Idee kommt nur, wer – wie die 
        Filmemacher –gegen die aktuellen Erfahrungen in der Krise und trotz der Aussagen 
        der Politiker, die eigentlich nichts an Deutlichkeit zu wünschen übrig lassen, 
        nicht von der Vorstellung lassen möchte, der Staat hätte seine wahre Aufgabe, 
        seine Bürgern vor den Folgen der Krise zu retten, verraten. 
        
        In ihrer Überzeugung, 
        dass Staat und Volk Spaniens Opfer der Finanzindustrie geworden sind, sehen die 
        Filmemacher sich durch Aussagen wie die von 
        Dennis Kelleher, einem Vertreter der Nonprofit-Organisation better markets, 
        bestätigt: 
        
        „Das ist die einzige Industrie in der 
        Welt, die ein Damoklesschwert an die Kehlen der Regierungen und der Menschen 
        setzt. Sie sind so groß und es klingt wie, ihr traut euch ja nicht, macht nur 
        weiter, lasst uns Bankrott gehen und wir werden das gesamte Finanzsystem 
        zerstören. Wir werden eine zweite große Depression einleiten. Wollt ihr das, 
        Regierungsvertreter?“(Dennis 
        Kelleher, Better Markets, 
        
        www.bettermarkets.com) 
        
        Nicht auffallen will den Filmemachern der Widerspruch in dieser Aussage. 
        
        Gedroht haben sollen die Banken damit, dass mit ihnen das ganze Finanzsystem 
        untergeht. Hätten die Staaten kein eigenständiges Interesse an der Existenz des 
        Finanzsystems und damit seiner wesentliche Player, ginge eine solche Drohung ins 
        Leere. Haben sie aber ein eigenständiges Interesse, braucht es keine Drohung, um 
        den Staat davon zu überzeugen, die Banken zu retten. Als Erklärung, warum 
        Staaten systemrelevante Banken retten, taugt diese Aussage also nichts. 
        Geleistet ist mit ihr aber trotzdem etwas, wird der Staat doch mit ihr ebenso 
        wie die durch sein Tun verarmten Menschen zu den Opfern des Finanzkapitals 
        gezählt. 
Dabei zeigt doch schon der Umstand, dass es ohne die staatliche Gewalt das Finanzkapital gar nicht gäbe, dass er alles andere als ein hilfloses Opfer des Finanzkapitals ist: Rechtliche Absicherung und Durchsetzung von Schuldverhältnisses - und um solche handelt es sich bei Finanztiteln gleich welcher Art – kommt ohne staatliche Gewalt, die derartige Verhältnisse erst verbindlich macht, nicht aus. Das bedeutet aber, dass der Staat ein positives Interesse an der Existenz derartiger Verhältnissen hat.
        *
        Was die Staaten mit der Rettung ihrer Banken in Wahrheit gerettet haben, war 
        nicht weniger als ihr eigener Zugang zum Finanzmarkt. Das Geschäft der Banken 
        hat „systemische Bedeutung“, weil es 
        das Lebenselixier der Wirtschaft und die ökonomische Machtbasis des Staates ist. 
        Alles in der Gesellschaft ist von seinem Gelingen abhängig – und ihm daher 
        nachgeordnet. Auch die vielbeschworene Realwirtschaft funktioniert nur mit 
        Kredit und hat keine andere Aufgabe, als der Verwertung des Finanzkapitals Stoff 
        zu liefern. Sofern die Banken ihr das nicht mehr zutrauen und keine Kredite mehr 
        gewähren, lohnt sich das Produzieren und Verkaufen von Bedarfsgütern nicht mehr, 
        wird zurückgefahren oder ganz eingestellt. Selbst die Ersparnisse und 
        Geldreserven der Bürger liegen in der Form von Darlehen der Bank, von 
        Wertpapieren oder sonstigen zinstragenden Schuldforderungen vor, und sogar das 
        Geld selbst existiert und zirkuliert in Gestalt von Forderung oder 
        Verbindlichkeit auf Bankkonten, besteht also in Schulden der Banken gegen ihre 
        Kunden. 
        Wenn Banken zusammenbrechen, ist das Geld weg, das Volk enteignet, bricht der 
        Zahlungsverkehr zusammen und mit ihm alles Produzieren und Verkaufen. Mit einem 
        solchen Zusammenbruch verliert der Staat die Quelle seiner eigenen Finanzierung, 
        die bei allen modernen Staaten über den Kapitalmarkt läuft. Dass sie das 
        Finanzkapital retten, ist daher kein Wunder. 
        
        Der Staat verschafft sich das für die Erfüllung seiner Aufgaben nötige Geld 
        dadurch, dass er – und zwar ganz aus freien Stücken, soll heißen ohne Not - dem 
        Finanzkapital verzinste Staatsanleihen zum Kauf anbietet. Er tut dies, weil er 
        sich derart unabhängig davon macht, was ihm seine Wirtschaft aktuell gerade an 
        Steuern einspielt. Dem Finanzkapital umgekehrt wird mit den Staatschulden ein 
        neues Geschäftsfeld eröffnet. Es 
        behandelt seine zinsbringenden Schulden als gewinnträchtige, normalerweise sogar 
        besonders verlässliches Vermögen, weil dahinter nicht nur ein vereinzelter 
        privater Schuldner steht, sondern der Staat mit seinem Durchgriff auf die 
        gesamte nationale Ökonomie. 
        
        Die Befreiung der Staates aus seiner Abhängigkeit von den Steuereinnahmen hat 
        freilich einen Preis. Mit dieser Methode seiner Finanzierung setzt sich der 
        Staat dem Urteil des Finanzkapitals aus. 
        Er macht sich von dessen vergleichenden Beurteilung seiner Schulden abhängig - 
        das Finanzkapital vergleicht seine Schulden mit den Schulden aller anderen 
        Staaten, die ihre Papiere in Konkurrenz zu den seinen unterzubringen versuchen.
        
        Ob und inwiefern seine Verschuldung gelingt, darüber entscheidet das 
        Finanzkapital und zwar nach den Kriterien seines geschäftlichen Erfolgs. Ein 
        Staatsbankrott wie der von Griechenland liegt daher dann vor, wenn das 
        Finanzkapital einem Staat die Kreditwürdigkeit streicht. 
        Wie sehr der Staat aber in seiner Verschuldung 
        sein entscheidendes Erfolgsmittel sieht, lässt sich daran bemerken, dass 
        er selbst in solchen Zeiten, in denen diese Verschuldung nicht wie gewohnt 
        klappt, nicht auf die Idee verfällt, sich mit dem zu begnügen, was ihm seine 
        Wirtschaft an Steuern einbringt. Sein ganzes Sinnen und Trachten ist dann darauf 
        gerichtet, Bedingungen zu schaffen, die ihm die Rückkher auf die Finanzmärkte 
        gestatten. Dafür nehmen sie  - wie schon 
        in den nur im Nachhinein und im Vergleich idyllisch scheinenden normalen Zeiten 
        – ihr Volk in die Pflicht. 
        Die getätigten 
        Staatsausgaben haben sich nicht als geschäftswirksam erwiesen und werden in der 
        Folge neu kalkuliert. Das Volk in Gestalt der Kosten der staatlichen 
        Sozialeinrichtungen wird zur unhaltbaren Belastung erklärt. Dafür, um der 
        staatlichen Schuldenwirtschaft die Rückkehr auf den Finanzmarkt zu ermöglichen, 
        ist die Verarmung der Bevölkerung das adäquate Mittel. 
        
        Welche Auswirkungen das Zusammenstreichen der  sozialstaatlichen Ausgaben des 
        griechischen Staates auf die Bevölkerung hat, dafür liefert der Film reichlich 
        Anschauungsmaterial. Einen Schluss darauf, wofür die nun gekürzten 
        Sozialstaatsausgaben schon in Vorkrisenzeiten gut waren, wollen die Filmemacher 
        und die von ihnen interviewten Personen nicht ziehen: 
        „Die Rettung 
        maroder Banken wird zur Möglichkeit schließlich Kündigungsschutz sowie Sozial- 
        und Arbeitsrechte systematisch abzubauen. In einem Interview mit dem Wallstreet 
        Journal am 13.02.2012 macht Mario Draghi - einst Vizepräsident von Goldman Sachs 
        und heute Präsident der EZB - daraus keinen Hehl: „Das europäische Sozialmodell 
        ist Vergangenheit.“ Die Rettung des Euro und damit der Eurozone werde viel Geld 
        kosten. Das bedeute auch, vom europäischen Sozialmodell Abschied zu nehmen.“
        Den Milliarden, welche die Staaten in die 
        Bankenrettung gesteckt haben, werden die Kürzungen im Sozialbereich 
        gegenübergestellt. Denken soll man sich, die hohen Kosten der Bankenrettung 
        wären Vorwand bzw. Grund - die Filmemacher unterscheiden da nicht so genau - für 
        die als „Abschied vom europäischen 
        Sozialmodell“ apostrophierten Einschnitte in den Sozialstaat. Dieses 
        Argument lebt von der Vorstellung des Staatshaushaltes als einer Kasse, aus der 
        der Staat unterschiedslos die Notwendigkeiten des Staats, seinen Gewaltapparat, 
        seine Ausgaben für Wirtschaftsförderung, Bildungs- und Arbeitsmarktpolitik bis 
        zur Sozialpolitik im engeren Sinn bestreitet. Jetzt, wo diese Kasse wegen der 
        Bankenrettung leer sei, wäre der Staat zum Sparen gezwungen. Behauptet wird 
        damit also, die Kürzungen am Sozialstaat wären die Konsequenz der jetzt leeren 
        staatlichen Kasse. 
        Um dieses Argument zu teilen, muss man sich den 
        Staatshaushalt als eine Art Gemeinschaftskasse 
        vorstellen, vergleichbar 
        mit der Geldbörse des kleinen Mannes, der tatsächlich nicht mehr ausgeben kann 
        als er verdient. Dass es sich beim Haushalt des Staates etwas anders verhält, 
        könnte man aber allein schon daran merken, dass ausnahmslos alle Staaten ihre 
        Schulden in all den vergangenen Jahren laufend vergrößert haben. Dem kann man 
        entnehmen, dass staatliche Schulden gar nicht darauf berechnet sind, je wieder 
        auf Null gestellt zu werden. Jeweils fällige alte Schulden werden stets mit 
        Hilfe neuer Schulden beglichen. Krise ist dann, wenn das Finanzkapital aus 
        seinen Gründen einem Staat das Vertrauen entzieht und tatsächlich auf 
        Rückzahlung besteht. Dann ist ein Staat pleite. Der vorgestellte kleine Mann mit 
        seiner Geldbörse kriegt all das nicht hin. 
                                                                                              
        *
        Hält man trotzdem für einen Moment am Bild fest, der 
        Staat könne so wie Hunz und Kunz nicht mehr ausgeben, als er einnimmt, so zeigt 
        sich das Argument bei genauerem Hinsehen als in sich widersprüchlich. Wenn trotz 
        – wie in dem Bild unterstellt – beschränkter staatlicher Mittel viel Geld für 
        die Rettung des Euros und der Eurozone ausgegeben wird, für den Sozialstaat 
        radikal weniger - dann ist die Kürzung im Sozialstaatsbereich auch von dieser 
        Seite her nicht irgendeinem Diktat klammer Kassen geschuldet, sondern dieser 
        staatlichen Prioritätensetzung. 
        Fällig wäre an dieser Stelle zu fragen, warum die Banken 
        „systemisch“ sind, der Erhalt des 
        Sozialstaats in der bisherigen Form dieses Prädikat aber nicht zugesprochen 
        erhält. 
                                                                                              
        *
        Die Filmemacher machen anders 
        weiter. Sie sind überzeugt, für den Rückbau des Sozialstaates könne es keinen in 
        den politökonomischen Verhältnissen liegenden Grund geben. Für sie verdanken 
        sich Kürzungen im Sozialbereich den bösen Absichten pflichtvergessener 
        Politiker, die ihre Verantwortung für das soziale Wohl der von ihnen regierten 
        Menschen nicht wahrnehmen. Der klamme Staatshaushalt wird ihnen zum willkommenen 
        Vorwand, das schon die ganze Zeit über latent vorhandene - ganz anderen und 
        nicht weiter benannten Beweggründen geschuldete - Interesse an der Abschaffung 
        des Sozialstaates endlich in die Tat umzusetzen. Wenn „die Rettung maroder Banken zur 
        Möglichkeit wird,… Sozial- und Arbeitsrechte systematisch abzubauen“, haben 
        die Regierenden nach Ansicht der Filmemacher offenbar schon die ganze Zeit über 
        auf eine solche Gelegenheit gewartet. 
        Wenn sie aber schon immer auf 
        eine Gelegenheit gewartet haben sollen, den Sozialstaat abzuschaffen, stellt 
        sich freilich die Frage, wieso sie ihn dann überhaupt jemals eingeführt haben? 
        Wenn sie andererseits all diese Rechte schon abschaffen wollen, warum sollten 
        sie das dann nicht einfach tun? Warum brauchen sie dazu einen Vorwand? Wieso 
        sollte außerdem der Hinweis auf die Notwendigkeit der „Rettung maroder Banken“ überhaupt als 
        Vorwand taugen? Um die wegen der Bankenrettung leeren Staatskassen für einen 
        geeigneten Vorwand halten zu können, müssen die Filmemacher selbst das Argument 
        für irgendwie einleuchtend halten. Woher nehmen sie dann aber ihre Überzeugung, 
        es würde sich um einen Vorwand handeln? 
                                                                                              
        *
        Dass die Kürzungen im Sozialbereich dem Diktat der 
        wegen der Kosten für die Bewältigung der Banken- und Staatsschuldenkrise leeren 
        Kassen geschuldet seien, stellt das wirkliche Verhältnis dieser Staatsausgaben 
        auf den Kopf. 
        Die Politik macht 
        gar kein Geheimnis daraus, worum es geht, wenn Banken gerettet, sozialstaatliche 
        Leistungen gestrichen, Löhne gesenkt, massenhaft Arbeitnehmer auch im 
        öffentlichen Dienst gekündigt, Staatsbetriebe privatisiert werden und am 
        Ausbildungswesen gespart wird. 
        Finanzkapitalistische Investoren haben Griechenland – 
        zwischenzeitlich auch Irland, Spanien, Portugal - den Kredit entzogen. Die 
        getätigten Staatsausgaben haben sich als nicht ausreichend geschäftswirksam 
        erwiesen. In der Folge werden die Staatsausgaben neu kalkuliert, mit dem 
        Ergebnis, dass die soziale Betreuung des Volkes zu einer nicht lohnenden und 
        daher unhaltbaren Kost erklärt wird. Um der staatlichen Schuldenwirtschaft die 
        Rückkehr auf den Finanzmarkt zu ermöglichen, ist die Verarmung der Bevölkerung 
        das adäquate Mittel. Die „Krise der 
        Staaten“ bzw. die Probleme, die die Staaten mit ihrer Refinanzierung am 
        Kapitalmarkt haben, sind eben nicht gleichzusetzen mit der der Krise der von 
        ihnen regierten Bevölkerung. Die Herstellung von deren Existenznot ist im 
        Gegenteil das offen ausgesprochene Mittel, das verlorengegangene Vertrauen in 
        die Kreditwürdigkeit dieser Staaten wiederherzustellen. 
                                                                                              
        *
        Das ist auch eine Klarstellung darüber, wofür der 
        Sozialstaat und die sozialen Leistungen des Staates schon immer gut waren. Mit 
        seinen Ausgaben für den Sozialstaat kümmert sich der Staat um die 
        kapitalistische Benutzbarkeit seines Volkes. Gibt es kein Wirtschaftswachstum, 
        wird daher das Volk in Gestalt der Sozialkassen zur unnützen Staatsausgabe.
        
        Das konstatiert gleich zu Beginn des Films auch ein Universitätsprofessor für 
        Psychologie an der Universität von Thessaloniki, allerdings nicht ohne die 
        Objektivität des genannten politischen Zwecks mit dem Hinweis auf den 
        Neoliberalismus als Grund gleich wieder zu relativieren: 
        „Unsere Universität hat letztes Jahr eine Budgetkürzung von 70% bekommen. … 
        
        Das sind Maßnahmen, die kennen wir aus der Welt, wo Neoliberalismus schon 
        existiert. Mit 60% Jugendarbeitslosigkeit ist Bildung für die Herrschenden eine 
        sekundäre Sache. Wenn man 60% der Jugendlichen 
        gar nicht verwerten möchte, dann muss man sie auch nicht ausbilden.“
        Die Aussage, Menschen, für die 
        Staat und Kapital keine Verwendung haben, braucht man auch nicht auszubilden, 
        benennt das vom Staat in Anschlag gebrachte Kriterium der Finanzierung seines 
        Bildungswesens. 
        Bildung im 
        Kapitalismus gehorcht keinem anderen Kriterium als der Bereitstellung des 
        entsprechend qualifizierten Personals für die Verwertung des Kapitals und seiner 
        politischen Verwaltung in den entsprechenden staatlichen Positionen. 
        Ist keine Verwendung der Ausgebildeten im Dienste von Staat und 
        Kapital in Sicht, braucht es auch keine Ausbildung. 
        Das könnte zwar ein kritisches Licht auf das werfen, was an den Universitäten an 
        Wissen erarbeitet und vermittelt wurde. So ist die Kritik aber nicht gemeint. 
        Kritisiert werden nicht die Leistungen der Universitäten in Vorkrisenzeiten. 
        Kritisiert wird, dass die Erbringung dieser Leistungen jetzt unmöglich gemacht 
        wurde. Die Kürzungen der Universitätsbudgets und deren Konsequenzen werden einem 
        nicht als logische Konsequenz dessen, worum es Kapitalismus geht vorgeführt, 
        sondern als Missstand, der sich einer schlechten, einer neoliberalen Verwaltung 
        des Kapitalismus verdankt. 
                                                                                              
        *
        Wofür die Leistungen des 
        Sozialstaats gut waren bzw. sind, das spricht der jetzige EZB-Präsident Mario 
        Draghi 2012 in seinem, von Filmemachern nur zum Teil wiedergegebenen Interview 
        im Wall Street Journal in aller Offenheit aus. In der Tageszeitung „Die Presse“ 
        vom 24.02.2012 konnte man Folgendes lesen: 
        „Draghi 
        hält dem entgegen, dass eine Belebung der griechischen Wirtschaft nur möglich 
        sei, wenn zuvor eingehende Strukturreformen durchgeführt würden. Das betreffe 
        vor allem den Arbeitsmarkt „für den geschützten Teil der Bevölkerung“. So seien 
        die Verträge „höchst unflexibel und die Löhne folgen eher dem Alter als der 
        Produktivität“. Das gelte nicht nur für Griechenland, wo Draghi ein niedrigeres 
        Lohnniveau für unvermeidbar hält. Sondern für die meisten EU-Mitglieder. 
        Spezifische Länder außer Griechenland nannte der EZB-Präsident nicht. … Auf die 
        Frage der US-Journalisten, ob das Sozialstaatsmodell Europas angesichts der 
        anstehenden Reformen künftig weniger stark wie bisher sein werde, antwortete 
        Draghi: „Das europäische Sozialstaatsmodell gibt es nicht mehr.“ Die Zeiten, in 
        denen die Europäer so reich gewesen seien, dass sie „es sich leisten konnten, 
        jeden dafür zu bezahlen, dass er nicht arbeite“ seien vorbei.“(Die 
        Presse, 24.02.2012) 
        Draghi gibt damit nicht - wie 
        es die Filmemacher vorstellig machen - kund, dass er froh ist, endlich einen 
        Vorwand für die von ihm schon längst gewollte Abschaffung des Kündigungsschutzes 
        und von Sozial- und Arbeitsrechten gefunden zu haben. Er führt einerseits schon 
        immer geltende Kriterien und andrerseits geänderte ökonomische Verhältnisse ins 
        Treffen. Die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft mache es heutzutage eben 
        notwendig, dass am Arbeitsmarkt die „Verträge flexibler“ werden, z.B. Kündigungsschutzbestimmungen abgebaut 
        werden müssen. 
        Dass die Europäer sich bislang den Luxus geleistet 
        hätten, Menschen dafür zu bezahlen, nicht zu arbeiten, ist auf der einen Seite 
        zynischer Unsinn. Schon deshalb, weil die Reichen bekanntlich auch nicht 
        arbeiten, sondern arbeiten lassen und davon nicht schlecht leben. Richtig ist 
        natürlich, dass sie nicht bezahlt werden. Lohn ist Bezahlung für Arbeit in 
        fremden Dienst, und sowas haben sie per definitionem nicht notwendig. 
        Wer umgekehrt tatsächlich auf einen Lohn angewiesen 
        ist, steht in unserer Wirtschaftsweise - daran erinnert Draghi - unter dem 
        Diktat einer unbedingten Arbeitspflicht. Auch bisher wurde ein Arbeitsloser 
        natürlich nicht dafür „bezahlt, dass er 
        nicht arbeitet“ , garantiert wurde vielmehr mit dem Arbeitslosengeld die 
        Erhaltung der Brauchbarkeit seiner Arbeitskraft für das Kapital, im Hinblick auf 
        ihre Wiederverwendung und daher immer bloß befristet. Wer dauerhaft nicht 
        gebraucht wird und damit dieser Arbeitspflicht nicht mehr nur vorübergehend 
        nicht nachkommt, um den kann sich sein Staat nicht kümmern. Dafür ist der 
        Sozialstaat nicht da. Das ist es, was man der Äußerung von Draghi und den 
        europaweit in den letzten Jahren durchgesetzten Maßnahmen entnehmen kann. 
                                                                                              
        *
        Davon wollen die Kritiker nichts wissen. Für sie ist 
        die konstatierte Rücknahme von arbeits- und sozialrechtlichen Regelungen nicht 
        der Anlass, an dem von ihnen unterstellten guten und für die Menschen nützlichen 
        Zweck des Sozialstaates zu zweifeln. Statt dessen wird die Rücknahme von 
        arbeits- und sozialrechtlichen Regelungen beklagt! Statt sich zur erklären, warum 
        Banken für „systemisch“ erklärt 
        werden, dem Sozialbereich dieses Prädikat aber nicht zugeschrieben wird, 
        bedauern sie den Abbau des Sozialstaats und übersehen dabei, was alles sie damit 
        als selbstverständlich unterschreiben. 
        Wer nach dem Erhalt des Sozialstaates ruft, 
        akzeptiert, dass Menschen ohne sozialstaatliche Regelungen in ihrem gesamten 
        gesellschaftlichen und Arbeitsleben mehr oder weniger aufgeschmissen wären, dass 
        die Unternehmen laufend für Sozialfälle bei Alt und Jung sorgen, dass es 
        beständiger staatlicher Eingriffe bedarf, um dem Arbeitsvolk auch nur ein 
        Auskommen zu ermöglichen. 
        Statt nach dem Erhalt des Sozialstaates zu rufen, wäre 
        man gut beraten, zu fragen, was denn 
        das für eine Politik ist, die ja nicht erst nachträglich haushälterisch 
        eingreift, sondern doch offenbar diese ganze Gesellschaft bis ins Detail 
        organisiert und hoheitlich betreut, eine Gesellschaft, die laufend solche 
        Ergebnisse hervorbringt. 
        
        5. Demokratie wird ausgehöhlt 
        
        
        Der Entschlossenheit, mit der alle Regierungen in 
        Europa ihre Staatshaushalte von allen „unproduktiven“ Kosten entlasten, also am Lebensunterhalt ihrer Völker 
        sparen, lässt sich entnehmen, was die aktuellen Staatsnotwendigkeiten sind. Für 
        diese Regierungen sind Spardiktate zur drastischen Verarmung ihrer Bevölkerung „alternativlos“. Für die 
        Standortverwalter geht es ums Ganze. Die Rettung des Euro, die Sanierung des 
        Staatshaushalts und die Gesundung der Marktwirtschaft, die den Insassen der 
        Kapitalstandorte Europas überall als unabweisliches Lebensmittel vorgesetzt wird 
        – das ist marktwirtschaftliche Staatsräson, und die ist nur durch die 
        durchgreifende Verschlechterung der Lebenslage der Bevölkerung zu haben. Und das 
        nicht nur vorübergehend, sondern auf Dauer. 
        Während Europas 
        demokratisch gewählte Staatenlenker in der Verarmung weiter Teile ihrer 
        Bevölkerung, im sogenannten Sozialabbau in großem Stil das Mittel ihrer Wahl 
        sehen, das Vertrauen des Finanzkapitals in ihre Staatsschuldpapiere 
        wiederherzustellen, ziehen die Filmemacher den umgekehrte Schluss. Wenn solche 
        Verarmungsmaßnahmen beschlossen werden, dann hat das seinen Grund darin, dass es 
        in Europa undemokratisch zugeht.
                                                                                              
        *
        Neben den geschädigten Leuten werden daher im Film 
        noch ganz andere Opfer der TROIKA vorstellig gemacht: 
        
        „Jetzt wird die 
        Politik nicht durch demokratisch gewählte Regierungen bestimmt, sondern durch 
        supranationale, nicht demokratische Institutionen wie die Troika – durch 
        EU-Kommission, EZB und IWF.“ 
        Welch hohe 
        Güter unter dem Label „undemokratisch“ 
        unter die Räder kommen! Da sorgen sich Kritiker quer durch ganz Europa auf 
        einmal um die demokratischen Institutionen und verteidigen das „Königsrechts des Parlaments“, das 
        Geld für den Staatshaushalt zu genehmigen. Als die griechischen, spanischen etc. 
        Parlamente ihre Spardiktate zu Lasten ihrer Bevölkerung beschlossen haben, hieß 
        es im Spektrum der „Empörten“ noch: „Diese Politiker vertreten uns nicht!“. 
        Jetzt auf einmal soll dieselbe „Souveränität 
        der nationalen Parlamente“ etwas Verteidigenswertes sein? In Kreisen solcher 
        Kritiker offensichtlich völlig vergessen ist, dass die feinen Institutionen 
        zuallererst einmal souverän gegen ihr Volk sind, das den Beschlüssen der 
        Gesetzesmacher unterworfen ist. Es ist schon bemerkenswert, welche 
        Gleichheitszeichen da ganz unbefangen aufgestellt werden: Geschädigte Interessen 
        der Bevölkerung = Aushöhlung der Rechte der Herrscherfiguren von Parlament und 
        Regierung über die Bevölkerung! Geschädigte Interessen der Bevölkerung soll man 
        sich vorstellen als eine Aushöhlung der Rechte des Parlaments, als genau der 
        Institution, die all diese Maßnahmen in Gesetzesform gießt! 
                                                                                              
        *
        Entgangen ist ihnen bei all dem außerdem, dass die verpönten 
        supranationalen Institutionen, die die Nationalstaaten entmachtet haben sollen, 
        bis ins in ihnen entscheidende Personal das Geschöpf genau dieser 
        Nationalstaaten sind. 
        Entscheiden muss man sich auch, ob man sich an den von 
        Griechenland, Spanien usw. als Gegenleistung für Kredithilfen verlangten 
        Maßnahmen stört oder aber am Bestellmodus des Personals besagter Institutionen. 
        Soll man sich ernsthaft vorstellen, die Bestellung von Finanzfachleuten, die für die europäische Geldpolitik zuständig 
        sind, durch europaweite Wahlen würde die Reformmaßnahmen für das griechische 
        bzw. spanische Volk bekömmlicher machen? Soll man sich ernsthaft vorstellen, 
        dass eine vom Volk gewählte EU-Kommission keine Pensions- und Lohnkürzungen 
        verlangen würde? 
        
        Wenn man, so wie die Filmemacher, den Bestellmodus der 
        Vertreter in IWF, EZB und EU kritisiert, kann man sich offenbar das, was IWF und 
        EZB verwalten bzw. exekutieren – die Funktionsfähigkeit des internationalen 
        Finanzsystems und die Sicherung des Euros als das erfolgreiche Geschäftsmittel 
        des Kapitals in der Eurozone - wie überhaupt das Verleihen und Ausleihen von 
        Geld gegen Zins, also den Gegensatz von Gläubigern und Schuldnern als ein 
        wirtschaftliches Gemeinschaftswerk vorstellen. 
        
        
                                                                                              
        *
        Aus dem Mund 
        einer spanischen Studentin heißt es: 
        „Diese 
        Institutionen haben die spanische Regierung unter Druck gesetzt, die Verfassung 
        zu ändern. Sie legten fest, dass die Bezahlung von öffentlichen Schulden 
        Priorität hat vor allen anderen öffentlichen Ausgaben“. 
        Einerseits ist selbst dieser Aussage noch zu 
        entnehmen, dass die von den Kritikern verpönten Maßnahmen auf Antrag der 
        spanischen Regierung mit Verfassungsmehrheit im spanischen Parlament beschlossen 
        worden sind. Ungeachtet dessen, dass die von der TROIKA von Spanien als 
        Gegenleistung für die gewährten Kredite verlangten Maßnahmen auf Antrag der 
        spanischen Regierungsvertreter im spanischen Parlament beschlossen worden sind, 
        soll man sich diesen Umstand aber ganz anders denken: eigentlich hat diese 
        Maßnahmen die TROIKA beschlossen, die Verbindlichmachung im eigenen Land durch 
        die nationalen Herrscherfiguren im Parlament erfolgte nur, weil sie unter Druck 
        gesetzt wurden. 
        
        Womit 
        das spanische Parlament erpresst wurde, interessiert diese Kritiker schon nicht 
        mehr. Die Antwort auf diese Frage hätte auch nicht zum von ihnen beabsichtigen 
        Bild, die Verarmung der spanischen Bevölkerung könne unmöglich im Sinne Spaniens 
        sein, gepasst. Unter Druck gesetzt werden konnte Spanien nämlich einzig mit 
        seinem eigenen Interesse, wieder auf den Kapitalmarkt zurückkehren zu können. 
        Offenbar haben den spanischen Parlamentariern die vorgeschlagenen 
        Verarmungsprogramme als Weg dazu eingeleuchtet. Der Lebensunterhalt der 
        spanischen Bevölkerung hat sich an diesem Zweck zu relativieren. Diese Antwort 
        klärt dann 
        auch
        
        das - von den Filmemachern gar nicht als solches wahrgenommen - Rätsel, wieso 
        denn eigentlich das spanische Parlament die entsprechenden dem spanischen 
        Interesse angeblich zuwiderlaufenden Beschlüsse gefasst hat und das noch dazu 
        mit Verfassungsmehrheit. 
        Was ein unbeirrbarer Idealist der eigenen Herrschaft 
        ist, der kann und will sich einfach nicht vorstellen, dass die durchgesetzte 
        Verarmung weiter Bevölkerungsteile von der eigenen – in dem Fall spanischen – 
        Regierung tatsächlich beabsichtigt sein kann. Was macht es schon, dass der 
        zuständige spanische Finanzminister selbst die Sache ganz anders sieht? 
        Finanzminister Spaniens, Cristobal Montoro: 
        
        „Es geht nicht 
        darum, es zu verhindern. Vielmehr ist es normal, dass die Troika hier in Spanien 
        ist …  Spanien ist ein Mitglied der 
        Europ. Union, Mitglied im Euro, es muss sich dem Mechanismus unterwerfen, um das 
        exzessive Defizit zur korrigieren. Ich bin hoch erfreut und es gefällt mir, dass 
        sie mich überwachen. Dafür sind wir in Europa. Europa ist ein Club und in einem 
        Club gibt es Regeln. Wenn ein Mitglied die Regeln nicht einhält, muss man diese 
        auf ihn anwenden, sonst kann man nicht im Club bleiben.“
        Worauf weist der Mann hin? Er präsentiert die 
        spanische Nation als ein treues Mitglied und Nutznießer von Europäischer Union 
        und Währungsunion, das weiß, dass Spanien für seinen angestrebten Erfolg Europa 
        ebenso braucht, wie Europa Spanien. Während in anderen Nationen darüber 
        gestritten wird, ob sich Europa und der Euro im Hinblick auf den Nutzen der 
        Nation überhaupt „lohnen“, herrschte 
        und herrscht in Spanien innerhalb und außerhalb der politischen Klasse 
        tatsächlich weitgehend Einigkeit in dem Urteil, der Euro und der europäische 
        Kredit seien auch in Zukunft und gerade in der Krise das alternativlose Mittel 
        Spaniens und deswegen auf keinen Fall aufzugeben. 
        Als 2012 die Staatsschulden Spaniens durch 
        Bankenrettungs- und Konjunkturpakete dermaßen steigen, dass das internationale 
        Finanzkapital die Refinanzierung am Kapitalmarkt auch für Spanien zunehmend 
        teurer macht, steht für Spanien die Frage des Antrags auf Hilfe aus dem europ. 
        Rettungsschirm am Tapet. Im damaligen Streit um die Bedingungen eines Kredits 
        für Spanien, stellte die spanische Regierung klar, dass sie sich mit dem 
        restlichen Europa, allen voran Deutschland, einig darin ist, dass auch Spanien 
        seine Staatsschuldenkrise nur mit strenger Haushaltsdisziplin bewältigen könne. 
        Sie stellte aber auch klar, dass das Wie der Sanierung des spanischen 
        Staatshaushaltes Sache einzig Spaniens ist. So kann man in der SZ vom 13.9.2012 
        folgende Ankündigung Rajoy‘s nachlesen: 
        
        „seine Regierung 
        (werde) nicht hinnehmen können, dass von außen diktiert werde, auf welche Weise 
        der Staatshaushalt saniert werde, ... eine Troika, wie sie in Griechenland, 
        Portugal oder Irland die Bücher kontrolliert, komme nicht in Frage ... Er will 
        einfach kein Stück Souveränität abgeben.“
        Im Streit um die mit den europäischen Kredithilfen 
        verbundenen Auflagen bedingt sich Spanien erfolgreich aus, dass eine Aufgabe 
        seiner haushälterischen Souveränität zu Gunsten der TROIKA nicht in Frage kommt 
        (http://orf.at/stories/2125073/2125067). Die 
        drohenden Eingriffe in die Freiheit der Nation weist die spanische Regierung 
        praktisch damit zurück, dass sie sich die Zumutungen der Austeritätspolitik 
        selbst zum souveränen Anliegen macht. Dass auch der spanische Kredit daran 
        genesen soll, dass die Schuldenwirtschaft der öffentlichen Haushalte durch 
        Sparsamkeit wieder solide wird, hat sich die konservative Führung vom ersten 
        Tage der Regierungsübernahme selbst zum Programm gemacht und anschließend mit 
        aller Härte verfolgt. Die Resultate sind im Film zu bewundern – 
        Arbeitsmarktreformen wie etwa erleichterte Kündigungen, Entlassung von 
        Staatsbediensteten, Gehaltskürzungen und Arbeitszeitverlängerungen für das 
        verbliebene Staatspersonal, Kürzung von Gesundheitsausgaben, Förderung der 
        privaten Krankenversicherung, eine Welle von Zwangsräumungen usw. 
        
        Dazu passt dann 
        auch, wie sich der spanische Finanzminister im Film präsentiert. Angesichts der 
        – von ihm als naiv empfundenen - Fragen des Interviewers ständig leicht 
        grinsend, gibt er das Bild eines selbstbewussten Staatenlenkers, der die 
        Entlastung des Staatshaushalts von sämtlichen für unproduktiv befundenen Kosten, 
        die Verarmung der spanischen Bevölkerung ganz selbst bestimmt betrieben hat, der 
        also alles andere ist als ein Befehlsempfänger der TROIKA. Diesbezüglich gab es 
        für TROIKA nichts zu tun, und dem im Fall von Spanien eingeschränkten 
        Prüfauftrag der TROIKA auf die Restrukturierung der Banken könne die TROIKA 
        selbstverständlich nachkommen. 
        Unbeirrt von 
        all dem, halten die im Film zu Wort kommenden Kritiker die durchgesetzte 
        Verarmungspolitik in Spanien und Griechenland für eine Abweichung von der 
        Demokratie, gerade so, als ob Demokratie so etwas wäre, wie ein Rechtsanspruch 
        gegen Verarmung. Woher sie diese Gewissheit bloß nehmen? Von den real 
        existierenden Demokratien auf jeden Fall nicht. 
                                                                                              
        *
        Ebenfalls nicht den real existierenden Demokratien zu 
        entnehmen ist das im Film behauptete Verhältnis von Volkswillen und Politik in 
        einer Demokratie. Da heißt es im Film u.a:
        „Wenn die 
        Politik genau das Gegenteil von dem zu machen versucht, was 80% der Bevölkerung 
        wollen, dann stirbt die Demokratie, dann ist sie ein Problem, ein Hindernis, das 
        beseitigt werden muss.“
        Die Filmemacher und die in ihrem Film zu Wort 
        kommenden Kritiker der Krisenpolitik beschweren sich darüber, dass die Politiker 
        sich über den Volkswillen hinwegsetzen. Darin sehen sie eine tendenzielle 
        Aufhebung von Demokratie, einen Abbau von Demokratie. 
        
        Solche Beschwerden stellen sich Demokratie, die 
        demokratische Politik wie eine einzige Verpflichtung der Regierung gegenüber den 
        Bedürfnissen und Gerechtigkeitsvorstellungen ihres Volkes vor. Vom Volk gewählt, 
        können sie doch nicht machen, was sie machen! 
        
        Eines stimmt, auf die Wünsche des Volkes nach Arbeit 
        und Auskommen nehmen sie wenig Rücksicht. Die nehmen sie nur so zur Kenntnis, 
        wie es in ihre Kalkulationen mit dem Arbeitsvolk als Manövriermasse für den 
        geschäftlichen Erfolg und fürs staatliche Vorankommen hineinpasst. Darauf 
        berufen sich dann als Inhalt ihrer demokratische Verantwortung für das 
        Allgemeinwohl, für Staat und Wirtschaft, ohne die doch das Volk nicht leben 
        kann. 
        Demokratie 
        funktioniert nicht so, dass sich die Regierenden in Wahlen über Wünsche der 
        Regierten informieren. Demokratie funktioniert anders herum. Die Regierenden 
        Berufen sich darauf, dass sie dafür gewählt sind, das Beste für ihre Völker zu 
        tun. Zur Rechtfertigung ihrer Maßnahmen verweisen sie auf lauter Sachzwänge, 
        denen sie genügen müssen: der Staatshaushalt muss schließlich in Ordnung kommen, 
        die Krise muss bewältigt werden, die brachliegende Wirtschaft muss wieder 
        aufleben usw. Nur wenn das alles in Ordnung kommt, und das kommt eben nur mit 
        diesen harten Maßnahmen in Ordnung, die zu treffen sie gezwungen seien, kann 
        auch das Volk, sich Besserung erhoffen. Nicht gleich, aber dann wenn es wieder 
        aufwärts geht mit der Wirtschaft und wenn der Staat wieder besser dasteht, dann 
        lohnen sich die Opfer - so die beständige Auskunft der europäischen Politiker.
        Diese Opfer 
        werden nicht von der Einsicht der Bevölkerung in die Notwendigkeit der 
        getroffenen Maßnahmen abhängig gemacht, sondern diese werden von oben 
        durchgesetzt. Dafür gebrauchen die Politiker einerseits ihre Macht, die sie als 
        Gewählte haben. Andererseits berufen sie sich dann auch noch auf die Art und 
        Weise, wie diese Macht zustande gekommen ist und auf die Verantwortung, die sie 
        damit übernommen haben. Insofern sie ja vom Volk gewählt seien, sei ihr Handeln 
        nicht nur notwendig, sondern auch noch legitim. Was sie damit machen, ist also 
        schlicht: Sie verweisen die Betroffenen auf deren Abhängigkeit - darauf, was 
        alles aufgehen muss an Kapital- und Staatsrechnungen und wie das Volk darin 
        vorkommt - und fordern mit dem Verweis, vom Volk gewählt zu sein, Zustimmung 
        ein. 
        Leider funktioniert das alles noch immer viel zu gut. 
        Alle - selbst die von der Krisenpolitik Enttäuschten mit ihren Vorstellungen von 
        einer sozialeren, besseren Politik appellieren ja mit ihren 
        Massendemonstrationen, Besetzungen von Plätzen an die Politik, sich ihrer 
        Belange anzunehmen. Damit verweisen sie ihre Belange an die für ihre verheerende 
        Lage zuständigen Instanzen. Ausgerechnet diejenigen, die ihnen die ziemlich 
        verheerenden Wirkungen ihrer geschäftlichen Anwendung und politischen Betreuung 
        einbrocken, werden dafür für zuständig erklärt, diese Wirkungen zu korrigieren.
        
        6. Die fatalen Lehren des Films
        
        - die praktizierte Politik, ein Verstoß 
        gegen den wahren Auftrag der Politik - kein Grund für Hoffnungslosigkeit, es
        gibt Alternativen! 
        - die Jämmerlichkeit der imaginierten alternativen Welt, die so anders nicht ist! 
        
        a. Die fatalen Lehren des Films
        Wenn die von 
        den europäischen Politikern beschlossenen Maßnahmen zur „Rettung ihrer Volkswirtschaften“ und 
        zur „Rettung des Euros“ die Verarmung 
        bzw. Verelendung breiter Bevölkerungsschichten bewirken, dann ist das den 
        Filmemachern nicht Beweis für die Unverträglichkeit des Erfolgs der europäischen 
        Volkswirtschaften mit einem guten Leben der Lohnabhängigen, sondern dafür, dass 
        die „Rettungsschirme Europas“ ihr Ziel 
        verfehlt haben, dass die Politik die europäischen Volkswirtschaften und Europa 
        als Ganzes gar nicht rettet. 
        Die Finanzkrise 
        war in ihrem Bild nicht Konsequenz des grundsätzlich spekulativen Charakters 
        finanzkapitalistischer Geschäfte, sondern bloß der unsachgemäßen Vervielfachung 
        von Kreditgeschäften. 
        Wenn die 
        Staaten Milliarden für die Bankenrettung ausgeben, zeigt das nicht, wie sehr den 
        Staaten offensichtlich am Gelingen des Bankgeschäfts gelegen ist, weil es 
        Lebenselixier der Marktwirtschaft und ökonomische Machtbasis der Staaten ist, 
        nein, für die Filmemacher sind Staaten Opfer einer Erpressung durch das 
        übermächtig gewordene Finanzkapital. 
        Wo die 
        staatlichen Retter ihr ganzes Sinnen und Trachten darauf richten, das Vertrauen 
        der Finanzmärkte in ihre eigene Verschuldungsfähigkeit zu erhalten bzw. wieder 
        zu erlangen und dafür ihr Volk in die Pflicht nehmen und dementsprechend die 
        Kosten der staatlichen Sozialeinrichtungen zur unhaltbaren Kost erklären, 
        entdecken die Filmemacher die Verwirklichung der schlechten - neoliberalen - 
        Variante des Kapitalismus. 
        Wenn all das 
        von den Demokratien Europas beschlossen wird, wissen die Filmemacher, dass es 
        undemokratisch zugegangen sein muss. 
        Ausgerechnet 
        da, wo die europäischen Politiker tagtäglich vorbuchstabieren, dass die „Wettbewerbsfähigkeit“ der Wirtschaft, 
        die „Verschuldungsfähigkeit der Staaten am 
        Finanzmarkt“ die umfassende Verbilligung der Arbeitnehmer für Unternehmen 
        und den Staat in Gestalt seiner Sozialstaatsausgaben und damit das Sparen an 
        deren Lebensunterhalt notwendig macht, ausgerechnet da, wo noch auffallen 
        könnte, dass die herrschenden politischen und wirtschaftlichen Zwecke den 
        Arbeitnehmern ganz und gar nicht gut tun, halten die Filmemacher an ihrem Ideal, 
        Politik und Marktwirtschaft würden, richtig betrieben, den Menschen dienen, 
        fest. Nolens volens verteidigen sie damit die Politik gegen ihre hässliche 
        Praxis. 
        
        b. Die praktizierte 
        Politik, ein Verstoß gegen den wahren Auftrag der Politik
        Das Prinzip 
        dieser Kritik besteht darin, das Handeln der Staaten Europas an dem zu messen, 
        was die Filmemacher für die eigentliche Aufgabe der Politik halten, um ein ums 
        andere Mal empört festzustellen, dass die Politik mit der ihr von den 
        Filmemachern zugedachten Aufgabe nichts am Hut hat. Statt aus dieser Abwesenheit 
        ihrer Ideale den Schluss zu ziehen, dass es der Politik dann wohl um was anderes 
        zu tun sein muss, was erst noch zu ermitteln wäre, legen sie diese Abweichung 
        der praktizierten Politik von ihrem Ideal selbiger als ihren Mangel zur Last. 
        Die Politik macht nicht das, was sie nach Meinung der Filmemacher doch 
        eigentlich machen müsste. Mit diesem Vorwurf gilt das Interesse der Filmemacher 
        nicht mehr den Zwecken der Politik, sondern der ganz und gar irrationalen Frage, 
        warum die Politik nicht das macht, was sie – die Filmemacher – für deren Aufgabe 
        halten.
        Der 
        Erkenntniswert dieser Art des Denkens ist Null. Über die herrschenden 
        politischen Zwecke erfährt man nämlich schlicht und ergreifend nichts, weil das 
        gar nicht intendiert ist, wenn nicht das Handeln der Politik, sondern die 
        Verhinderung ihrer angeblich besseren Absichten zum Erklärungsgegenstand gemacht 
        wird. An die Stelle der Erklärung der herrschenden politischen Zwecke tritt die 
        Aufzählung von Bedingungen und Umständen, die angeblich verhindern, dass die 
        Politik der ihr zugedachten Aufgabe nicht nachkommt – Lobbbyismus des 
        Finanzkapitals bis hin zu Erpressung durch das Finanzkapital plus personelle 
        Verflechtung von Finanzkapital und Politik.
        Vollzieht man diese Erklärung für die Abweichung der Politik nach, merkt man, 
        dass sie noch nicht einmal leistet, was sie zu leisten vorgibt. Grund der 
        Abweichungen soll Lobbyismus des Finanzkapitals und seine personelle 
        Verflechtung mit der Politik sein. Statt eine Antwort auf die selbst gestellte 
        Frage zu geben, wirft diese Erklärung in Wahrheit sofort die nächste Frage auf, 
        warum denn der Lobbyismus des Finanzkapitals Erfolg hat, mehr Erfolg als der 
        Lobbyismus anderer Interessensgruppen, etwa der Arbeitnehmer. Mit der besonderen 
        Stellung des Finanzkapitals zu argumentieren, wirft diese Erklärung endgültig in 
        einen unendlichen Regress; jede Antwort führt zu nächsten Frage und das ohne 
        Ende. 
        
        Attestiert man andererseits, dass besonders viele ehemalige Vertreter des 
        Finanzkapitals sich heute in Regierungspositionen befinden, lässt dies doch 
        einen ganz anderen Schluss zu, als ihn die Filmemacher gezogen sehen wollen. Das 
        deutet doch auf eine in Wahrheit viel höhere Interessensidentität von Politik 
        und Finanzkapital hin, als sie glauben wollen. Dann ist das aber zumindest ein 
        weiteres Indiz dafür, dass die Politik mit den hehren Ziel Rettung der Menschen 
        vor Rettung von Banken nicht viel am Hut hat. 
        
        c. Kein Grund für 
        Hoffnungslosigkeit, es 
        gibt Alternativen! 
        Die Politik der 
        Staaten Europas erklären, heißt, aus den Handlungen dieser Staaten auf ihren 
        Zweck zu schließen. Mit einer solchen Erklärung weiß man dann, warum die 
        Interessen der großen Mehrheit der Menschen zuschanden werden. Man weiß dann 
        aber auch, was zu tun ist, sollen derlei Schädigungen abgestellt werden. Eines 
        ist eine solche Erklärung mit Garantie nie, Grund für Optimismus oder 
        Pessimismus. Anders bei der Kritik, wie sie die Filmemacher üben. Nicht zufällig 
        lautet ihre Konsequenz: 
        „Der Film „Wer rettet wen?“ ist allerdings 
        kein Aufruf zur Hoffnungslosigkeit. Er zeigt auch verschiedene Beispiele der 
        Umverteilung von oben nach unten, vor allem durch Entschuldung. Eine politische 
        Alternative sind sogenannte Schuldenaudits, wie sie in Spanien und Lateinamerika 
        vorgenommen wurden. In Ecuador wurde so die komplette Entschuldung des Staats 
        erreicht. In Island hat sich das Volk in mehreren Volksabstimmungen der 
        Bankenrettung durch die Bürger verweigert. Die Gläubiger wurden nicht 
        entschädigt. In den USA gibt es organisierte Schuldenstreiks, bei denen sich 
        Menschen kollektiv der Tilgung ihrer Privatschulden verweigern. Das sind 
        vielleicht keine revolutionären Schritte, aber gewiss doch Schritte in eine 
        Richtung ohne Alternative. Ein Film, der uns alle angeht. Das Allgemeinwohl hat 
        angesichts der Macht des Finanzmarkts nur eine Chance, wenn Bürger anfangen, 
        ihre Interessen in dem „Spiel der Milliarden“ zu erkennen, die wesentlichen 
        Strukturen und Mechanismen des Finanzkapitals zu durchschauen. Das betrifft die 
        Erwachsenen von heute, aber natürlich mindestens genauso, die Erwachsenen von 
        Morgen. „Wer Rettet Wen?“ soll ein Werkzeug dazu sein.“
        Dass die 
        Filmemacher die Sorge umtreibt, Pessimismus verbreitet zu haben, ist kein 
        Zufall, sondern die Konsequenz ihres Standpunktes. Weil sie die Politik über die 
        Abwesenheit der ihr von ihnen unterstellten besseren Absichten kritisieren, 
        Absichten, die per definitionem gar nicht der praktizierten Politik entnommen 
        sind – auch gar nicht entnommen sein können -, sehen sie die Gefahr, mit dieser 
        Diagnose Pessimismus bezüglich des Zustands der Welt verbreitet zu haben. 
        Eigens treten 
        sie einem solchen von ihnen für möglich gehaltenen Pessimismus in dem 
        fünzehnminütigen Abspann ihres Films entgegen. Wahllos werden disparateste 
        Beispiele vorgeführt, deren einzige Gemeinsamkeit darin besteht, belegen zu 
        sollen, dass erste Schritte, die Realität in Einklang mit ihrem Ideal von einer 
        dem Allgemeinwohl dienenden Politik zu bringen, schon unterwegs sind. 
        Vorgeführt wird 
        ein wildes Potpourri von Problemlagen und Problemlösungen, das keinen 
        Unterschied mehr zwischen den verschiedenen Subjekten und ihren Problemlagen 
        kennt. Staaten und Privathaushalte werden als gleichermaßen vom Problem der 
        Überschuldung Betroffene vorgeführt. 
        Als 
        Problemlösungen und hoffnungsstiftende Alternativen werden einem als 
        gleichwertige Varianten eines erfolgversprechenden Kampfes für eine „Umverteilung von oben nach unten“ ein 
        Schuldenschnitt bei ecuadorianischen Staatsschulden, ein von Island nach zwei 
        Volksabstimmungen abgelehntes Rückzahlungsabkommen des isländischen Staates 
        gegenüber Großbritannien und den Niederlanden betreffend Entschädigung der 
        britischen und niederländischen Gläubiger der isländischen Bank Icesave, ein 
        Schuldenschnitt für isländische Privathaushalte und isländische Unternehmen, die 
        Forderung nach einem Schuldenaudit bis hin zu Tanzen für das Ausharren in zur 
        Versteigerung anstehenden Wohnungen in Spanien und amerikanische Broschüren für 
        den richtigen Umgang mit Privatschulden, vorgestellt. 
        Neben der 
        totalen Ignoranz gegenüber den sehr unterschiedlichen Inhalten der von den 
        Filmemachern vorgestellten Probleme und Problemlösungen, offenbaren diese 
        Beispiele auch wie wenig alternativ die andere, die ideale Welt in Wirklichkeit 
        ist. 
        
        d. Die Jämmerlichkeit der 
        imaginierten alternativen Welt, die so anders nicht ist! 
        
        Wie ist sie 
        denn beschaffen, diese schöne, heile Welt, die sich
        Filmemacher erträumen? 
        Wenn in ihr umverteilt wird, 
        gibt es auch in ihr nicht nur Reichtum, sondern auch Armut. Wo die sozial 
        Schwächsten geschont werden, gibt es sozial Schwache, wo den Menschen zu 
        Arbeitsplätzen verholfen wird, gibt es Lohnarbeit, Arbeit im Dienste des 
        Kapitals. Wo es einen Sozialstaat braucht, erzeugt diese Wirtschaft 
        nebeneinander Reichtum und Sozialfälle. Umverteilung wird zur nie endenwollende 
        Daueraufgabe. Selbst Kredit soll und wird es in dieser heilen Welt geben, nur 
        leistbar soll er halt sein für die Menschen. So ganz anders sieht sie also gar 
        nicht aus diese heile Welt, für die sich die Menschen stark machen sollen. 
        Selbst ihrem als Messlatte an die 
        Politik angelegten Ideal ist also noch zu entnehmen, dass das Allgemeinwohl, dem 
        die Politik zu dienen hätte, eine trostlose und alles andere als allseits 
        nützliche Sache ist.
        Statt Harmonie herrscht in dieser Welt der Gegensatz 
        von Lohnarbeit und Kapital. Wessen Interesse da zählt und wer die abhängige 
        Variable ist, die die Bedingungen des eigenen Lebens nicht unter Kontrolle hat, 
        ist da kein Geheimnis. Von all dem wollen die Filmemacher nichts wissen. 
        
                                                                                              
        *
        Auch wenn mit 
        der zweistündigen Darstellung der hintergründigen Machenschaften des 
        Finanzkapitals kein Stück Politik auf ihren Zweck zurückgeführt wird, geleistet 
        ist mit dieser Betrachtungsweise freilich trotzdem – besser gesagt gerade 
        deswegen - eine ganze Menge. Was immer die europäischen Politiker im Namen der 
        Rettung ihrer kapitalistischen Volkswirtschaften und im Namen Europas tun, 
        welche Opfer immer sie den Bevölkerungen Griechenlands oder anderer Länder 
        Europas auch bescheren, man ist sich sicher, in dem was Kapitalismus, was die 
        europäische Währungsunion und überhaupt das Projekt Europa ist, kann das seinen 
        Grund nie und nimmer haben kann. Ein prinzipiellerer Freibrief für die Politik 
        ist kaum vorstellbar und das ausgerechnet dort, wo man gerade deren negative 
        Wirkungen zu spüren bekommt.