GegenStandpunkt & Diskussion
Referent Dr. Theo Wentzke
WIEN | GRAZ |
ZEIT: Mittwoch 2.April 2014, 19:30 | ZEIT: Dienstag 1.April 2014, 19:00 |
ORT: 1010 Wien, Universität Wien, Neues Institutsgebäude (NIG), Universitätsstraße 7, HS III | ORT: 8020 Graz, im „Spektral“, Lendkai 45 |
Die EU, allen voran die deutsche
Kanzlerin und ihr Außenminister, sowie die USA haben in der Ukraine die – nach
eigener Auskunft – schlimmste Krise in Europa seit dem Mauerfall vom Zaun
gebrochen; so schlimm, dass manche vor einem neuen kalten oder gar heißen Krieg
warnen. Schuld daran ist, wie immer, die andere Seite: Erst der ukrainische
Präsident Janukowitsch, der seine Unterschrift unter das Assoziationsabkommen
mit der EU verweigert hat, dann die russischsprachigen Landesteile im Süden und
Osten, schließlich und vor allem Putins Russland.
Was westliche Politiker als ihr
selbstverständliches Recht beanspruchen, das entdecken und verurteilen sie am
russischen Präsidenten:
Ihm sagen sie Großmacht-Allüren und
imperiale Absichten nach. Er wolle den Raum der Sowjetunion als russische
Einflusssphäre bewahren, obwohl „die Zeit der Einflusszonen endgültig vorbei
ist!“ Das sagt ihm speziell eine Kanzlerin, die die Ukraine jetzt „umso
schneller in die EU einbinden“ will – was mit Einfluss und Hegemonie wohl nicht
zu verwechseln ist.
Putin wird vorgeworfen, er
destabilisiere die Ukraine, weil er Anträge aus der Krim und ev. auch aus der
Ostukraine ermutigt, sie in die russische Föderation aufzunehmen. Der Vorwurf
kommt u.a. von einer Kanzlerin, die einiges unternommen hat, ein kaputtes,
zwischen seinen östlichen und westlichen Abhängigkeiten zerriebenes Land zu
destabilisieren, solange ein widerspenstiger Präsident dort an der Macht war.
EU-Politprominenz hat den Umsturz in Kiew ermutigt, zum Durchhalten aufgerufen
und ihm die brüderliche Hilfe Westeuropas zugesichert – und damit das Land
endgültig entzweit.
Der Umsturz mit all seinen fanatischen
Nationalisten und bewaffneten Demonstranten, mit seiner Lahmlegung des
öffentlichen Lebens, den Besetzungen und Verwüstungen von Ministerien – ein
Aufruhr den sich keine westliche Demokratie gefallen lässt –: dieser Umsturz ist
für die EU friedlich, demokratisch, und authentischer Ausdruck des ukrainischen
Volkswillens. Und verbindlich für das ganze Volk, einschließlich der dagegen
aufbegehrenden Ostukrainer und Krimrussen, er muss gegen Russland geschützt,
also unter die schützende westliche Aufsicht von USA, EU und Nato gestellt
werden. Die im Vergleich dazu gesittete Volksabstimmung auf der Krim dagegen ist
illegal, undemokratisch, eine Farce. Die europäischen Schutzherren des
Selbstbestimmungsrechts der Völker sind so freundlich, auch gleich die
Kollektive zu definieren, denen Selbstbestimmung zusteht; und die, für die das
Gegenteil gilt.
Die Quelle
dieser Unterscheidung zwischen
Recht und Unrecht ist kein Rätsel: Legitim sind für die EU politische Kräfte,
die sich in der Ukraine als Statthalter der EU und ihr Land als deren Hinterhof
anbieten; illegitim sind jene, die sich dem Anschluss an „Europa“
entgegenstellen. Russland liest diese Gleichung von Recht und Interesse genau
umgekehrt. Beide Mächte, die EU und Russland, beanspruchen die Hoheit darüber,
wer was darf in und mit der Ukraine. Beide fordern voneinander, sich aus der
Ukraine herauszuhalten. Die westlichen Mächte meinen und betreiben den Anschluss
der Ukraine und deren Unterstellung unter die EU und die NATO. Sie wollen den
russischen Einfluss erledigen. Russland ist entschlossen, den zu verteidigen. So
steht Recht gegen Recht – und der friedliche Verkehr der beiden großen
„Nachbarn“ nimmt den Charakter einer Mobilisierung von Macht- und Gewaltmitteln
zur Durchsetzung des jeweils beanspruchten Rechts an. Dabei versichert Merkel:
„Zum Krieg wird es nicht kommen“ – und gibt damit zu Protokoll, dass sie weiß,
wie weit der Westen die Herausforderung der russischen Weltmacht getrieben hat.
Jenseits der Hetze und der Propaganda
ist zu klären:
Warum will die Europäische Union die
Ukraine – ganz?
Warum will Russland das verhindern?
Warum wollen die „G7“ das „Format“ „G8“
kündigen und Russland nicht mehr dabei haben?