Österreich im Lockdown – Eine Zwischenbilanz von zwei Jahren Corona-Politik

 

Die österreichische Regierung hat seit März 2020 vier Lockdowns verfügt. Im Folgenden soll anhand der von diesen Lockdowns betroffenen Sphären – Freizeit, Konsum, Gelderwerb und Nachwuchsbetreuung – und den staatlichen Maßnahmen zur Kompensation von Lockdown-bedingten Schäden herausgearbeitet werden, was man daraus über die Verfasstheit dieser Gesellschaft lernen kann.

 

Die Welt der Freizeitgestaltung

 

Bereits im ersten Lockdown hat die Regierung – von Epidemiologen und Simulationsrechnern beraten – das häusliche ebenso wie das außerhäusliche Freizeitgeschehen mit seinen unbeschwerten Kontakten als Ansteckungsgefahr ausgemacht. Bereits das Verlassen des privaten Wohnraums ist während eines Lockdowns nur in im Bundesgesetz taxativ aufgezählten Fällen erlaubt:

 

„Die Wohnung darf nur noch zum Arbeiten, für Arztbesuche, zur Grundversorgung, für Hilfeleistung und Bewegung im Freien verlassen werden. Geschäfte, die nicht der Grundversorgung dienen, sind geschlossen, auch Gastronomie, Kultur-, Freizeit- und Sporteinrichtungen und Spielplätze.“ (Die Presse vom 17.1.2021)

 

Private Zusammenkünfte werden entsprechend reglementiert – mit wem und mit wie vielen Personen man sich treffen darf. Diverse Arten von Veranstaltungen und Geselligkeiten im öffentlichen Raum – von der Oper, Theater, Konzerten und sonstigen Kulturveranstaltungen bis zu Sportveranstaltungen und Zeltfesten – werden abgesagt. Gastronomie, Kultur- und Freizeiteinrichtungen müssen schließen. Aus hoheitlicher Sicht fallen diese Kontakte, im Unterschied zu manch anderen, in die Rubrik ‚nicht unbedingt notwendig‘, weil sie eben in der Sphäre der Freizeit stattfinden, die die Bürger sich frei nach ihrem Gutdünken einteilen.

 

Zwar betrifft dieser Eingriff ins Privatleben der Bürger das Reich der Notwendigkeiten des Erwerbslebens der Bürger nicht unmittelbar. Allerdings stellt sich bei einem zweiten Blick auf verzichtbare Kontakte im Freiraum der Menschen heraus, dass sich um diese Welt der Freiheit eine ganze Welt von Notwendigkeiten des Gelderwerbs aufgebaut hat. Mit der Kontaktbeschränkung wird daher nicht bloß das Freizeitvergnügen, sondern das umfängliche Geschäft damit lahmgelegt. Das macht den Eingriff für den Staat zum Problem. Er ist konfrontiert mit der Wahrheit der Freiheitssphäre der Individuen: Sie mag deren frei gesetzte Zwecke beinhalten, objektiv ist sie die Sphäre der Freizeitindustrie und damit ein Musterfall der Subsumtion der Menschen als Kunden unter Interesse und Notwendigkeiten des Geschäfts. Das einzelne Individuum mag es für sich ja genießen, statt selbst zu kochen in ein Restaurant zu gehen, ein Wochenende außerhalb der eigenen vier Wände in einem Thermenhotel zu verbringen, sich bei einem geführten Spaziergang durch den Zentralfriedhof dessen Geschichte von einem Fremdenführer erzählen zu lassen oder einmal im Jahr unter Tausenden bei einem Open-Air- Rock-Festival Dampf abzulassen. Wenngleich es sich vom Standpunkt dieses Individuums in einer extremen Ausnahmesituation wie einer Pandemie durchaus erstens zu Hause und zweitens dort auch mit Selbstgekochtem eine Zeit lang aushalten lässt – im Gegenteil, manche haben sogar wieder Spaß am Kochen entdeckt, konnte man lesen –, Rockmusik zwar nicht in einer so dampfablassenden Form wie auf einem Feld in Burgenland aber in Zeiten der Pandemie über diverse digitale Medien gehört werden kann, ist selbst ein zeitweiliges Sistieren bestimmter Freizeitgenüsse in dieser Wirtschaft nicht möglich. Weil das Individuum mit seinen Freizeitbedürfnissen als Kunde diverser Geschäftszweige verplant ist, kann nichts davon unterbleiben, ohne in Widerspruch zu den Notwendigkeiten des Gelderwerbs auf Seiten der Gastronomen, Hoteliers, Konzertveranstalter, Künstler und von backstage Beschäftigten zu geraten.

 

Die marktwirtschaftliche Bedeutung dieser Unterabteilung des nationalen Kapitalismus findet in den von der Tourismus- und Freizeitindustrie – vom Beherbergungs- und Gaststättenwesen, der Kultur, Unterhaltung und Sport bis hin zur AUA – bilanzierten Umsatzeinbrüchen des Jahres 2020 seinen Niederschlag. Damit bringt die Zwangspause des Kultur- und Freizeitbetriebs dessen wirklichen Stellenwert zur Anschauung. Selbiges gilt für die vielen kleinbürgerlichen Existenzen vom Künstler bis zum Kellner, die davon abhängen, dass an der Kundschaft pausenlos Geld verdient wird. Das ist die Problemlage, die der Staat ernst nimmt; ernst genug, um den von Verdienstausfall Betroffenen entsprechend ihrer Bedeutung auszuhelfen. Zugleich erinnert ihn diese Notwendigkeit daran, sich beim Schließen auch in diesem Bereich zurückzuhalten.

 

Mit seinen Hilfen eröffnet der Staat prompt die Konkurrenz der diversen Unternehmen der Freizeitbranche um Beachtung. Hart verhandeln um finanzielle Unterstützung durch den österreichischen Staat musste der historisch eng mit Österreich verbundene Flagcarrier AUA. Ohne diese Unterstützung hätte der im Jahr 2008 von der Lufthansa aus dem österreichischen Staatsbesitz übernommenen und zur Tochtergesellschaft gemachten Fluglinie AUA die Insolvenz gedroht. Ein Schicksal, das der österreichische Staat vermeiden wollte, freilich nicht um der Fluglinie selbst willen: „Unsere Ziele waren die Erhaltung der Masse an Arbeitsplätzen, die Garantie des Drehkreuzes Wien und ökologische Maßnahmen“[1] zitiert die Tageszeitung Kurier den seinerzeitigen Bundeskanzler Kurz. Zu verhindern galt es für die österreichische Regierung den – mit der im Raum stehenden Insolvenz der AUA – drohenden Verlust der direkten Fluganbindung Österreichs an alle für das heimische Geschäft wesentlichen Destinationen. Weil es um den Erhalt dieser Drehkreuzfunktion des Flughafens Schwechat ging, bestand die Republik – anders als beim seinerzeitigen Verkauf der AUA – auf einer Garantie der Muttergesellschaft Lufthansa für den Erhalt der Heimat- und Flottenbasis der AUA am Flughafen Schwechat. Verlangt wurde außerdem ein finanzieller Beitrag der Lufthansa an der Rettung ihrer Tochter. Der Kurier wusste von schwierigen Verhandlungen zu berichten, die aber zur Zufriedenheit Österreichs abgeschlossen wurden. Die Lufthansa gab nicht nur eine zehnjährige Bestandsgarantie für den Standort ab, sondern erklärte sich darüber hinaus bereit, den Wiener Flughafen zum Langstrecken–Drehkreuz aufzuwerten und proportional zu den anderen Lufthansa-Hubs Zürich, München und Frankfurt weiterzuentwickeln. Dieses Paket war der Regierung schließlich 450 Millionen Euro an Staatshilfe zur Abwendung einer Insolvenz der AUA wert.

 

Von der Regierung im Zuge der Verhandlungen nicht gefordert wurde – trotz der zitierten Aussage von Bundeskanzler Kurz – eine Job-Garantie seitens der Lufthansa. Etwas mehr als ein Jahr nach der Genehmigung der Staatshilfen entlässt die AUA 500 ihrer Mitarbeiter[2]. Mit einem Versagen von Kurz und Co, wie das sozialdemokratische Online-Magazin Neuezeit.at am 5.August 2021 meint, hat dieser Arbeitsplatzverlust freilich nicht zu tun. Das wäre ein Missverständnis der Aussage des seinerzeitigen Bundeskanzlers hinsichtlich des Erhalts von Arbeitsplätzen. Zu selbstverständlich ist ihm nämlich, ohne dies überhaupt ausdrücklich erwähnen zu müssen, dass nur ausreichend gewinnträchtige Arbeitsplätze erhaltenswert sind, gleichgültig dagegen, was das für die betroffenen Arbeitnehmer bedeutet.

 

Ihrer Bedeutung für die heimische Wirtschaft entsprechend fand auch die Tourismuswirtschaft, für die allein im Bereich Hotellerie für das Jahr 2020 ein Umsatzeinbruch in der Höhe von 2,2 Mrd. Euro[3] vorhergesagt worden war, von Anbeginn der Pandemie Gehör bei der Bundesregierung, ist doch der Reiseverkehr bis zum Ausbruch der Coronakrise eine „tragende Säule“ des in der Leistungsbilanz bilanzierten Exporterfolgs Österreichs[4] und macht der Tourismus 2019 insgesamt 7,5% des BIPs aus, womit Österreichs Tourismus im EU-Ländervergleich im oberen Drittel liegt[5].

 

Das „Maßnahmenpaket für den Tourismus“ wird von Lockdown zu Lockdown um zusätzliche Unterstützungshilfen erweitert: Die staatlichen Hilfen gehen von Haftungsübernahmen bei Überbrückungsfinanzierungen, Corona-Kurzarbeit, Maßnahmen für Härtefälle, über Umsatzersatz, Fixkostenersatz, Verlustersatz, Ausfallsbonus bis hin zur Senkung des Umsatzsteuersatzes auf den Verkauf von Speisen, Getränken und Nächtigungen von 10 auf 5 Prozent[6].

 

Anfangs ignoriert in ihrer Bedeutung für die Nation sahen sich die kulturell höherwertigen Abteilungen der Tourismus- und Freizeitindustrie. Sie kämpften mit allerlei schöngeistigen Ideologien zum unentbehrlichen Gebrauchswert ihrer Ware – „Ohne Kunst wird´s still“ – um die geldwerte Anerkennung ihrer Wichtigkeit. Weniger Sorgen musste sich dabei der Teil der Kulturszene machen, der sich selbst als Hochkultur versteht: Bundestheater, die Wiener Staatsoper und die Bundesmuseen. Aber den vielen Tausenden als Selbständige oder Freischaffende bzw. auf Basis allerlei schon vor Corona prekärer Beschäftigungsformen tätigen Kunst- und Kulturschaffenden – vom Kabarettisten, Musikgruppen über Austauschmusiker bis zu im Backstage-Bereich von Theater- und Konzertvorstellungen beschäftigten Personen – kommt mit der Stornierung der Nachfrage von Staats wegen unmittelbar die Geschäftsgrundlage abhanden und für viele Existenzen entfällt die Subsistenz. Weder greifen hier sozialstaatliche Einrichtungen wie z.B. die Arbeitslosenversicherung, mit der die abhängig Beschäftigten verpflichtet werden, für ihre notwendig sich einstellenden, prekären Lebenslagen vorzusorgen. Noch schaffen die zu Beginn beschlossenen allgemeinen Wirtschaftshilfen Abhilfe, da die Voraussetzungen für deren Inanspruchnahme der Besonderheit der Einnahmequellen im Kulturbereich nicht Rechnung tragen.

 

Als nach dem ersten Lockdown im Frühjahr 2020 Möbelhäuser, Baumärkte und andere Geschäfte wieder öffnen durften, nicht aber Theater, Konzertsäle und Kulturveranstaltungen aller Art auf die Zukunft vertröstet wurden, bzw. die damalige grüne Kulturstaatssekretärin Ulrike Lunacek in einer Pressekonferenz „vor allem darüber referierte, was in den Spielstätten alles weiterhin nicht realisiert werden könne“(Die Zeit vom 16.Dez.2021), lässt der Kabarettist Lukas Resetarits in einem Video auf Social Media seiner Wut freien Lauf. Er beklagt, dass die Kulturbranche bei den Corona-Hilfen ignoriert wurde und sagt in Richtung der damaligen grünen Kultur-Staatssekretärin: „Blasen wir ihr den Marsch! Geigen wir die gesamte grüne Kultur-Partie heim“, nachdem er sich das Ausbleiben von Unterstützung für die Kulturszene nur mit ihrer Unkenntnis und ihrem Desinteresse[7] für diese Materie erklären wollte. Kurz danach trat Lunacek zurück.

 

Nach der Ablösung von Lunacek durch die als Kennerin der Materie geltende Andrea Mayr wurde schließlich auch dieser Teil der Kulturszene erhört. Zu den allgemeinen Hilfstöpfen, die auch von den Künstlern in Anspruch genommen werden können, wurden zusätzliche speziell auf die Kulturszene zugeschnittene Unterstützungsfonds und Hilfsmaßnahmen[8] geschaffen. Nicht ausgestorben ist bis zum heutigen Tag dennoch der Verdacht, Andrea Mayr schaue „als rote Kulturpolitikerin klassischen Zuschnitts zu sehr auf die großen hoch subventionierten Staatskulturbetriebe und zu wenig auf die kleinteilige freie Szene“[9].

 

Das ganze Gerangel um Geldzuwendungen an die Kulturschaffenden ist ein Offenbarungseid über den wirklichen Stellenwert der von ihnen bemühten Ideale und Höchstwerte im System der Marktwirtschaft. Wenn Künstler mit Argumenten wie „Ohne Kunst wird´s still“[10] oder „Kultur stützt die Menschen in ihrer Verzweiflung, Trauer, in ihrer Lust, Freude, ihrem Lachen, ihrem Mut und ihrer Zuversicht“[11] finanzielle Unterstützung fordern, dann führen sie ins Feld, dass sie für etwas stehen, was in dieser Gesellschaft sehr wichtig sei: das Schöne, das Höherwertige, das kulturell Wertvolle. Dabei wird deutlich, dass sie das nicht ins Feld führen, weil es ihnen nur um das Schöne ginge, sondern weil das ihre Einkommensquelle ist. Das ist eine Klarstellung, dass es auf Kultur in dieser Gesellschaft als Einkommensquelle ankommt. Ohne dass Künstler Geld damit verdienen können, ist auch ihre schöne Kunst buchstäblich nichts wert.

 

Ein Stück Wahrheit liegt allerdings doch in all den Beschwörungen der Unentbehrlichkeit der Gebrauchswerte und Dienstleistungen für Volk und Elite von Opern-, Theater- und Kabarettbesuch bis zur Kunstausstellung und der Beschwörung entsprechender Sehnsüchte der ausgesperrten Kundschaft. Die Kultur bedient einen Bedarf in der Gesellschaft, den die Leute als Reich der Freiheit pflegen, welches sie jenseits der Notwendigkeiten ihres Alltagslebens als das eigentlich Wichtige in ihrem Leben hochhalten. Ohne die Fiktion eines frei gewählten Zwecks aller Mühen des dem Geldverdienen gewidmeten Alltags, die Kunst und Kneipen so gerne bedienen, ist dieser Alltag ganz schlecht auszuhalten. Davon zeugt auch der Boom entsprechender Ersatzveranstaltungen in der Welt des Digitalen; ebenso wie die begleitenden Klagen der Kulturschaffenden, eine gestreamte Oper, eingespielt vor Pappkameraden statt echtem Publikum, sei dann doch nicht das wahrhaft Schöne. So enthält die berechnende Heuchelei der Freizeitmacher noch einen Offenbarungseid über die Systemrelevanz des Vergnügens.

 

Dem Staat ist das nicht fremd, sodass er letztlich doch Verständnis für die entsprechenden Lobby-Beschwerden demonstriert. An der schönen Idee, die sich in der Kunst austobt, es ginge letztlich doch um mehr als um das schnöde Geldverdienen, hält auch er selbst bei dessen praktischer Unterbindung unbeirrt fest. Und er bekennt sich zur systemtragenden Rolle der kompensatorischen Leistungen des Freizeitgeschehens. „Die Covid-19-Krise hat gezeigt, wie viel unserem Leben fehlt, wenn Kunst und Kultur nur eingeschränkt erlebbar sind. Sie hat uns so deutlich wie selten zuvor vor Augen geführt, welche Bedeutung dieser Bereich für unser Leben hat.“[12], schreibt die Kunststaatssekretärin auf der Homepage des Ministeriums. Bei so viel Verständnis für die Kultur kann sie dann aber schon auch Verständnis auf Seiten der Adressaten für die Notwendigkeit von Beschränkungen auch des Kulturbetriebs in Corona-Zeiten erwarten…

 

Die Welt des Konsums

 

Dem Einzelhandel und dem Dienstleistungssektor ergeht es im Lockdown ähnlich wie der Kultur- und Freizeitindustrie: Wegen Ansteckungsgefahr werden sie bis auf all jene Geschäfte und Etablissements, die zur „Grundversorgung“ offen bleiben müssen, dichtgemacht. Zumindest das dichte Gedränge um – aus Sicht hoheitlicher Verantwortung – materiell nicht unbedingt notwendige Waren und Dienstleistungen unterbindet der Staat und bringt damit ein Unterscheidungskriterium zur Anwendung, das außerhalb des Katastrophenfalls nichts gilt und dem er sich ansonsten energisch verschließt, weil planwirtschaftliche Bevormundung des allseits umworbenen Verbrauchers Gift für das marktwirtschaftliche Geschäft ist.

 

Dem Staat ist völlig klar, dass er mit dieser Unterscheidung in unbedingt nötige Versorgung und alle anderen Handelsbetriebe, die Gastronomie und die körpernahen Dienstleister, die allesamt auch einmal unterbleiben können, nur in erster Linie den gewöhnlichen Geschäftsgang dieser Unternehmen, in weiterer Folge aber auch all die Geschäfte, die dem vorausgehen, erheblich schädigt, kappt er dadurch doch die Schnittstelle zwischen dem Kapitalkreislauf und dem Endverbraucher. Eine generelle Kompensation als flankierende Maßnahme ist ihm deshalb sehr schnell eingefallen. Um die prekäre Liquidität durch Corona-Maßnahmen betroffener Unternehmen nicht zusätzlich durch die Steuer- und Abgabenlast zu beschränken, gibt er Unternehmen die Möglichkeit der zinslosen Steuer- und Abgabenstundung.

 

Er stundet aber nicht bloß Steuern und Abgaben, ein Stück weit verzichtet er sogar auf Steuereinnahmen und senkt den Mehrwertsteuersatz[13] für die Abgabe aller Speisen und Getränke, die Hotellerie, die Kulturbranche sowie den Publikationsbereichs befristet auf 5%. Die Entscheidung, ob sie diese Steuersenkung an ihre Kunden weitergeben, um deren Kauflust auf ihre Produkte zu steigern und ihren Umsatz zu stabilisieren, oder die Differenz einbehalten, überlässt der Staat getrost den begünstigten Betrieben, schließlich wissen die am besten, was ihrem Geschäft am meisten nützt und den Schaden durch Umsatzeinbrüche in Grenzen hält. Billigere Gastronomie, Hotellerie und billigere Produkte hätten zwar sicher auch die von der Krise nicht minder getroffenen Arbeitnehmer gut gebrauchen können, denen zu helfen war aber ganz und gar nicht der Zweck dieser Maßnahme, wie Tourismusministerin Köstinger wissen ließ: „Mein Wunsch wäre, dass es den Unternehmen zugutekommt, damit sie wirtschaftlich besser durch diese Zeit kommen“[14]. Nicht anders sah das der grüne Regierungspartner, wie man der Stellungnahme eines Abgeordneten der Grünen im Bundesrat entnehmen konnte: „Es geht nicht darum, dass das Bier billiger wird, sondern, dass den Wirten mehr bleibt"[15].

 

Ebenfalls nicht zu den Bevorteilten dieser Maßnahme gehören andere Handelsbetriebe und körpernahe Dienstleister. Weder direkt aber auch nicht indirekt dadurch, dass eine Absenkung der Preise der bevorteilten Betriebe mehr Geld in den Börsen der Menschen gelassen hätte, das seinen Weg zielsicher in ihre Taschen gefunden hätte. Kein Wunder daher, dass nicht alle Unternehmen zufrieden sind. So sorgt der Vergleich der österreichischen Mehrwertsteuersenkung nur für ausgewählte Branchen mit der Mehrwertsteuersenkung in Deutschland, das den Steuersatz zwecks Ankurbelung des Konsums generell um einige Prozentpunkte senkt, für Unmut seitens des Handelsverbandes, sehen manche Händler doch ihre Konkurrenzposition im grenzüberschreitenden Handel[16] beschädigt.

 

Allein bei der Senkung der Mehrwertsteuer konnte es nicht bleiben, denn zwangsweise geschlossene Geschäfte, Dienstleister, Restaurants usw., die in Essen zum Mitnehmen und „Click and Collect“ keine Geschäftschance sehen oder haben und denen damit jeder Umsatz wegbricht, haben von dieser Mehrwertsteuersenkung nichts. Nicht anders geht es all jenen, denen infolge dieser Geschäftsschließungen die Nachfrager verlorengehen. Diesen Unternehmern gegenüber betätigt sich der Staat als außerordentlicher Nothelfer, setzt seine Geldhoheit ein – „Koste es was es wolle“, ließ der damalige Finanzminister die Wirtschaft wissen – und legt einen gut gefüllten Corona-Hilfsfond[17] auf, aus dem verschiedene Unterstützungsleistungen bestritten werden, damit als an sich erfolgreich eingestufte Geschäfte nicht pleitegehen, bloß deshalb weil sie qua staatlichen Verbots nichts mehr verdienen können.

 

„Zur Unterstützung der österreichischen Wirtschaft in der Corona-Krise wurde die COVID-19 Finanzierungsagentur des Bundes GmbH (COFAG) im Rahmen des COVID-19-Gesetzes gegründet. Die COFAG stellt für heimische Unternehmen Garantien, Fixkostenzuschüsse, den Verlustersatz, den Ausfallsbonus sowie den Lockdown-Umsatzersatz bereit. In Summe stehen dafür 19 Milliarden Euro im Rahmen des Corona-Hilfsfonds zur Verfügung.“ (www.cofag.at)

 

Anspruch auf Hilfe aus diesem Fond haben nur Unternehmen, die nicht schon vor der Krise in wirtschaftlichen Schwierigkeiten waren.

 

Dort wo die Geschäftschancen trotz Corona-Krise noch intakt sind, es aber krisenbedingt an Liquidität mangelt springt der Staat mit Überbrückungskrediten und Kreditgarantien ein. Wo das nicht reicht, greift er, angepasst an die konkrete Notlage der betroffenen Betriebe, sogar zum Instrument der direkten Geldzuwendung.

 

Von behördlichen Schließungen direkt und indirekt betroffenen Betrieben verspricht er, deren Umsatzeinbußen monatsweise zu großen Teilen durch seine Zahlungen zu ersetzen. Zur Aufrechterhaltung der Bedingungen der Wiederaufnahme des Geschäfts setzt der Staat seine Geldhoheit ein und gewährt einen Umsatzersatz bzw. Ausfallsbonus, damit Schulden trotz ausbleibender Verkäufe bedient, Warenkäufe für künftige Geschäfte getätigt und die Kreditoren der bezuschussten Unternehmen wenigstens teilweise schadlos gehalten werden können.

 

Jedes Kaufen und Verkaufen ist auf entsprechende Räumlichkeiten angewiesen, in denen das Warensortiment gelagert bzw. der Kundschaft angeboten wird. Diese Abhängigkeit macht aus dem bloßen Besitz eines solchen Geschäftslokals eine monatlich sprießende Geldquelle seines Eigentümers. Mietzahlungen gehören daher – und zwar nicht nur im Handel – zu den Fixkosten jedes Geschäfts, die Monat für Monat bedient und daher zuvor verdient sein wollen. Gerade letzteres verhindert nun aber das staatliche Betretungsverbot von Geschäftslokalen. Das Ergebnis sind Liquiditätsprobleme der Betriebe. Betrieben, die mit dem Umsatzersatz zur Bedienung dieser Kosten nicht das Auslangen finden, gewährt der Staat alternativ einen Fixkostenersatz. Weil es um die Aufrechterhaltung der Bedingungen der Wiederaufnahme des Geschäfts qua Vermeidung von Zahlungsausfällen geht, deckt er – anders als bei privat genutzten Immobilien – Miet- und andere Fixkosten wie Strom, Energie, usw. mit einem Fixkostenzuschuss bis zu einem Höchstsatz von 75% ab. Damit ist der Staat gleich mehrfach geschäftssichernd tätig, vermeidet er doch nicht nur, dass die begünstigten Unternehmen in Zahlungsschwierigkeiten kommen, sondern sichert im gleichen Atemzug auch noch das Geschäft der Immobilienbranche und der Energielieferanten, indem er verhindert, dass sie um den aus ihrem Eigentumstitel resultierenden Mietanspruch bzw. Strompreis umfallen.

 

Mit Umsatzersatz, Ausfallsbonus oder Fixkostenzuschuss sieht der Staat noch nicht alle Fälle einzig durch seine Corona-Maßnahmen in Zahlungsschwierigkeiten gekommener – an sich also als erfolgreich eingeschätzter – Unternehmen abgedeckt. Durch die Gewährung eines Verlustersatzes versucht er auch deren Liquidität zu erhalten, indem er diesen Unternehmen bis zu 90% des Betrages, den ihre Aufwendungen über ihren Erträgen liegen, ersetzt.

 

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Kritik an den getroffenen Maßnahmen bleibt nicht aus. So sieht sich vor allem während des ersten Lockdowns der Fachhandel für Spielzeug, Kleidung, Elektrogeräte, Blumen und Werkzeug gegenüber den Supermärkten, die als Geschäfte der unbedingt nötigen Grundversorgung von der behördlichen Geschäftsschließung ausgenommen waren, in seiner Konkurrenzposition schwer benachteiligt. Die Supermärkte würden die Situation ausnutzen, ihre Position im Handel mit Waren, die der Fachhandel als sein angestammtes Metier betrachtet, festigen und ausbauen.[18] Händler, die schließen müssten, bekämen schließlich die verlorenen Umsätze ersetzt, kontern ihrerseits die Supermarktketten und lassen sich dementsprechend in ihrer Mehrzahl im zweiten Lockdown mitnichten vom Sozialministerium eine Einschränkung des Warenangebotes auf „typisches Sortiment“ verordnen[19].

 

Einigkeit herrscht im Blick auf die Konkurrenz von auswärts, wenn der Staat unbedachterweise die Auslese der Kaufleute und Handelsunternehmen zugunsten des Online- Versandhandels mit seinen handgezählten ausländischen Quasi-Monopolisten befördert. Die behandeln Corona mitsamt der durch staatliches Eingreifen noch verschärften Krise ganz pragmatisch als das, was es aus Perspektive der marktwirtschaftlichen Konkurrenten eben ist: eine neue Konkurrenzbedingung, die sie für sich zur Gelegenheit ausbauen.

 

 

Bleibt noch eine Partei zu besprechen, der Kunde. Der, heißt es doch gewöhnlich, stehe im Mittelpunkt. Sogar mittels Zuschreibung von Insignien der Herrschaft wird er gerne geehrt. Er sei der König. Wenn er, Lockdown hin oder her, einkaufen kann, wonach sein Herz begehrt, einen neuen Fernseher etwa statt im heimischen Fachhandel im Supermarkt oder bei Amazon, mag sich dennoch keine allgemeine Zufriedenheit einstellen. So ist das mit dem König doch wieder nicht gemeint. „Konsumenten sind Schnäppchenjäger“, kaufen einfach „spontan und aus Emotion heraus“, liest man, würden also doch, wenn man sie denn ließe, glatt – statt beim Kaufen den Blick auf die Wirtschaft als Ganzes zu haben und Verantwortung zu üben – nur den eigenen Vorteil im Blick haben.

 

Die Welt des Gelderwerbs

 

Auch in ihrer Eigenschaft als Geldverdiener kommen die Individuen dem Staat bei der Pandemiebewältigung in den Blick. Für eine erhebliche Menge von Leuten entfällt infolge der politisch verfügten Stilllegung von Teilen des kapitalistischen Wirtschaftslebens ihr unentbehrliches Lebensmittel – die Gelegenheit zum Geldverdienen. Für die große Menge „unselbständiger Existenzen“ wird das Überleben zum Problem, weil ihre Unselbständigkeit darin besteht, dass sie fürs Geldverdienen auf ein Profitinteresse an ihrer Arbeit angewiesen sind. Sachgesetzlich werden sie vom Staat als das behandelt, was sie sind, total abhängige Figuren. Um ihren Nöten des erschwerten bis verunmöglichten Geldverdienens zu entsprechen, wendet er sich mit seinen Hilfsmaßnahmen konsequenterweise nicht an sie direkt, sondern an ihre „Arbeitgeber“, von deren geschäftlichem Umgang mit ihrer Leistung ihr Lebensunterhalt abhängig gemacht ist. Deren Kalkulationen verspricht der Staat in aller gebotenen Großzügigkeit entgegenzukommen. Die „kleinen Leute“ müssen sich für ihr Überleben schließlich wieder nützlich machen können – und was dafür ansteht, ist ein beherztes Bekenntnis zum kapitalistischen Reichtum und die Unterstützung der Bedingungen seiner Vermehrung. So geht „Rettung der kleinen Leute“ in der Marktwirtschaft – ein sachdienlicher Hinweis der Politik auf die klassenmäßige Wahrheit ihres freiheitlich-egalitären Gemeinwesens.

 

Mit Blick auf den Erwerbsbürger lautet daher die erste und wichtigste Losung für den Staat: Es muss so viel Geschäft wie möglich und vertretbar aufrechterhalten werden. Entsprechend zurückhaltend setzt der Staat deshalb die Kontaktbeschränkungen in der Arbeitswelt und entlang der öffentlichen Verkehrswege zu den Wirkungsstätten ein. Wo immer es geht, sollen Betriebe „offenbleiben“. Betriebe, bei denen der Kontakt mit Kunden nicht im Zentrum ihrer Geschäftstätigkeit liegt, wie z.B. Produktions- und Baubetriebe, waren daher in Zeiten „harter Lockdowns“ nicht von Betriebsschließungen betroffen, konnten also mehr oder weniger – gegebenenfalls unter verschärften Hygieneauflagen – weitermachen.

 

Daneben versucht der Staat dem Widerspruch zwischen der Aufrechterhaltung von so viel Geschäft wie möglich und der Seuchengefahr durch Home-Office-Regelungen die Schärfe zu nehmen. Er trägt an die Unternehmen, die „Arbeitgeber“, das Ansinnen heran, im Hinblick auf die durch die Seuchengefahr gebotene Kontaktreduktion ihren „Mitarbeitern“ das Arbeiten von zu Hause aus zu ermöglichen. Dem Kommandorecht des privaten Eigentums will er dabei gleichzeitig nicht zu nahe treten, weshalb es sich über alle Lockdowns hinweg immer nur um freundliche Empfehlungen an die Wirtschaft handelt. Das Home-Office muss vom Arbeitgeber dann und nur dann dem Personal möglich gemacht werden, wenn es nach den gültigen Maßstäben des Betriebs und nach Dafürhalten ohne große Abstriche möglich zu machen ist.

 

Wo die Corona-Lage dann doch dazu führt, dass die Arbeit der Belegschaft nicht mehr in zufriedenstellendem Maße geschäftsnützlich ist, soll sie natürlich entsprechend zurückgefahren werden dürfen. Das sieht der Staat als notwendige Freiheit der Geschäftskalkulation ein. Er weiß aber auch, wie es um die Lohnhöhe im Land aussieht. Das Arbeitsentgelt ist in der Regel so knapp bemessen ist, dass es auch eine nur kurzzeitige Unterbrechung der Arbeit nicht zulässt. Eine auch nur kurzzeitige Unterbrechung der Arbeit droht die bürgerliche Existenz der nützlichen Arbeitsleute innerhalb kürzester Zeit zu vernichten. Der Staat springt mit ausgeweiteter und mehrfach verlängerter Kurzarbeitsbeihilfe ein. Er greift damit auf ein Instrument der Arbeitsmarktpolitik zurück. Das Angebot der Kurzarbeit ist ein Angebot, das sich an die Unternehmer als die wirklichen Subjekte der Arbeits- und Einkommensverhältnisse wendet. Deren „vorübergehende wirtschaftliche Schwierigkeiten“ auf Grund von „unternehmensexternen Umständen“, ein bloß kurzfristig nicht geschäftsnützlicher Einsatz der Belegschaft soll nicht gleich zu Kündigungen[20] führen.

 

Die Betriebe sollen nicht gleich den Lebensunterhalt ihrer Beschäftigten stornieren müssen, sobald er sich für sie nicht mehr lohnt. Wenn sie Kurzarbeitsbeihilfe formgerecht beantragen, kompensiert der Staat Teile des Lohns, die sie nicht mehr zu zahlen bereit sind. Deren geschäftsmäßige Kalkulation mit der Arbeit ist dabei nicht nur unterstellt, sondern ihr wird auch voll Rechnung getragen. Unternehmen können die Arbeitszeit auf das geschäftsnützliche Maß reduzieren, die Arbeitnehmer bekommen 80% bis 90% Ihres Einkommens vom Arbeitgeber weiterbezahlt. Aber den Lohn für die ausgefallenen Arbeitsstunden bekommt das Unternehmen vom Arbeitsmarktservice (AMS) in Form der Kurzarbeitsbeihilfe ersetzt. So bleibt das Beschäftigungsverhältnis, auch wenn es nichts mehr abwirft, formell in Kraft, sodass die Belegschaften ihren Arbeitgebern auch weiterhin flexibel verfügbar bleiben, falls Teile davon vielleicht demnächst bald wieder gebraucht werden

 

Die Rettung der „kleinen Leute“ betreibt der Staat also über Leistungen für die Arbeitgeber. Die Arbeitsleute, die „Arbeitnehmer“ kümmern den Staat nicht einfach als welche, die wenig Geld haben, sondern als von Lohnarbeit Abhängige, deren Verwendung sich derzeit nicht lohnt.

 

Des Weiteren findet der Staat in seinem Steuer- und Sozialwesen allerhand Stellschrauben vor, die jetzt als Instrumente in Betracht kommen, den einfachen Leuten über die außerordentliche Krisensituation hinwegzuhelfen, sei es um den zusätzlichen Anforderungen wie z.B. Homeoffice einkommensmäßig gewachsen zu sein oder das sofortige Abrutschen in die totale Existenznot zu verhindern in jenen Fällen, in denen sich die Kurzarbeit für die Unternehmen nicht rentiert und sie daher zum Mittel der Kündigung greifen.

 

Er verteilt kleine Steuergeschenke: Home-Office-Arbeitskräfte dürfen im Jahr 2020 für beruflich veranlasste Ausgaben wie Schreibtisch, Drehstuhl, Schreibtischlampe usw. einen Betrag bis zu 150 Euro steuermindernd geltend machen. Er verzichtet bis inklusive Juni 2021 darauf, den Pendlern die steuermindernde Wirkung des Pendlerpauschales zu streichen, auch wenn sie coronabedingt den Weg zwischen Wohnung und Arbeitsstätte nicht zurücklegen[21].

 

Den Katalog der Fälle einer verpflichtenden Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber erweitert er in der Rubrik „Pflegeurlaub“ um eine „Sonderbetreuungszeit zur Betreuung von Kindern oder zu Pflegenden“, damit in den Familien Kinder oder pflegebedürftige Angehörige im Fall von Corona-Maßnahmen – Schulschließung, Schließung von Betreuungseinrichtungen von behinderten Menschen, Ausfall von Pflegekräften durch Grenzschließungen bzw. Reisebeschränkungen – von ihren berufstätigen Eltern bzw. Kindern notbetreut werden können und dies nicht einen sofortigen Verdienstausfall zur Folge hat. Freilich nicht, ohne den Arbeitgebern, die von ihnen zu leistende Entgeltfortzahlung zu ersetzen.[22]

 

Geholfen mit coronabedingten Extrakosten fertigzuwerden wird aber nicht nur denen, die in einem aufrechten Beschäftigungsverhältnis stehen. Im Wissen darum, dass das hierzulande extrem niedrige Niveau des Arbeitslosengeldes in Höhe von 55% des vorherigen Einkommens schon in „Normalzeiten“ für ein Leben in solcher Armut sorgt, dass jegliche Extraausgabe zu einer kaum bewältigbaren Herausforderung wird, kommen die beim AMS vorgemerkten Arbeitslosen in den Genuss eines Ausgleiches für coronabedingte Extrakosten. Bezahlt wird die Unterstützungsleistung systemkonform aus der Arbeitslosenkasse, die schon in normalen Zeiten dafür zuständig ist, die Brauchbarkeit von Arbeitnehmern fürs Kapital zu erhalten. Damit ist sichergestellt, dass auch in dieser besonderen Zeit niemand anderer als die Klasse der Arbeitnehmer selbst für die eigene Erhaltung aufkommt.

 

Für Arbeitslose, die auf Grund längerer Arbeitslosigkeit in Normalzeiten in Gestalt der Notstandshilfe nicht einmal diese 55% des vorherigen Einkommens bekommen, wird die Notstandshilfe befristet – für die Zeit von März 2020 bis März 2021 – auf die Höhe des Arbeitslosengeldes aufgestockt. Eine generelle Erhöhung des Arbeitslosengelds auf 70% des vorherigen Einkommens wird von der Regierung abgelehnt. Stattdessen gibt es dreimal eine Einmalzahlung für Arbeitslose, die erste in Höhe von 450 Euro, die zweite gestaffelt in der Höhe von 150 bis 450 Euro, die dritte in Höhe von 150 Euro. Die Einmalzahlung sei ein Beitrag, um Mehrbelastungen aufgrund vergangener Lockdowns für Arbeitssuchende auszugleichen, so Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP). Und dieser weiter: „Gleichzeitig bleibt unser primäres Ziel weiterhin, Menschen rasch in Beschäftigung zu bringen“[23]. Auf den „Anreiz“ eines Arbeitslosengeldes, von dem man nicht leben kann, will der Arbeitsminister, wie schon seine Amtsvorgängerin, nicht verzichten.

 

Schließlich wird sogar die untrennbar mit der Lohnarbeit verbundene kapitalistisch unnütze Armut[24] in der Krisensituation vom Staat bedacht: den Ärmsten der Armen, den Sozialhilfe bzw. Mindestsicherungsbeziehern greift er mit einem einmaligen Zuschlag von bis zu 100 Euro für jedes Kind – damit also in ihrer Funktion als Kindererzieher – unter die Arme. Da in unseren Breiten ein Überleben ohne Heizung und einem wenigstens minimalen Zugang zu Energie kaum möglich ist, gibt es für Sozial- und Mindestsicherungsbezieher daneben auch noch einen Energiekostenzuschuss von bis zu 100 Euro pro Haushalt. Wenn die für diese Maßnahmen veranschlagten insgesamt 34 Millionen Euro etwas sind, dann ein Indiz für die schiere Masse nutzloser Armut in unserem schönen Land.

 

Alle diese Instrumente – von der Arbeitslosenversicherung bis zu Sozialhilfe und Mindestsicherung –, die jetzt als Kriseninstrumente in den Blick kommen, gibt es längst schon vor Corona, weil die öffentliche Gewalt in Form des Sozialstaates in die Bewirtschaftung des nationales Lohns als das Lebensmittel der Massen immerzu eingemischt war und ist, damit er überhaupt als solches funktioniert. Die sozialstaatlichen Maßnahmen, die zum Einsatz kommen, zeigen, dass diese Leute nicht erst seit Corona, sondern auch im normalen Geschäftsgang dauernd mit Schwierigkeiten bei der Bewältigung des Lebens konfrontiert sind. Sie verdienen nie genug, um ihren Lebensunterhalt in angemessener Weise reproduzieren zu können.

 

Die Welt der Nachwuchsbetreuung

 

Als weites Feld epidemiologisch relevanter Kontakte ist dem Staat auch die Welt der Nachwuchsbetreuung – Schulen, Kindergärten in den Blick geraten. Anders als in der Arbeitswelt eröffnet sich der Politik beim Blick auf die Kinder die Möglichkeit, auf Kontaktreduzierung zu bestehen, ohne dass es gleich um existenzielle Fragen geht. Zumindest wurde das von der österreichischen Bundesregierung beim ersten Lockdown im Frühjahr 2020 so gesehen. Abgesehen von als unbedingt notwendig erachteten Betreuungsangeboten in der Schule, wurden die Schulen dichtgemacht und der Regelschulbetrieb unterbrochen. Da dessen Leistungen für die Bildung des Nachwuchses dem Staat alles andere als egal sind, wurde ein Kontakte vermeidender Ersatzbetrieb angeordnet: Fernunterricht mit Rückgriff auf die Errungenschaften der Digitalisierung, der der Bildungssektor schon so lange entgegenfiebert und selbständiges Lernen von zu Hause aus.

 

Für die betroffenen Familien ergibt das in mehrfacher Hinsicht eine, wie sich herausstellen sollte, für sie in vielen Fällen nicht bewältigbare Zumutung eigener Art. Das wirft ein Schlaglicht auf Auftrag und Leistungen des Schulwesens, die soziale Lage vieler Familien und das moderne Familienleben ganz generell.

 

a. Was der Lockdown über den Zweck der Schule und die soziale Lage im Lande offenbart

 

Das Homeschooling und der Erfolg des Lernens stoßen in den Familien recht schnell auf soziale Schranken, die dem schulischen Ideal der Chancengleichheit zuwiderlaufen. In vielen Familien fehlt es an den notwendigen digitalen Medien (Computer, stabile Internetverbindung) und/oder an einem geeigneten Arbeitsplatz. Die Verfügung über die nötige Technik zur Teilnahme am Fernunterricht als auch das eigene Kinderzimmer mit Schreibtisch ist eine Geldfrage, sodass es in den „sozial schwachen Schichten“ zu Problemen kommt. Manche Schüler, konnte man lesen, sind über Wochen für die Lehrer „nicht mehr erreichbar“[25].

 

Zur materiellen Armut kommt die geistige hinzu: Die meisten Eltern sind schlichtweg nicht in der Lage, ihren Kindern über das Volksschulwissen hinaus beim Erarbeiten von Lernstoff zu helfen. In dieser Gesellschaft, die sich selbst als Wissensgesellschaft bespricht, ist es offensichtlich ziemlich normal, dass die Eltern – nicht nur jene bildungsferner Schichten sehr schnell an ihre eigenen Wissensgrenzen stoßen, wenn sie ersatzweise mit der Wissensvermittlung an ihre Kinder betraut werden.

 

Die Meldungen über Lerndefizite des Nachwuchses in sämtlichen Altersstufen ließen nicht lange auf sich warten. Schüler verpassen „Lernstoff“, entwickeln „Wissenslücken“, können nicht aufholen, was sie alles versäumt haben, lautet die Klage. Was ist solchen Klagen über den Auftrag der Schule zur Volksbildung zu entnehmen? Wer von „Wissenslücken“ spricht, redet nicht einfach von bestimmten Wissensinhalten. Die mögen wegen dem wirklichen Mangel an Vermittlung wirklich fehlen, wären aber nach der Unterbrechung mit allseitiger Betätigung des Verstandes leicht aufzuholen. Wo liegt aber dann das Problem? Das erschließt sich, wenn man die Rede vom zu absolvierenden „Lernstoff“, also einem Lernpensum, das es in vorgegebener Zeit anzueignen und abzuprüfen gilt, ernst nimmt. Man erkennt, dass es beim Ausbildungswesen nicht einfach um die Vermittlung von Wissen geht, das sich ohne grundsätzliche Schwierigkeit auch nachholen ließe, sondern um Lernkonkurrenz. Die Schüler werden längs des Kriteriums verglichen und benotet, wer das vorgegebene Stoffquantum in festgelegter Zeit besser bewältigt als die Mitschüler. Diese Lernkonkurrenz wird durch wiederholte Lockdowns beeinträchtigt.

 

Neben „Wissenslücken“ stellen Experten auf breiter Front schon wenige Wochen nach dem ersten Lockdown „Kollateralschäden“ bei Pünktlichkeit, Verlässlichkeit, Konzentration, sozialen Kompetenzen, Motivation usw. fest. Schüler und Eltern bringen auf sich gestellt nicht hin, was die Schule leistet. Was das Homeschooling offenbar nicht zu ersetzen imstande ist, sind die schulischen Beiträge zur Charakterbildung des Nachwuchses: Feste Unterrichtszeiten und ein Stundenplan mit einem unabhängig von Interesse und Neigung des Schülers definiertem Stoffpensum dienen nicht nur dem Abarbeiten des Lernstoffs gemäß Lehrplan, sondern sorgen auch für die dafür nötige Disziplinierung, die ausbleibt, wenn das Kind bzw. der Jugendliche allein hinter seinem Buch oder Tablet am Küchentisch sitzt. Schüler können allein auf sich gestellt, nicht ihren Tag strukturieren. „Strukturierung überhaupt“ wird als der unbedingt von den Eltern zu vollziehende Ersatz beim Homeschooling eingefordert. So ergeht von Bildungsminister Faßmann bei der Pressekonferenz am Tag der Verkündung des 4.Lockdowns, der dieses Mal offene Schulen mit einem Aussetzen der Präsenzpflicht vorsieht, an jene Eltern, die sich aus Sorge um die dadurch gegebene Ansteckungsgefahr für ihre Kinder für die mit dem Aussetzen der Präsenzpflicht erlaubte Möglichkeit des Homeschoolings entscheiden, die Aufforderung, zu Hause den stundenplanmäßigen Unterricht zu „simulieren“:

 

„Was wird am Montag passieren? Die Lehrer kommen in die Schule und die Kinder, die zu Hause nicht betreut werden, ebenso. .. Die Kinder gehen dann am Montag in ihre Klasse und werden nach Stundenplan unterrichtet. Und die Kinder zu Hause beginnen ebenfalls mit dem Stundenplan und beginnen gleichsam mit der ersten Stunde. Wir sollten auch zu Hause, glaub ich, darauf achten, dass Schule gleichsam simuliert wird. Um 8:00 Uhr geht es los und um 8:50 beginnt die Pause.“

 

Was wird da eigentlich strukturiert? Die 50 Minuten Taktung hat nichts mit der notwendigen Disziplin zu tun, die es beim Kapieren von bestimmten Aufgaben als Konzentration auf eben diese braucht. Es geht um Disziplinierung auf das sich Bewähren an und mit dem Pensum. Das ist offenbar nur als Werk des Zusammenpferchens im Schulraum unter Aufsicht des Lehrerpersonals zu haben.

 

Gleiches gilt für soziale Tugenden, die der von der Schule ständig praktizierte Vergleich der individuellen Lernleistungen herausfordert und herausbildet, mit dem der Lernende auf ein instrumentelles Verhältnis zu seinem Verstand und seinem Wissen geeicht wird. Das Lernziel, sich beim Lernen mit anderen zu vergleichen und sich gegen andere durchzusetzen, lässt sich in der Familie als verordneter Ersatzbetrieb für die Schule nicht erreichen. Kurzum: Auch das schulische Lernen als Leistungskonkurrenz ist zu Hause nicht gescheit zu imitieren, sodass das Heranwachsen des Schülers zum bürgerlichen Konkurrenzindividuum nicht nur dort leidet, wo die Wissensvermittlung an der familiären Armut scheitert.

 

 

Was unter Corona aber sicher nicht leidet, ist die entscheidende Funktion des Unterrichts fürs spätere Leben: Abschlusszeugnisse gibt es trotzdem. Das hat die Politik versprochen und dafür tun Bildungsminister alles. Bei der Präsentation einer „verschlankten Matura“ im Frühjahr 2020 bekräftigt Bildungsminister Faßmann, dass sein Ziel immer gewesen sei, dass die Maturanten einen Abschluss machen können, denn: „Ich selbst weiß, wie wichtig Bildungsabschlüsse im Lebenslauf sind“(SN vom 8.April 2020). Zur Zufriedenheit darüber, trotz Sondersituation einer Pandemie das entscheidende Ziel des Schulunterrichts, ein Abschlusszeugnis als die entscheidende Eintrittskarte in das nachschulische Studiums-, Ausbildungs- und Berufsleben in Händen zu haben, gesellt sich gleichzeitig im Hinblick auf die Corona bedingten Adaptionen beim Ablauf der Matura die Sorge der Betroffenen, mit der so „verschlankten Matura“ über ein minderwertiges Corona-Zeugnis zu verfügen. Die Sorge vor allem der Eliteabteilung des Nachwuchses: eine ganze Schülergeneration könnte als „Corona-Jahrgang“ stigmatisiert werden, dass ihre Abschlusszeugnisse daher weniger wert seien und sich das negativ auf ihr berufliches Fortkommen auswirken würde.

 

In dieser Klage wird die eigentliche Leistung der Schule nicht zur Kenntnis genommen. Mit dem Verteilen von Abschlusszeugnissen wird auch der Corona-Jahrgang mit einer Eintrittskarte für die weitergehende schulische oder berufliche Konkurrenz versorgt, was ja gerade die Leistung der Schule ist. Für den ambitionierten Einstieg in die Konkurrenz um die besseren Jobs, die dann ohnehin ganz anders abläuft und in der Wissen mit Erfolg nicht zusammenfällt, taugen die Corona-Zeugnisse allemal: ebenso wie sie am anderen Ende der Notenskala die Selektion nach unten komplettieren und massenhaft Nachwuchs in aller Form als Versager abstempeln. Eine entsprechend vorsortierte Generation liefert die Schule auch in Corona-Zeiten zuverlässig ab.

 

Diese Sorge der „Entwertung“ der Abschlusszeugnisse zeugt von der Bildungslüge, dass ein entsprechender Abschluss es ermögliche, das gelernte Wissen als Erfolgsmittel in der Konkurrenz um die besseren Jobs einzusetzen. Erstens dokumentiert das Zeugnis nicht die Fähigkeiten und Kenntnisse, die sich ein Schüler erworben hat. Ein Zeugnis ist ein Dokument dessen, dass der Schüler sich während seiner Schulkarriere vergleichsweise besser mit den Anforderungen der Schule auseinandergesetzt hat als seine Mitschüler und sich darüber für eine weiterführende Ausbildung bzw. für die entsprechenden Berufe qualifiziert hat. Zweitens sind es ja ganz andere Subjekte, die diese vorsortierte Generation dann gemäß ihren Ansprüchen beurteilen. Wen sie einstellen und wie viel sie der Arbeitskraft bezahlen, entscheiden in Wahrheit einzig die, die die Bewerber nach ihren Bedürfnissen und Maßstäben sortieren und deren Bewertungsmaßstab der Bezahlung liegt sicher nicht in stattgefundenen bzw. ausgefallenen Unterrichtsstunden oder anderen kindischen Bildern zur Quantifizierung des erworbenen Wissens-„schatzes“.

 

b. Offenbarungen über das moderne Familienleben

 

Ebenfalls geschlossen werden die Aufbewahrungsstätten des Nachwuchses und die Kinder werden in die häusliche Isolation geschickt. Dass neben Kindergärten und Horten auch die staatlichen Schulen diese verwahrende Funktion erfüllen, tritt im Lockdown besonders hervor. Denn mit den Schließungen mutet der Staat den Familien jenseits der Bildungsfrage noch deutlich mehr zu.

 

Dass die Kinder zu Hause bleiben müssen, stellt für die moderne Kleinfamilie eine ziemliche Zumutung in puncto Zeit, Geld und Kraft dar. Wo es als normal, gar als moderne Errungenschaft gilt, dass beide Elternteile als „Doppelverdiener“ arbeiten müssen, weil ein einziger Lohn für die Familie vorne und hinten nicht ausreicht, verschärft sich der Gegensatz zwischen der Betreuung und den Notwendigkeiten des Geldverdienens noch.

 

Das ist ein Hinweis darauf, was die Familie als Mittelpunkt der Lebensgestaltung des Individuums tatsächlich ist: Die Familie mag dem Individuum als heimeliger Zweck seiner Bemühungen im Kampf ums Geldverdienen gelten, als Hort von Privatheit und Glück, als Sphäre seiner Selbstverwirklichung, für die es die Strapazen des Alltags überhaupt auf sich nimmt und von der es sich im Gegenzug eine Kompensation all der Mühen erwartet. Im Lockdown erweist sich, mit wie vielen untereinander unverträglichen Notwendigkeiten die häusliche Idylle belastet ist. Tatsächlich ist diese Sphäre dadurch bestimmt, dass beide Elternteile einer Erwerbstätigkeit nachgehen müssen, damit das Geld für das Zurechtkommen ausreicht. In dem, was daneben noch an eng begrenzter Zeit bleibt, müssen Notwendigkeiten des Alltagslebens geregelt werden. Das beißt sich mit der Betreuung der Kinder. Die Nöte der Familie, die das Familienleben schon in normalen Zeiten zu einem Balanceakt machen, explodieren, wenn es zu einem Lockdown kommt. Da reicht es schon, wenn der Nachwuchs für eine Weile nicht wie sonst üblich wenigstens die erste Hälfte des Arbeitstages irgendwo untergebracht ist, um das ganze moderne Kleinfamilienleben in Schwierigkeiten zu bringen.

 

Die Hilfen des Staates, der darauf reflektiert, bezeugen es auf ihre Art. Durch das Maßnahmenpaket der Bundesregierung zur COVID-19-Epidemie wird für die überlasteten Eltern die Möglichkeit einer Sonderbetreuungszeit für bis zu drei Wochen für zu betreuende Kinder bis zum 14.Lebensjahr geschaffen. Den Arbeitgebern wird das für diese Zeit fortgezahlte Entgelt vom Bund bis zu 100% ersetzt. So soll sichergestellt werden, dass die Eltern nicht gleich ihren Job und ihr Einkommen verlieren, wenn sie mal nicht zur Arbeit gehen können.

 

Die in der Pandemie zur Kontaktbeschränkung geschaffenen Homeoffice-Regelungen in der Arbeitswelt, sind in puncto Familienleben auch nicht das pure Glück, wie auch – darf damit doch der Widerspruch zwischen den familiären Anforderungen und denen der Arbeitgeber in den eigenen vier Wänden ausgelebt werden. Wenn die ganze liebe Familie ihren wachen Tag gemeinsam im trauten Heim verbringt, das darauf überhaupt nicht ausgelegt ist – schließlich sorgen von der Wirtschaft knapp gehaltene eigene Geldbörse und die Ökonomie eines kapitalistischen Wohnungsmarktes für beengte Wohnverhältnisse , kommen zu den Zeit- und Geldproblemen noch solche des Einander-Aushaltens dazu.

 

Die skizzierten Einteilungsprobleme einer funktionalen, insofern kapitalistisch nützlichen Armut nehmen für viele Familien am dicken „unteren Rand“ einen etwas anderen Charakter an. Wo Eltern im Zuge von Corona arbeitslos werden oder es vorher schon waren, mag das Betreuungsproblem, dass sie den ganzen Tag nicht zu Hause sind, nicht bestehen. Da ist es oft eher umgekehrt: Das aufeinander Herumhängen in beengten Behausungen wird zur Belastungsprobe und die verbreitete materielle und sittliche Unfähigkeit, für den Nachwuchs entsprechend zu sorgen, schlägt ungehemmt durch, weil soziale Kompensations- und Kontrollmechanismen mit der Streichung des Kindergarten- bzw. Schulbesuchs wegfallen. Die professionellen Hüter des Kindeswohls aus den Abteilungen der staatlichen Elendsverwaltung konstatieren eine massive Zunahme von „Verhaltensauffälligkeiten“ der Kinder. Kinderärzte sehen die ausreichende Bewegung und adäquate Ernährung mit dem Wegfall von Schulweg, -sport und -speisung nicht mehr sichergestellt. Konstatiert wird weiters eine Zunahme häuslicher Gewalt. Alles Indizien der Verelendung, die an den Kindern festgemacht werden, aber in der Sache – hier an ihrem extremen Endpunkt – die bürgerliche Kleinfamilie als Privatsphäre der kapitalistischen Armut entlarven. Deren individuelle Verlaufsformen von funktional bis asozial sind so stereotyp, wie es sich für eine Klassengesellschaft gehört.

 



[1] https://kurier.at/wirtschaft/aua-rettungspaket-steht-450-millionen-euro-staatshilfe/400934555

[2] https://neuezeit.at/aua-kuendigungen-2/

[3] „Im Durchschnitt verliert jedes Hotel in Österreich im Zeitraum Mai bis Oktober 2020 zwischen 130.000 und 150.000 Euro an Umsatz. Dies entspricht einem kumulierten Einnahmeausfall von rund 2,2 Milliarden Euro in diesem Zeitraum, geht aus einer aktuellen Szenarienanalyse der Prodinger Tourismusberatung hervor.“( https://www.tourismuspresse.at/presseaussendung/TPT_20200928_TPT0010/prodinger-studie-zeigt-alarmierende-umsatzeinbrueche-in-der-hotelbranche-auf)

[4] „Österreichs Leistungsbilanz erreichte nach vorläufigen Daten im Jahr 2019 mit 10,5 Mrd EUR den dritthöchsten jemals verzeichneten Überschuss. Vor Ausbruch der Coronakrise Anfang 2020 – zu deren Auswirkung derzeit noch keine gesicherten Daten vorliegen – durchlief die österreichische Außenwirtschaft eine ausgesprochene Erfolgsphase. Neben dem auf historisch hohem Niveau liegenden Güterhandel wurde diese vor allem durch die strukturell wichtigste Einnahmequelle, den Reiseverkehr getragen.“ https://www.oenb.at/Presse/20200520.html

[5] https://www.statistik.at/web_de/presse/126440.html

[6] https://info.bmlrt.gv.at/themen/tourismus/corona-tourismus/corona-ma%C3%9Fnahmenpaket.html

[7] „Ich hatte keine politischen Absichten. Es war eine Analyse und Kritik an einer Staatssekretärin, die für ein Ressort und Menschen zuständig war, die sie nicht interessierten und die das kaum verhehlen konnte. Ich wollte sagen: Da sitzt ein Mensch auf einem Platz, auf den sie nicht will oder nicht hingehört. Ich glaube, ich habe Frau Lunacek sogar einen Gefallen getan. Das war erbärmlich. Die Künstler gehören ja nicht zu den Bussi-Bären dieser Regierung und daher ließ man sie in der Anfangsphase unter den Tisch fallen. Und die uns zu vertreten habende Staatssekretärin hat nichts unternommen, wobei man sagen muss, dass es ja auch einen zuständigen Minister gibt. Es war unerträglich, wie diese Amtsträgerin mit ihrem Ressort umging. Insofern tut mir das in keinster Weise leid. Ich habe ja nicht für mich geredet. Es ging mir um all die Tausenden im Kulturbereich Tätigen.“(https://www.nachrichten.at/kultur/es-tut-mir-in-keinster-weise-leid;art16,3466500)

[8] Überbrückungsfinanzierungs-Fond für selbstständige Kulturschaffende, COVID-19-Fonds des Künstler-Sozialversischerungsfonds, NPO-Unterstützungsfondes für Non-Profit-Organisationen, Schutzschirm für Veranstaltungen, Kurzarbeitsmodelle auch für Kulturbetriebe (https://www.bmkoes.gv.at/Themen/Corona/Corona-Kunst-und-Kultur.html).

[9] https://www.derstandard.at/story/2000119393981/andrea-mayer-corona-und-die-kultur-wie-es-den-kuenstlern

[10] Motto des Schweigemarsches von Kulturschaffenden im Juli 2020 in Wien

[11] Herbert Grönemeyer in Die Zeit vom 5.November 2020, „Geld ist im Übermaß vorhanden“

[12] https://www.bmkoes.gv.at/Kunst-und-Kultur/Strategie-Kunst-Kultur.html

[13] Zur Unterstützung der Gastronomie, der Hotellerie, der Kulturbranche sowie des Publikationsbereichs, die von der COVID-19-Krise in einem besonderen Ausmaß betroffen sind, wird eine Ausweitung der bisher vorgesehenen Begünstigungen in diesen Besreichen vorgenommen. Es wird für die Beherbergung und Campingplätze, für die Abgabe aller Speisen und Getränke in der Gastronomie sowie hinsichtlich der bereits bisher mit dem ermäßigten Steuersatz iHv 10 Prozent oder 13 Prozent begünstigten Leistungen der Kulturbranche und der Lieferungen im Publikationsbereich generell ein befristeter ermäßigter Steuersatz iHv 5 Prozent eingeführt. (https://www.bmf.gv.at/themen/steuern/fuer-unternehmen/umsatzsteuer/informationen/faq-ermae%C3%9Figter-steuersatz-gastronomie,-kultur-und-publikationen.html)

„Durch die Novelle des Umsatzsteuergesetzes wird der Steuersatz unter anderem für Getränke und Speisen in der Gastronomie, Theater- und Kinokarten, aber auch für Kunstwerke, Bücher, Zeitungen, Zoos und Naturparks bis Jahresende auf 5% reduziert.“ (https://www.parlament.gv.at/PAKT/PR/JAHR_2020/PK0744/)

[14] https://orf.at/stories/3169318/

[15] (https://www.parlament.gv.at/PAKT/PR/JAHR_2020/PK0744/)

[16] „Durch die Mehrwertsteuersenkung in Deutschland sind nun viele österreichische eCommerce Händler, welche die bestehende Lieferschwelle von 100.000 Euro Umsatz pro Jahr nicht überschreiten, im Wettbewerb stark benachteiligt.“[16]

[17]„Mit welchen Instrumenten unterstützt der Corona-Hilfsfond? Mit Garantien der Republik und Direktzuschüssen soll der Liquiditätsbedarf von Unternehmen abgedeckt werden. …

Was ist das Ziel des Corona-Hilfsfonds? Die rasche Bereitstellung von finanziellen Mitteln für österreichische Unternehmen, die auf Grund der Corona-Krise schwerwiegende Liquiditätsengpässe haben. Diese Unterstützung soll das wirtschaftliche Überleben der Unternehmen sicherstellen. …

Der Gesamtrahmen aller Maßnahmen des Corona-Hilfsfonds beträgt 15 Milliarden Euro, die flexibel je nach unmittelbarem Bedarf einerseits für Direktzuschüsse anderseits für Garantien verwendet werden können. Alle Maßnahmen haben ein Ziel: die Liquidität von Unternehmen sicherzustellen. …

Für welche Unternehmen steht der Corona-Hilfsfond bereit? Unternehmen und Branchen, die durch Maßnahmen wie Betretungsverbote, Reisebeschränkungen oder Versammlungsbeschränkungen besonders betroffen sind oder waren und Liquiditätsprobleme haben. Darüber hinaus hilft der Corona-Hilfsfonds Unternehmen, die in Folge der Corona-Krise mit erheblichen Umsatzeinbußen und der Gefährdung ihrer Geschäftsgrundlage konfrontiert sind.“

(https://www.bmf.gv.at/public/top-themen/corona-hilfspaket-faq.html#Corona-Hilfsfonds)

„Zusätzlich zu den bereits bestehenden Fördermöglichkeiten hat die Regierung nun auch einen EUR 15 Mil-liarden schweren Corona-Hilfsfonds geschaffen, um die wirtschaftlichen Schäden der Corona-Krise abzu-mildern. Im Fokus stehen Unternehmen und Branchen, die gänzlich schließen mussten bzw. große Umsatz-rückgänge verzeichnen und infolge dessen in wirtschaftliche Schieflage gekommen sind. Der Corona-Hilfsfonds kann von Unternehmen beantragt werden, die ihre wesentliche operative Tätigkeit im Inland aus-üben und deren Liquiditätsbedarf in Österreich besteht.“

(https://www.bdo.at/de-at/services/advisory-de/risk-resilience/covid-19-handbuch-zu-den-ma%C3%9Fnahmen-der-regierung/corona-hilfsfonds-presseinformation)

[18] „Spielzeug, Kleidung, Elektrogeräte, Blumen und Werkzeug: Österreichs Lebensmittelketten und Diskonter wildern seit Jahrzehnten in fremden Gefilden. Fachhändler haben gelernt, damit zu leben – bis Corona kam und ihre Geschäfte mit einem Schlag behördlich zum Stillstand verdonnert wurden. Schon im Frühjahr entzündeten sich harte Konflikte rund um Räder, Fitnessgeräte und andere Saisonware, die Supermärkte im großen Stil bewarben und unter die Kunden brachten, während den übrigen Händlern die Hände gebunden waren. Zähneknirschend sahen sie zu, wie sich Handelsriesen wie Spar, Hofer und Müller am Ansturm der Kunden labten.“

(https://www.derstandard.at/story/2000121743616/streit-um-spielzeug-und-elektrogeraete-in-supermaerkten-ist-neu-entfacht)

 

[19] „Rewe will sich beim Verkauf von Non-Food auf Anweisung der Regierung in den kommenden drei Wochen zurückhalten. Interspar, Hofer, Lidl und die Drogerie Müller hingegen, deren Geschäfte traditionell weit stärker auf Sortimente abseits von Lebensmitteln begründet sind, tun es einhellig nicht. Sie halten die vom Sozialministerium verordnete Beschränkung des Warenangebots für gesetzes- und verfassungswidrig. Die Behörde droht mit Strafen von 3600 Euro pro Vergehen.“ https://www.derstandard.at/story/2000121782937/sollen-spielzeug-und-elektrogeraete-aus-supermaerkten-verbannt-werden)

 

[20] Die Einführung und Förderung von Kurzarbeit ist ein geeignetes Instrument zur Unterstützung von Unternehmen, die sich aufgrund von externen Umständen in unvorhersehbaren und vorübergehenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten befinden. Zur Bewältigung der wirtschaftlichen Schwierigkeiten im Zusammenhang mit COVID-19 wurden im § 37b AMSG Anpassungen vorgenommen.“ (Bundesrichtlinie zur Kurzarbeitsbeihilfe, KUA-COVID-19)

„Arbeitsmarktpolitisches Ziel des Einsatzes von Kurzarbeitsbeihilfen ist die Vermeidung von Arbeitslosigkeit infolge vorübergehender wirtschaftlicher Schwierigkeiten und damit die weitestgehende Aufrechterhaltung des Beschäftigtenstandes …Das Unternehmen hat die unternehmensexternen Umstände, welche zu den wirtschaftlichen Schwierigkeiten geführt haben, plausibel darzulegen.“ (Bundesrichtlinie zur Kurzarbeitsbeihilfe, KUA-COVID-19)

[21] „Bis 30.06.2021 kann das Pendlerpauschale vom Arbeitgeber weiterhin gewährt werden, auch wenn Arbeitnehmerinnen/Arbeitnehmer den Weg zwischen Wohnung und Arbeitsstätte aufgrund von COVID-19-Kurzarbeit, Telearbeit wegen der COVID-19-Krise bzw. Dienstverhinderungen wegen der COVID-19-Krise nicht zurücklegen.“ https://www.bmf.gv.at/themen/steuern/arbeitnehmerinnenveranlagung/pendlerfoerderung-das-pendlerpauschale/allgemeines-zum-pendlerpauschale.html

[22] https://www.trend.at/branchen/rechtsschutz/corona-sonderbetreuungszeit-wer-anspruch-11736221)

[23] (Kleine Zeitung vom 14.Jänner 2022)

 https://www.kleinezeitung.at/wirtschaft/6085382/Naechste-Auszahlung-im-Februar_Einmalzahlung-von-150-Euro-fuer

[24] § 1.Dem Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz werden für das Jahr 2021 einmalig Mittel in Höhe von 20 Millionen € für Unterstützungsleistungen an Haushalte mit Sozialhilfe- oder Mindestsicherungsbezug

1. zur Finanzierung von Zuwendungen für Kinder und

2.für die Gewährung von Energiekostenzuschüssen zur Verfügung gestellt.

Weitere Mittel zur Bekämpfung pandemiebedingter Armutsfolgen

§5a. (1) Zur Bekämpfung pandemiebedingter Armutsfolgen werden dem Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz weitere Mittel in Höhe von 26 Millionen Euro bereitgestellt. Aus diesen Mitteln können

1. bis zu 14 Millionen Euro zur weiteren Gewährung von Kinderzuwendungen und

2. 12 Millionen Euro zur Durchführung von Projekten für besonders vulnerable Personengruppen eingesetzt werden. Minderausgaben bei Zuwendungen gemäß Z 1 können für Zuwendungen gemäß Z 2 verwendet werden.

(2) Mit den Zuwendungen gemäß Abs. 1 Z 1 sollen Eltern, die mit 31. Juli 2021 Leistungen der Sozialhilfe oder Mindestsicherung beziehen oder bezogen haben, für ihre Kinder eine weitere einmalige und nicht rückzahlbare Unterstützung zur besseren Bewältigung der Folgen der COVID-19-Krise in Höhe von höchstens 200 Euro pro Kind erhalten. § 4 gilt sinngemäß. https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=20011401&ShowPrintPreview=True)

[25]„Bereits kurz nach dem Aussetzen des Unterrichts im März hatten Pädagoginnen und Pädagogen Alarm geschlagen, weil viele Kinder und Jugendliche für sie plötzlich nicht mehr erreichbar waren. Weil sie keinen Computer hatten. Weil niemand sie daran erinnert hatte, rechtzeitig alle Übungen zu erledigen oder an der Onlinestunde teilzunehmen.“ (Der Standard vom 21.Oktober 2020, „Ach diese Wissenslücke!“)